Rassismusvorwürfe gibt es in Deutschland zuletzt häufiger Foto: dpa

Ein Mann aus Sri Lanka will in einem Geschäft ein Valentinstagsgeschenk für seine Frau kaufen. Er wird daraufhin des Ladens verwiesen. Die Meinungen über den Grund dafür gehen weit auseinander – und haben sowohl Polizei als auch Menschenrechtler auf den Plan gerufen.

Ostfildern - Es ist Dienstagvormittag – Valentinstag. Ein Mann, der aus Sri Lanka stammt, aber seit Jahren in Deutschland wohnt und mit einer Deutschen verheiratet ist, möchte seine Frau mit einem hübschen Geschenk überraschen. Er betritt ein Geschäft in Ostfildern. Bis dahin klingt die Geschichte bei allen Beteiligten gleich. Doch was danach folgt, darüber gibt es unterschiedlichste Versionen – sie reichen vom Rassismus-Vorwurf bis hin zum großen Missverständnis.

Der Mann sagt, der Ladenbesitzer habe ihn auf Englisch darauf hingewiesen, dass Dunkelhäutige in seinem Geschäft nicht bedient würden, und habe ihn hinausgeworfen. Er sei noch einmal zurückgekommen, weil er fassungslos gewesen sei und gedacht habe, er habe sich vielleicht getäuscht – und sei erneut vor der Tür gelandet. Völlig aufgelöst geht er in ein Geschäft nebenan und erzählt dort die Geschichte. Kunden und Personal sind entsetzt, es wird die Polizei gerufen – und die rückt mit gleich vier Streifenwagen und Blaulicht an.

„Wir sind mit einem größeren Aufgebot hingefahren, weil nicht ganz klar war, welches Ausmaß die Streitigkeit hat“, sagt jetzt ein Polizeisprecher. Allerdings habe man den Einsatz schnell wieder beendet. Derzeit prüfe die Rechtsabteilung die Vorwürfe, aber es sei unwahrscheinlich, dass man eine Ordnungswidrigkeit oder gar eine Straftat feststellen könne. „Da gab es wohl auch sprachliche Probleme und der Ladenbesitzer hat von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht“, so der Polizeisprecher. Alles andere müsse im Zweifel wohl eine Zivilgerichtskammer klären.

Der Ort ist in Aufruhr

Der Vorfall hat sich im Ort allerdings schnell herumgesprochen. „Bei uns haben sich Zeugen gemeldet, Juristen mit Ratschlägen und viele Menschen, die völlig aufgebracht sind“, sagt die Ehefrau des Mannes aus Sri Lanka. Ihr Mann sei „völlig durch den Wind“, weil er schon öfter rassistisch beschimpft worden sei. Er reagiere sich ab, indem er mit einem selbst gemalten Plakat durch den Ort laufe, auf dem unter anderem die Bitte stehe, ihn mit Respekt zu behandeln. „Das ganze Entsetzen über solche Vorfälle muss jetzt raus“, sagt sie.

Auch der Freundeskreis Asyl Ostfildern hat sich eingeschaltet. Dessen Vorsitzende Ursula Zitzler hat dem Ladeninhaber bereits einen Besuch abgestattet, um mit ihm zu sprechen. „Für mich ist das ganz klar eine rassistische Diskriminierung. Ein typischer Fall, wie er in unserer Gesellschaft nicht vorkommen darf“, sagt sie und verweist auf Artikel drei des Grundgesetzes. Dort heißt es unter anderem: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Der Ladenbesitzer habe ihr gegenüber den Rauswurf damit begründet, dass es Diebstähle durch Flüchtlinge in seinem Geschäft gegeben habe, sagt Ursula Zitzler. Für sie ist klar: „Natürlich ist das denkbar. Man darf auch von seinem Hausrecht Gebrauch machen, wenn sich jemand daneben benimmt. Aber doch nicht bei einem Kunden aufgrund seiner Hautfarbe.“Man höre zwar auch in Ostfildern immer mal wieder kritische Anmerkungen über Flüchtlinge oder den Einsatz des Freundeskreises Asyl, aber einen solchen Vorfall habe sie „glücklicherweise bisher noch nicht mitbekommen“.

Der Ladeninhaber beklagt häufige Diebstähle

Beim Ladeninhaber klingt die Geschichte ganz anders. „Ich habe niemanden beleidigt oder angegriffen“, sagt er gegenüber unserer Zeitung. Der Kunde sei hereingekommen, habe sich aber nicht auf Deutsch verständlich machen können. „Wenn jemand sich nicht artikulieren kann, kann ich ihm schwer helfen“, so der Geschäftsmann, der sich ebenfalls auf Zeugen für seine Version beruft. Irgendwann sei er skeptisch geworden und habe deshalb auf Englisch gesagt, der Mann solle den Laden verlassen – „die Hautfarbe habe ich mit keinem Wort erwähnt“. Kurz darauf sei plötzlich die Polizei mit einem Großaufgebot vor der Tür gestanden. „Der Mann hat den Beamten sogar erzählt, ich sei handgreiflich geworden“, sagt der Ladeninhaber. Inzwischen verstehe er die Welt nicht mehr – er bekomme sogar Besuch von Leuten, die ihn auf den Vorfall ansprächen und ihm Vorwürfe machten.

Den Hintergrund für seine vorsichtige Haltung räumt der Betreiber allerdings ein: „Es hat hier in der Vergangenheit sehr viele Diebstähle durch Flüchtlinge gegeben.“ Er habe sich deshalb sogar schon an die Stadt Ostfildern gewandt, ohne dass die etwas unternommen habe. Den entstehenden Schaden ersetze niemand. Häufig sei er allein im Laden, dann könne er die Täter, die meist zu mehreren als vermeintliche Kunden auftauchten, nicht komplett im Auge behalten. Deshalb werde er skeptisch, wenn jemand nicht genau sagen könne, was er wolle.

Die betroffene Familie verweist darauf, dass der Mann aus Sri Lanka ausreichend Deutsch spreche, um sich verständlich zu machen. Wie sie weiter vorgehen wird, ist noch offen. Sie will jetzt zunächst einmal die Ermittlungen der Polizei abwarten und dann entscheiden, was sie tut. Der Valentinstag, soviel steht zumindest fest, ist für alle Beteiligten völlig anders verlaufen als vorher erwartet.