Der Unfallort an der B 27 bei Filderstadt: Vom Mercedes blieb nur ein Wrack übrig Foto: SDMG

Waren Drogen das Motiv der überstürzten Flucht? Was hatte der Fahrer mit der falschen Identität zu verbergen? Nach einer halsbrecherischen Verfolgungsfahrt mit drei Toten sucht die Polizei nach den Hintergründen.

Stuttgart - Das Drama dauert laut Polizei sechs bis sieben Minuten. Und endet nach 24,7 Kilometern mit einem dramatischen Unfall. Für zwei Männer und eine Frau kommt jede Hilfe zu spät, das Auto, ein neuer Mietwagen vom Typ Mercedes A-Klasse 200 D, ist nur noch ein Wrack. Was hatte das Trio zu der wilden Flucht in dieser Nacht zum Dienstag zwischen Leonberg und Filderstadt getrieben?

Für zwei Beamte des Autobahnpolizeireviers Stuttgart hatte der Fall mit reiner Routine begonnen. Am Dienstag gegen 1 Uhr stellten sie sich an der Autobahn 8 an der Behelfsausfahrt vor der Anschlussstelle Leonberg-West auf – mit einer Lasermesspistole, um Raser aus Karlsruhe in Richtung München ins Visier zu nehmen. Der Abschnitt gilt als Rennstrecke, Tempo 120 wird auf der Gefällstrecke oft ignoriert, und nachts gab es hier schon tödliche Unfälle.

Das Drama beginnt kurz nach zwei

Es ist 2.06 Uhr, als das Messgerät bei einem Fahrzeug 182 km/h anzeigt. Ein Mercedes nähert sich aus Richtung Karlsruhe der Messstelle. Weil das Gerät keine Fotos schießt, soll der Fahrer angehalten und kontrolliert werden. Die Beamten springen in ihren Streifenwagen, einen Mercedes E-Klasse, und verfolgen den Raser. Um 2.07 Uhr verständigen die Beamten ihre Einsatzleitstelle.

Doch der Mercedes A-Klasse hat noch einmal beschleunigt. „Die Streife hatte Mühe, hinten dranzubleiben“, sagt der für die Autobahnpolizei zuständige Sprecher Peter Widenhorn, „sie hat den Wagen auch phasenweise aus den Augen verloren.“ Von Einholen kann keine Rede sein, die Beamten sind froh, überhaupt noch die Rücklichter zu sehen. Umliegende Dienststellen werden informiert, sollen in die Fahndung eingreifen.

Der Mercedes, ein Mietwagen mit Münchner Kennzeichen, geht am Echterdinger Ei von der Autobahn ab, biegt auf die Bundesstraße 27 Richtung Tübingen ein. Die Streife der Autobahnpolizei hat Schwierigkeiten zu folgen, verliert die Fährte aber nicht. „Als dann der Unfall passierte, war die Streife noch mehrere Hundert Meter zurück“, sagt Polizeisprecher Widenhorn.

Es ist 2.13 Uhr, als der Fahrer des Fluchtwagens eine rätselhafte Entscheidung trifft. Zwischen den Anschlussstellen Filderstadt-Plattenhardt und Filderstadt-Bonlanden zieht er den Wagen in eine Parkbucht. Die ist nachts ein beliebter Stellplatz für Lkw-Fahrer, die dort ihre nächtliche Ruhepause einlegen. Was will er dort? Licht aus, unauffällig parken, die Verfolger vorbeiziehen lassen? Es ist eng dort und der Mercedes viel zu schnell. Wie schnell, zeigt eine Berechnung: 24,7 Kilometer in gut sieben Minuten – das sind im Schnitt etwas über 200 km/h.

Der Fluchtwagen hat womöglich noch gut 100 km/h drauf, als er an der Parkbucht eine Leitplanke streift, sich überschlägt, einen Autotransporter und einen anderen Lastwagen rammt. Einer der Insassen wird rausgeschleudert, die anderen beiden werden im Wrack eingeklemmt. Alle drei können nur noch tot geborgen werden. Die Aufräumungsarbeiten ziehen sich über den Tag hin. auf der B 27 kommt es zu kilometerlangen Staus in beiden Richtungen.

Rätsel um den dritten Mann

Die Identität der Toten ist lange Zeit unklar. Die Kriminalpolizeidirektion Esslingen ermittelt. Nach Stunden können wenigstens zwei Opfer identifiziert werden: Auf dem Beifahrersitz saß eine 23-Jährige, auf dem Rücksitz ein 26 Jahre alter Mann. „Beide waren im Raum Villingen-Schwenningen wohnhaft“, sagt Polizeisprecher Michael Schaal, „und beide sind einschlägig wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz bekannt.“ Das heißt: Drogenkonsum und kleinere Diebstahlsdelikte. Hatten sie auf der B 27 heimwärts nach Villingen-Schwenningen fahren wollen? Warum hatte der Fahrer dann nicht die A 81 Richtung Singen benutzt? Und: Woher kamen die drei?

Das größte Rätsel gibt den Ermittlern der Fahrer auf. Er war mit falscher Identität unterwegs. Seine Papiere: womöglich gefälscht, zumindest ungültig. Offenbar liegt hier auch der Schlüssel zum Grund der wilden Flucht. Die Kripo ermittelt weiter.