Das Musizieren mit Sackpfeifen ist beliebt Foto: adrenalinapura/Fotolia

Lange Zeit galt der Dudelsack als schottisches Nationalinstrument. Zu Unrecht, denn der wilde Balg war ursprünglich in ganz Europa verbreitet. Heute besinnt man sich allerorten wieder auf die Tradition, auch in Schwaben.

Balingen - Schon als Teenager bekam Sophie glänzende Augen, wenn sie einen Dudelsack spielen hörte. Jetzt als Erwachsene in den 20ern möchte sie es selbst einmal probieren und hat sich zu einem Spielkurs beim Schwäbischen Albverein angemeldet. Sie bläst den Balg auf, nimmt die Flöte in die Hand und gibt Druck. „Quieek – däää – törööööööö.“ Verzweifelt sucht ihr Blick den Workshop-Leiter. Mit viel Geduld begleitet Ingmar Seiwerth seit mehr als zehn Jahren die angehenden Musikanten und hat schon viele von ihnen so weit gebracht, dass sie am Ende eines Wochenendkurses tatsächlich das schwäbische Volkslied „Widele Wedele“ auf einem Dudelsack spielen können. Oder korrekter ausgedrückt: auf der Sackpfeife, denn so nennt man das historische Musikinstrument, hier, im Haus der Volkskunst im Balinger Ortsteil Frommern.

Jede Ecke des ehemaligen Dürrwanger Rathauses atmet Tradition, aber nicht in einem musealen, sondern in einem sehr gegenwärtigen Sinne. Denn Tradition hat für Manfred Stingel, den Vorsitzenden des Kulturrats des Schwäbischen Albvereins und Gründervater des Hauses der Volkskunst, nur dann einen Sinn, wenn sie mit Leben erfüllt ist. Neben der Weiterführung ununterbrochener Kulturtechniken bedeutet dies auch, verloren Gegangenes wiederzubeleben. Dazu gehört die schwäbische Sackpfeife, die zuletzt in den 1920er Jahren auf der Alb gehört wurde. Danach finden sich keine Belege mehr, sie galt als ausgestorben, bis in den 1970er Jahren Tüftler und Instrumentenkundler damit begannen, solch ein Instrument nach Vorlage historischer Zeichnungen und Drucke nachzubauen. Zu nennen ist dabei in erster Linie Tibor Ehlers aus Betzweiler-Wälde, der seine „schwäbisch-alemannische Sackpfeife“ wiederholt auf Veranstaltungen wie dem Heidenheimer Schäferlauf der Öffentlichkeit vorstellte. Die Weiterentwicklung seiner Arbeit durch Helmut Moßmann aus Schuttertal führte zum Start einer ersten Serienfertigung.

Dass die wiederentdeckte Sackpfeife auch wieder unters musizierende Volk kommen konnte, dazu hat die rege Vereinstätigkeit der Volkstanzgruppe Frommern im Verbund mit dem Kulturrat des Schwäbischen Albvereins beigetragen. Zum einen setzten Musikanten das Instrument häufig bei eigenen Auftritten ein, zum anderen lockten im Laufe von nun mehr als zwei Jahrzehnten unzählige Spielkurse mit erfahrenen Referenten aus dem In- und Ausland Hunderte Dudelsack-Interessierte an. Parallel dazu hat die gewachsene Mittelalter-Begeisterung das Interesse an dem Instrument zusätzlich befeuert, dessen „ewiger Ton“ die Zuhörer seit Jahrhunderten fasziniert. Der untergründig wabernde Klang rührt zum einen daher, dass das Spiel beim Luftholen nicht unterbrochen werden muss und zum andern, dass stets eine oder mehrere Pfeifen (Bordune) Begleittöne erzeugen.

Musikgruppen aus ganz Europa treffen sich in Balingen

Auch der Frommerner Sackpfeifen-Lehrer Ingmar Seiwerth gerät ins Schwärmen, wenn er von seinem Instrument spricht. Ein Dudelsack erscheint ihm plastisch „wie eine Skulptur“, der ewige Ton hat für ihn „etwas Mystisches“. Ob auch seine Schülerin Sophie am Ende des Kurses ihre Scheu vor dem doch mitunter etwas launischen Instrument ablegen wird? Gut möglich bei einem derart begeisterten Lehrer.

Begeisterung wird in jedem Fall auch das bevorstehende Dudelsack-Festival vom 15. bis 18. Oktober in Balingen auslösen. Zum siebten Mal kommen alle drei Jahre am Rand der Schwäbischen Alb Musikgruppen aus ganz Europa zusammen, um unter dem Motto „Sackpfeifen in Schwaben“ die unterschiedlichsten Ausprägungen traditioneller Dudelsack-Musik zu präsentieren. In diesem Jahr haben 25 Gruppen aus 20 Regionen ihr Kommen zugesagt, darunter Het Brabants Volksorkest (Belgien), La Cuisinière aboie (Bretagne), Xistra de Coruxo (Galicien/Spanien), Urmuli (Georgien), The Mad Dogs (Schweden) sowie die gastgebende Volkstanzmusik Frommern.