Der Angeklagte hat das Gericht überzeugen können, kein Drogenhändler zu sein. Foto: dpa-Zentralbild

Zehn Jahre nach der letzten Verurteilung steht ein Drogensüchtige wieder vor Gericht. Seine Freundin und deren Eltern halten zu dem 31-Jährigen, der dennoch zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt wird.

Waiblingen - Die Streifenpolizisten am Cannstatter Bahnhof haben einen Blick für Drogensüchtige. Das sagt jedenfalls einer von ihnen vor dem Waiblinger Amtsgericht, als er in dem Prozess gegen einen 31-jährigen vermeintlichen Dealer als Zeuge aussagt. „Uns ist er gleich aufgefallen, als wir an den Gleisen auf Streife waren“, sagt der junge Beamte. Und tatsächlich habe der Mann, dessen Augen verdächtig nach der Wirkung von Drogen ausgesehen hätten, ein Päckchen mit Amphetaminen und Extacy bei sich gehabt.

Das wiederum habe sie stutzig gemacht, sagt der Polizist. Bei der Durchsuchung der Wohnung eines Freundes des Angeklagten in Waiblingen, wo dieser untergekommen war, wurden 60 Gramm Amphetamine gefunden, eine Menge Verpackungsbeutel, eine Feinwaage und 200 Euro in bar. Das habe sie darauf schließen lassen, dass der 31-Jährige nicht nur Drogen nehme, sondern auch damit handle, so der Polizist. Tatsächlich wurde der 31-Jährige wegen Drogenhandels angeklagt, einer Straftat, die als Verbrechen eingestuft wird, da sie nicht unter einem Jahr Haft bestraft wird.

Die Menge an Drogen lässt auf einen Handel schließen

„Die Menge reicht, um sich einem Monat im Rauschzustand zu halten“, sagt Steffen Kärcher, der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts, zu dem Mann, der darauf beharrt, die Drogen zum eigenen Gebrauch gekauft zu haben. „Ich habe die im Internet billig kaufen können“, erklärt der Angeklagte. Die 60 Gramm hätten laut der Staatsanwältin für rund 1100 Konsumeinheiten gereicht. Allerdings sei der Preis für Amphetamine nahezu auf den von Marihuana gesunken, sagt der Angeklagte. Weshalb hätte er also damit handeln sollen?

Für den 31-Jährigen, der bereits als Jugendlicher wegen seiner Sucht mehrmals vor Gericht stand, ist der Prozess besonders bitter. Zehn Jahre lang habe er sich fast nichts mehr zu Schulden kommen lassen, doch dann habe ihn sein letzter Arbeitsplatz aus der Bahn geworfen. „Das war in einem Hotel mit Restaurant, ein Familienbetrieb. Das Klima dort war schlecht. Wir haben zehn bis zwölf Stunden am Stück gearbeitet und trotzdem hieß es ständig, wir würden nichts arbeiten. Sogar die Zigarettenpausen sollten vom Lohn abgezogen werden“, sagt der 31-Jährige. Schließlich habe er es nicht mehr ausgehalten und den Job hingeschmissen. Er habe von Ersparnissen gelebt, war schließlich wohnsitzlos. „Durch die ganze Situation ist mein Drogenkonsum dann wieder schlimmer geworden.“ In Zukunft wolle er sich einen Arbeitsplatz mit geregelten Zeiten suchen. „In einer Kantine zum Beispiel.“

Das Gericht will den Angeklagten nicht ohne Therapie ziehen lassen

Sein einziger Lichtblick scheint seine Freundin zu sein, mit welcher der Angeklagte seit zwei Jahren zusammen ist und die zu ihm hält. Ihre Eltern ebenfalls: Bei diesen könnte der 31-Jährige sofort unterkommen, wenn er auf freien Fuß käme. „Wie halten Sie das aus, dass er Drogen nimmt?“, fragt der Richter die junge Frau, die von dem Problem ihres Freundes wusste, als sie ihn kennenlernte, selbst aber mit Rauschgift nicht zu tun habe. Sie habe ihm die 200 Euro gegeben, weil er eine Rechnung bezahlen musste, sagt sie. Geld aus Drogengeschäften sei das nicht.

Schließlich wird der Mann wegen Besitzes, nicht aber wegen Handels mit Drogen zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt. „Die große Frage war die nach der Bewährung“, so der Richter. Das Gericht sei der Meinung, dass es für den Angeklagten keine Zukunft gebe, wenn man ihn ohne Therapie auf freien Fuß setze. Der 31-Jährige muss deshalb die Strafe absitzen. Eine Therapie hat er bereits beantragt.