So sehen die angeblichen Schreiben der Stuttgarter Polizei aus Foto: Polizei

Im Namen des Polizeipräsidiums Stuttgart landen derzeit dubiose Schreiben in den Briefkästen. Gegen die Betroffenen werde wegen Betrugs ermittelt, heißt es. Doch der Betrug kommt erst später. Unklar ist, wie viele Opfer schon darauf hereingefallen sind.

Stuttgart - Eine Frau aus Bottrop hatte ein ganzes Wochenende lang unruhige Nächte. Das Schreiben der Polizei, das sie von ihrem Briefträger erhalten hatte, enthielt eine bedrohliche Botschaft: Gegen sie laufe ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts, binnen sieben Tagen müsse sie eine Stellungnahme abgeben.

Der Betroffenen in Nordrhein-Westfalen flößt das Schreiben amtlichen Respekt ein: Polizei Baden-Württemberg, Aktenzeichen, Kriminalpolizeidirektion, Abteilung Zivilrechte, unterzeichnet von einem Leitenden Polizeidirektor namens Roland Behrendes – und dann noch eine Telefonnummer mit Stuttgarter Vorwahl. Doch irgendwie scheint die nicht zu stimmen, die Telefonnummer. Die Bottroperin sucht selbst nach der Rufnummer in Stuttgart – und landet bei der echten Polizei.

„Dabei handelt es sich um ein Serienschreiben, das derzeit offenbar bundesweit an Haushalte verschickt wurde“, sagt Polizeisprecher Jens Lauer. Eine Vielzahl besorgter Anfragen sei schon aus den Bereichen Leipzig, Berlin, Heilbronn, Hannover und dem Landkreis Passau eingegangen. „Die Briefe sind natürlich Fälschungen“, sagt Lauer, „damit sollen Bürger eingeschüchtert und bedrängt werden, Geld auf ausländische Konten zu überweisen.“

Im einem Fall sollte ein Opfer 6000 Euro an eine Filiale der Western Union in der Türkei überweisen. Was die Betroffene glücklicherweise nicht gemacht hat – das Geld wäre sonst weg gewesen.

Die Telefonnummer hat mit der Stuttgarter Polizei gar nichts zu tun. Nach Erkenntnissen der Kripo werden Anrufer auf eine Verbindung des Internet-Telefonie-Dienstes Skype umgeleitet. Der Ansprechpartner am anderen Ende kann irgendwo in der Welt sitzen – mutmaßlich in einem Call-Center in der Türkei.

Die Meldungen zahlreicher Betroffener aus dem Bundesgebiet lassen befürchten, dass es eine hohe Dunkelquote gibt. Ob tatsächlich irgendwo 6000 Euro gezahlt wurden, ist unklar. Die echte Polizei ermittelt zunächst wegen Urkundenfälschung, Amtsanmaßung und Fälschung technischer Aufzeichnungen.

Der Polizeidirektor namens Roland Behrendes ist natürlich frei erfunden. Ein Referat 33 Öffentlichkeitsarbeit gibt es nicht bei der Stuttgarter Polizei. Verdacht schöpfen könnten Betroffene bei den neun Schreibfehlern im Text – von der kleingeschriebenen „frist“ bis hin zum „Straffprozess“.

Interessant ist die Frage, warum die mutmaßlich vom Ausland aus agierenden Täter den Aufwand betrieben haben, die Briefe per Post zustellen zu lassen. Normalerweise wird so etwas per Mail übers Internet oder telefonisch abgewickelt. Nach Informationen unserer Zeitung brauchten die Hintermänner für die Massenversendung aber gar nicht einmal so viel aufzuwenden. Die falschen Polizisten bedienten sich offenbar eines Massenversand-Anbieters in Hessen, der sich darauf spezialisiert hat, den Briefverkehr vom Druck übers Kuvertieren bis zum Versand abzuwickeln.