Wir begleiten drei Störche auf ihrer Heimreise nach Deutschland. Foto: dpa

Bald brechen die Störche nach Norden auf – manche werden den Flug nicht überleben. Wir begleiten drei mit Sendern ausgerüstete Tiere in einem Multimediaprojekt.

Stuttgart - Ingo stochert derzeit tagsüber auf einer Müllhalde bei Sevilla nach fressbaren Resten, Zozu hat sich einen Müllplatz nördlich von Barcelona als Nahrungsrevier ausgesucht. Libi hält sich in Südspanien bei Córdoba auf, wo er ebenfalls auf Mülldeponien und gelegentlich in der Nähe von kleinen Gewässern nach Freßbarem sucht. Gemeinsam ist allen drei Störchen, dass sie in Baden-Württemberg geboren sind und auf dem Rücken einen Sender tragen. Dieser erfasst die Orte, an denen sich die Vögel aufhalten – und sendet die Informationen dann an eine Datenbank.

Im Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell verfolgen Wolfgang Fiedler und seine Kollegen die Lebenszeichen von Ingo, Libi und Zozu. Die Vogelkundler untersuchen die Geschicke ihrer Senderstörche – demnächst schauen sie genau hin: Die Tiere brechen aus ihrem Winterquartier auf und machen sich auf den Rückweg nach Südwestdeutschland.

Die Stuttgarter Nachrichten werden in den nächsten Wochen die Routen der drei Störche aus Baden-Württemberg genau beobachten. Unsere Multimedia-Redaktion hat dafür eigens eine interaktive Karte entwickelt, auf der die Livedaten der Störche online abrufbar sind. So kann man sehen, wo Ingo, Libi und Zozu sich jeweils aufhalten und wie ihre Bewegungsmuster sind. Außerdem versammeln wir aktuelle Neuigkeiten rund um die Störche in einem Liveblog. Mithilfe von Fotos und Videos zeigen wir zudem die tausende Kilometer langen Wege „unserer“ drei Störche und erzählen ihre Lebensgeschichten.

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Denjenigen Storch, der als erster seine Heimreise antritt, werden wir live auf seinem Flug nach Norden begleiten – immer in der Hoffnung, dass ihn kein Jäger vom Himmel holt oder er beim Landen auf einem Hochspannungsmast keinen tödlichen Stromschlag erleidet. Es ist eine gefährliche Reise, auf die sich die Störche begeben – und auf die wir Sie mitnehmen: Wir werden auf unserer Website berichten, welche Route der Rückkehrer wählt, wo er rastet und wie schnell er unterwegs ist.

Wann die Reise beginnt – wer weiß es?

Störche können am Tag mehrere hundert Kilometer zurücklegen. Ihr Flugverhalten ähnelt dem eines Segelflugzeugs: Sie nutzen warme Aufwinde, schrauben sich dabei in die Höhe und gleiten dann ihrem Ziel entgegen. Bei dieser langen und anstrengende Reise müssen die Kräfte gut eingeteilt werden.

Wann genau die Vögel in Richtung Deutschland starten, weiß allerdings niemand: Dabei spielt das Wetter eine entscheidende Rolle. Für die „Wartezeit“ haben wir rund um das Storchenleben Fakten und Geschichten zusammengetragen, die wir in den nächsten Wochen sowohl in der Zeitung als auch im Internet veröffentlichen werden.

Dazu gehört ein Besuch unseres Spanien-Korrespondenten Martin Dahms bei Storch Zozu und seinen baden-württembergischen Kollegen auf einer Müllhalde: Wie leben sie in Spanien, wer beobachtet sie dort und dokumentiert ihr Verhalten, was sind die größten Gefahren? Ein Thema sind auch die neuesten Erkenntnisse über die Zugrouten der Störche – schließlich lieferten die Sender in jüngster Zeit weit mehr Daten als in den Jahrzehnten davor. So berichten die Vogelkundler jetzt von einem Storch, der Signale aus der Nähe von Lagos an der nigerianischen Küste sendet – aus einer Gegend, aus der es bisher praktisch keine Ringfunde gibt.

Ingo, Zozu und Libi sind sogenannte Westzieher: Im Winterhalbjahr fliegen etliche Störche nach Südwesten ans Mittelmeer – und manche von ihnen weiter über die Straße von Gibraltar nach Afrika. Dort bleiben sie teilweise an der Mittelmeerküste, wandern manchmal aber auch nach Westafrika bis hinunter nach Gabun. Die Störche aus den weiter östlich gelegenen europäischen Brutgebieten fliegen dagegen als Ostzieher über Israel nach Afrika – und teilweise bis hinab nach Südafrika. Bei den Westziehern sind in den vergangenen Jahren allerdings immer mehr Störche in Spanien geblieben – in diesem Winter auch Ingo, Zozu und Libi. Aller Voraussicht nach werden sie im späten Winter oder zeitigen Frühjahr nach Deutschland fliegen.

Moderne Technik macht’s möglich

Die Forscher verdanken ihre Erkenntnisse einer Sendertechnik, die in jüngster Zeit enorme Fortschritte gemacht hat. Die Geräte sind immer kleiner geworden. Schon seit einigen Jahren lassen sich größere Vögel mit Sendern ausrüsten – inzwischen können auch weit kleinere Tiere Minisender tragen, ohne dass dies ihrer Lebensgewohnheiten beeinträchtigt. Dies eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, ihr Leben und ihre Wanderungen detailliert zu erforschen. Mittlerweile ist es gelungen, mit Sendern, die nur ein halbes Gramm wiegen und gerade einmal so groß wie ein Babyfingernagel sind, Schmetterlinge zu besendern. Hinzu kommt, dass die Daten der Vögel keineswegs geheim sind: Die Max-Planck-Forscher stellen sie allen interessierten Vogelfreunden zur Verfügung.

Jahr für Jahr ziehen hunderttausende von Störchen im Herbst auf einer Reise, die keine Grenzen kennt, in den Süden – und kehren Monate später wieder zurück. Während des Flugs hilft ihnen kein Navigationsgerät, die Tiere orientieren sich an Flüssen, Küsten und Gebirgszügen.

Tierbeobachtung aus dem All

Die Forscher wissen viel über die Nomaden der Lüfte – aber aus ihrer Sicht längst nicht genug: Im Juni dieses Jahres soll an der Internationalen Raumstation (ISS) eine Antenne angebracht werden: Beim Projekt „Icarus“ werden künftig Tierwanderungen vom Weltall aus verfolgt, die Wissenschaftler erhoffen sich dadurch eine Fülle neuer Erkenntnisse über die Wanderrouten nicht nur von Vögeln, sondern auch vieler anderer Tierarten wie Elefanten, Schildkröten, Walen und sogar Haien.

Auch über das Leben von Ingo, Libi und Zozu werden wir dann noch mehr erfahren. In diesem Frühjahr wollen wir – wenn die Reise gut geht – noch eine Zeitlang beobachten, wo sich der von uns begleitete Storch nach der Ankunft in heimatlichen Gefilden auf Dauer niederlässt und wie es mit der Familiengründung aussieht. Klappern gehört schließlich dazu.

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