Die vier Hauptdarsteller Aykut Kayacik (Cem Gökhan), Patrick von Blume (Huck), Emanuel Fritz (Hucks Neffe Caspar) und Valerie Koch (Rechtsanwältin Katja Reimann) Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Erste dreht derzeit in Bad Cannstatt eine neue Serie fürs Vorabendprogramm. „Huck“ heißt sie und soll ab September 2015 zu sehen sein. Die beiden Hauptfiguren sind ein Privatdetektiv und ein türkischer Feinkosthändler.

Stuttgart - „Versetz dich doch mal in meine Lage“, fährt Cem Gökhan seinen Kumpel an, „ich bin vergiftet!“ Als kurz danach noch eine Rechtsanwältin hereinschneit, entfährt Cem mehrfach ein kräftiger Rülpser. Mein lieber Scholli: In der Erbsenbrunnengasse in Bad Cannstatt, ansonsten eher eine unauffällige Abzweigung der Marktstraße, ist derzeit offenbar allerhand geboten. Insbesondere ein neues Geschäft ist eine Attraktion. „Cems Lädle“ steht über dem Schaufenster, „Obst, Gemüse, Zeitschriften, türkische Spezialitäten“ hat der Inhaber im Angebot. Schon mehrfach standen Cannstatter vor diesem Geschäft – offenkundig eine Marktlücke – um die Äpfel von der Auslage zu nehmen und drinnen zu bezahlen.

Aber drinnen wird nicht kassiert und auch nichts verkauft. Denn beim Lädle handelt es sich eine Attrappe – obwohl alles Obst und Gemüse echt ist, ebenso wie das Toilettenpapier oder das Müsli im Regal. Das Erdgeschoss, wo einst ein Juwelier Schmuck verkaufte, ist lediglich einer der Hauptschauplätze einer neuen ARD-Vorabendserie.

Die Serie heißt wie die Hauptfigur: „Huck!“ So stellt er sich auch vor, Vornamen hat er offenbar keinen. Huck ist ein ehemaliger Polizist, der Privatdetektiv hat einen ruppigen Charme und ein heruntergekommenes Büro in Bad Cannstatt – wo er seine oft zahlungsunfähigen Kunden empfängt. Huck und Cem geraten immer wieder in merkwürdige Fälle. Ein höchst gegensätzliches Duo, das den Charme der Serie ausmachen soll: Der in Cannstatt geborene und aufgewachsene Ermittler Huck, der so gar nichts mit schwäbischer Korrektheit und Reinlichkeit anfangen kann. Und der Berliner, den es seiner Tochter wegen nach Stuttgart verschlagen hat und der am liebsten so Schwäbisch wie möglich sein möchte.

Klar, dass der Schnüffler Schwäbisch sprechen können muss. So wie Schauspieler Patrick von Blume, der lange Jahre in Berlin lebte. „Huck ist ein Cannstatter, und ich bin ein Ravensburger“, sagt der 45-Jährige. „Um mich zu tarnen, wenn ich etwa Menschen aus dem Volk befrage und nah sein möchte, wechsle ich ins Schwäbische.“ Nach einem Vierteljahrhundert in Norddeutschland „freue ich mich, wieder die Sprache meiner Kindheit zu sprechen“, sagt von Blume. „Ich habe Familie in Stuttgart, die wohnen in Botnang, das hier ist für mich ein Stück Heimat.“ Für die mehrmonatigen Dreharbeiten – sofern die Einschaltquoten stimmen womöglich mit Zugabe – hat er eine Wohnung in der Nähe bezogen, „die liegt nur fünf Minuten entfernt; Cannstatt ist schön, das ist eine eigene Kleinstadt.“ Schon als kleiner Junge sei er VfB-Fan gewesen.

Ähnlichkeiten zum realen Leben gibt es nicht nur bei von Blum, sondern auch bei Aykut Kayacik. Wie seine Filmfigur ist er Berliner – 1969 kam er mit seinen Eltern nach Deutschland. Seine Figur in Cannstatt sei „ein Neigeschmeckter“, sagt der 51-Jährige – einer, der sich bestmöglich integrieren möchte und in der Feuerwehr wie im Fußballverein aktiv sei. „Cem ist schwäbischer als der Huck.“. Während der aktuellen Dreharbeiten hat Kayacik für vier Monate eine Wohnung im Stuttgarter Westen bezogen. Anfangs hatte er mit dem hiesigen Dialekt durchaus seine Probleme. „Im Drehbuch konnte ich die schwäbischen Sätze nicht mal lesen.“ In Cannstatt fühle er sich aber unglaublich wohl. „Ich war am ersten Wochenende gleich beim VfB, beim Spiel gegen Hoffenheim, das leider verloren ging. Und ich war beim Umzug auf die Wasen“, sagt er – „das heißt der Wasen“, korrigiert von Blum fachmännisch.

„Cannstatt ist im deutschen Fernsehen noch nicht in einer Serie bespielt worden“, begründet Produzentin Sabine Tettenborn die Wahl. „Es gibt Urbanität und Kleinstadtcharakter, Industriebrachen am Neckar, Hochhäuser und Fachwerk.“ Emanuel Fitz, der Hucks Neffen spielt, sagt: „Ich finde Cannstatt total süß und schnuckelig.“ Doch, so warnt Regisseur Patrick Winczewski, „auch in der Idylle schläft das Verbrechen nie“.

Gedreht wurde in Cannstatt noch in der Phönixhalle des Römerkastells für eine große Hochzeit, im Hafen, im Zollamt, in der Galerie der Stadt Stuttgart, im Ludwigsburger Märchengarten oder im Weingut Adelmann in Steinheinm an der Murr – in der Folge um einen Winzer mit gebrochenem Genick – war es Unfall oder Mord?

Am Dienstag macht die Crew nach der Mittagspause in der Erbsenbrunnengasse ebenso entspannt wie konzentriert weiter. Reale Störungen wie mehrfach auftauchende echte Lieferwagen auf dem Weg zum Marktplatz, für die Cems Mini-Lieferwagen weggefahren werden muss, sorgen nur für kurze Unterbrechungen. Auch bei Cornelia Faß. Die Frau aus dem Stuttgarter Osten übernimmt seit Jahren gerne derartige Statistenrollen, auch wenn sie dafür stundenlang immer wieder nur zwei Früchte von der Auslage nehmen und in den Laden tragen muss. Dort berichtet Cem gerade Kumpel Huck von seiner blauen Zunge und der Angst um seine Gesundheit. Dann kommt noch Hucks Anwältin (Valerie Koch) hinzu. Es stellt sich heraus: Die Brunnen in Cannstatt wurden heimlich vergiftet, die Stadt wird erpresst – klar, dass nur ein Mann wie Huck diesen Fall lösen kann.