Ein Teil der Betäubungsmittel, die die Polizei bei einer Razzia im April bei Mitgliedern der Gruppe Chemical Love sichergestellt hat Foto: StN

Im April hat die Polizei den größten deutschen Internet-Drogenhandel ausgehoben. Auch Ex-Fußballnationalspieler Walter Kelsch saß für einige Wochen in Untersuchungshaft. Jetzt ist gegen ihn und fünf weitere Männer Anklage erhoben worden.

Stuttgart/Koblenz - Razzien mit Sondereinsatzkommandos und hunderten Beamten im April und August, dutzende durchsuchte Wohnungen und zentnerweise Drogen: Der Fall, den die Polizei aufgedeckt hat, sprengt die sonst üblichen Dimensionen. Unter dem Namen Chemical Love soll eine Gruppe ein Jahr lang Deutschlands bisher größten Internet-Drogenshop betrieben haben. Darin verwickelt sollen auch zwei Männer aus Stuttgart sein. Darunter ist der frühere Spieler des VfB Stuttgart Walter Kelsch, der vor einigen Jahren nochmals als Präsidiumsmitglied der Stuttgarter Kickers auf die Sportbühne zurückgekehrt war.

Jetzt hat die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz, die für das Verfahren zuständig ist, gegen sechs Männer Anklage wegen der Einfuhr von und des Handelns mit Drogen in nicht geringer Menge erhoben. Zuständig sein wird das Landgericht im pfälzischen Landau, weil im benachbarten Rülzheim das Drogendepot der Männer im Alter zwischen 23 und 61 Jahren gefunden worden war. Vier von ihnen sitzen seit April in Untersuchungshaft. Dem 61-jährigen Kelsch wird Beihilfe vorgeworfen. Er war nach sechs Wochen Untersuchungshaft wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Wann der Prozess in Landau beginnen wird, steht derzeit noch nicht fest.

Die Anklage hält Kelsch vor, den 30-jährigen mutmaßlichen Haupttäter, der ebenfalls aus Stuttgart kommt, fünf Mal in die Niederlande zu Treffen mit einem Drogenlieferanten gefahren zu haben. Laut einem Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz räume Kelsch die Fahrten selbst ein, gebe aber an, von deren kriminellen Zwecken nichts gewusst zu haben. Dem widerspricht Kelschs Rechtsanwalt. Seinen Angaben nach bestreite sein Mandant sämtliche Tatvorwürfe und habe nichts eingeräumt.

Drogen per Post

Nach Abschluss der Ermittlungen ist die Dimension des Falles noch einmal gewachsen. Siebenmal sollen die Angeschuldigten in den Niederlanden enorme Mengen an Drogen beschafft und sie anschließend übers Internet weiterverkauft haben. An die Kunden verschickt wurde die brisante Ware dabei ganz simpel mit der Post – sauber verpackt und frankiert.

Dabei geht es allein um vier Zentner Amphetamin. Die Ermittler sind auf insgesamt 2221 Bestellvorgänge von Kunden gestoßen – im Wert von 3,5 Millionen Euro. Verschickt worden sind angeblich 75 Kilo Amphetamin, 1,67 Kilo Kokain, 300 Gramm Heroin, 12 800 Ecstasy-Pillen, 2700 LSD-Trips, drei Kilo Haschisch und 165 Gramm Crystal Meth. Der reinste Drogen-Supermarkt mit Vollangebot im Internet.

Dabei hätte es aber nicht bleiben sollen. Im Anschluss an eine weitere Beschaffungsfahrt über die Grenze nahmen die Fahnder im April drei der Männer in einem Haus in Rülzheim fest. Dort fand sich bereits wieder über ein Zentner Drogen unterschiedlichster Art für die nächsten Kunden.

Ermittlungen auch wegen Anlagebetruges

Die Anklage wegen Beihilfe zum Drogenhandel ist aber derzeit nicht Kelschs einziges Problem. Auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn – wegen des Verdachts des Anlagebetruges in drei Fällen. Eine ganze Reihe früherer Geschäftspartner und Bekannter wirft ihm vor, hohe Summen zur Anlage entgegengenommen, aber nie zurückgezahlt zu haben. Bei den Ermittlungen geht es um einen Betrag im hohen sechsstelligen Bereich. Betroffene berichten allerdings von Millionenschäden.

Kelsch selbst äußert sich bisher nicht zu den Betrugsermittlungen. Bei einem Treffen im Jahr 2013, als die ersten Vorwürfe dieser Art laut wurden, sprach er gegenüber unserer Zeitung von haltlosen Unterstellungen. Wann die Stuttgarter Staatsanwaltschaft zu einem Ergebnis kommt, ist derzeit offen. Ein Sprecher geht davon aus, dass die Ermittlungen in diesem Jahr keinen Abschluss mehr finden werden. Das könnte demnach frühestens Anfang 2017 der Fall sein.