„Es liegt keine Gefährdung von Patienten vor“: Professor Claude Krier, Klinischer Direktor des Klinikums Stuttgart. Foto: Michele Danze

Mitarbeiter im Steril-Bereich arbeiten nur noch in Zweierteams, damit kein verunreinigtes Besteck mehr in den OP-Saal gelangt. 220.000 Päckchen mit OP-Besteck verlassen jährlich den Steril-Bereich im Katharinenhospital.

Stuttgart - 30.000 Operationen jährlich werden in Baden-Württembergs größtem Krankenhaus in der Stuttgarter Innenstadt unternommen. Etwa 50 sind es täglich, davon ein halbes Dutzend in der Neurochirurgie. Da wandert viel Operationsbesteck zwischen den 25 Sälen am Katharinenhof und dem Steril-Bereich hin und her. Das Besteck wird im OP eingesammelt, in den Keller einige Stockwerke darunter transportiert, in speziellen Anlagen der Größe einer überdimensionalen Geschirrspülmaschine gewaschen, in einer anderen Anlage unter großer Hitze desinfiziert und sterilisiert, in speziellen Beuteln steril verpackt, verplombt und wieder nach oben transportiert. Vieles ist automatisiert, das meiste funktioniert, doch gelegentlich gibt es Ausreißer. Die kann man auf den Skalpellen mit bloßem Auge sehen. Professor Claude Krier, Klinischer Direktor des Klinikums, will nicht ausschließen, dass sogar Knochensplitter kleben geblieben und in den OP-Saal zurückgekehrt sind: „Das kann kein Steril-Bereich mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen.“

Was aber die OP-Assistenten in der Neurochirurgie Anfang September erlebten, weckte einen schlimmen Verdacht: Das Besteck war häufiger als sonst dreckig und vor allem war es dreckiger als sonst. Immer öfter fehlten Instrumente in den Päckchen, deren Plomben manchmal beschädigt waren. „Es kam der Verdacht auf, dass dies nicht auf das Fehlverhalten eines Mitarbeiters zurückzuführen ist“, sagt die Pflegedirektorin Gudrun Klein, „sondern dass da manipuliert wurde.“ Die Leitung des Klinikums reagierte: Sie schaltete am 14. September Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft ein. Die Ermittler installierten verdeckte Überwachungskameras, um den Übeltäter zu finden.

In der Neurochirurgie bleibt es bis heute bei der reduzierten Kapazität

Die Leitung machte sich derweil an die Strukturen des Steril-Bereichs. Zunächst informierte sie alle Abteilungen, schulte die Mitarbeiter nach, kontrollierte die Waschmaschinen auf Funktionsfähigkeit, setzte auf andere Plomben und führte vor allem das Vier-Augen-Prinzip ein. Im Steril-Bereich und im OP arbeiten seitdem nur noch Zweierteams. Die 30 Mitarbeiter im Steril-Bereich wurden aufgestockt, zunächst um fünf, dann um weitere fünf. Dort arbeiten laut Gudrun Klein ausgebildete OP-Assistenten oder Pflegekräfte, aber auch Angelernte, die einfachere Tätigkeiten ausüben.

Bei so viel Personaleinsatz wurde die Zahl der Operationen reduziert: In der Unfallchirurgie, die von den mangelhaften Lieferungen „eigentlich nicht betroffen war“ (Claude Krier), ging nach einem Tag alles wieder seinen geregelten Gang. In der Neurochirurgie bleibt es bis heute bei der reduzierten Kapazität. Bedauerlich für Patienten , die auf ihre Behandlung warten, sagt Krier, „aber Patientensicherheit ist hier oberstes Gebot“.

Das gilt für den Direktor, auch wenn „nach menschlichem Ermessen gewährleistet ist, dass kein verunreinigtes Instrument in das Innere von Patienten hineingelangt ist“. Es habe seit September „keine auffällige Häufung von postoperativen Infektionen“ gegeben, sagt Krier, „wir sind hier absolut im grünen Bereich“.

„Keine Gefährdung der Patienten“

Diesen Bereich beziffert Professor Matthias Trautmann, Leiter des Instituts für Krankenhaushygiene, nach deutschem Maßstab mit Infektionen in 0,8 Prozent aller Operationen. „Davon bringt in zwei Drittel aller Fälle der Patient die Bakterien mit“, sagt Trautmann. Fürs Katharinenhospital nennt Trautmann keine Zahlen, da man als „Maximalversorger in der Großstadt“ mehr Risiken trage – etwa die Folgen schwerer Unfälle in der größeren Umgebung. Da gibt es auch mehr Infektionen. Trautmann sagt nur so viel: In der Unfallchirurgie gab es seit 1. Oktober gar keine Infektion, in der Neurochirurgie zumindest „keine Auffälligkeit“. Entsprechend sieht Claude Krier „keine Gefährdung der Patienten“.

Die Überwachungskameras haben sich in der Abteilung herumgesprochen und sind wieder weg, der Fall ist aber noch nicht aufgeklärt. „Wir ermitteln wegen des Verdachts der versuchten Körperverletzung“ sagt Claudia Krauth, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart.