Auf der Wangener Höhe fallen immer mehr Rehe Hunden zum Opfer. Foto: Georg Linsenmann

Auf der Wangener Höhe sorgen Hunde für dramatische Szenen: Immer wieder jagen und reißen freilaufende Hunde Wild. Jäger schlagen nun Alarm.

Wangen - Seit 2013 haben Bernd Reinle und Jochen Scheiffele zusammen den Jagdbezirk Wangen, Hedelfingen und Gablenberg gepachtet, erstmals sollten sie nun dem Bezirksbeirat Bericht erstatten. Und anfangs klang das auch wie ein ganz normaler Bericht der Jägersleute. Etwa, wie sie die Population der Füchse in Grenzen halten und so der Seuchengefahr vorbeugen: „Wir haben seit Jahren keinen Tollwut-Fall mehr“, sagte Reinle. Acht Rehe müssen sie auf den bejagbaren 365 Hektar pro Jahr schießen, gemäß der Zielvereinbarung mit der Stadt als Verpächter. Bei Wildschäden in den Weinbergen sind die Jagdpächter haftbar. Ihr Auftrag sei, für einen „gesunden und artenreichen Wildbestand zu sorgen“. Und ja, es gebe jetzt auch Waschbären auf der Wangener Höhe, mehrere Gartenbesitzer hätten das gemeldet.

Dann aber wandelte sich der Bericht in eine dramatische Schilderung der Situation, die von wildernden Hunden verursacht wird: „Früher ist es ab und zu vorgekommen, dass Hunde Wild gejagt haben. Jetzt aber ist das Problem so massiv, dass wir nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll“, stellte Scheiffele fest. Seit dem 1. Mai seien „allein auf der Wangener Höhe acht gewilderte Rehe“ gefunden worden, „und erst gestern ein junges Rehkitz“. Fast schon sarkastisch stellte Scheiffele fest: „Im Moment kann man das Jagen sein lassen. Die Quote wird durch die Hunde erledigt.“

Sein Jagd-Partner ergänzte: „Von Jagd kann keine Rede mehr sein. Es ist nur noch Leichenfledderei, wenn man nur noch zusammengebissene Rehe findet.“ Und gelegentlich endet die Hatz durch Hunde sogar unmittelbar am Ortsrand. So wurde Reinle direkt auf den Friedhof gerufen: „Zu einem gehetzten Rehbock, der wohl von der Friedrichsruh bis zum Friedhof gejagt wurde, in Panik über die Mauer sprang und dann auf einen Grabstein geprallt ist. Da habe ich dann das Elend liegen sehen. Mit abgebrochener Geweihstange und offenen Brüchen.“ Reinle bekannte: „Es berührt massiv, wenn man einen Rehbock sieht, der nicht einmal mehr die Kraft hat aufzustehen, weil er am ganzen Körper verbissen ist.“ Er fügte hinzu: „Es kann doch in niemandes Interesse sein, dass Wild so leiden muss!“ Scheiffele berichtete von „einer Frau, die sich oben auf ein Bänkle setzt, ihre drei Hunde springen lässt, ein Buch liest und wartet, bis die Hunde zurückkommen“. Es gebe „viele, die ihre Hunde unkontrolliert laufen lassen“. Dramatisch verschärft habe sich das Problem seit 2013, mit der Reaktivierung der Wandelwege: „Jetzt kommen Leute an Stellen, an die wir vorher auch als Jäger nicht hingekommen sind. Das Wild hat überhaupt keine Ruhe mehr. Ich wundere mich, wie sich da noch was halten kann.“

Leichenfledderei statt Jagd

Ein Leinenzwang scheint nicht durchsetzbar

Da das Kreisjagdamt beim diesem Thema immer nur abwehre und sage, „dass man nichts machen kann“, wende man sich nun an den Bezirksbeirat: „Denn wir kämpfen an einer Front, an der uns die Hände gebunden sind“, meinte Scheiffele. Als das Thema „Leinenzwang“ als mögliche Lösung aufkam, erklärte der zuständige Revierförster Wolfgang Heckel: „Leinenzwang gibt es in Baden-Württemberg nicht, das könnte nur das Amt für öffentliche Ordnung verfügen. Wir sollten ehrlich sein: Das können Sie nicht durchsetzen!“ Jochen Scheiffele nannte das „ein heißes Thema. Da traut sich kein Politiker ran“. In Aussicht gestellt wurde schließlich, dass an diversen Stellen Schilder aufgestellt werden: Mit der Bitte an die Hundehalter, ihre Tiere an die Leine zu nehmen.

Auf Nachfrage bezeichnete Scheiffele dies als hilfreich, betonte aber zugleich: „Wenn das so weiter geht, dann muss ich mir nach 30 Jahren überlegen, ob ich weitermache. Es ist deprimierend zu sehen, wie Wild bei lebendigem Leibe verfault, weil es verbissen wurde. Oft bekommen wir das ja erst mit, wenn es uns von Gartenbesitzern gemeldet wird. Und ich möchte gar nicht wissen, wie viele Tiere verenden, ohne dass es jemand bemerkt.“ Zugleich bestätigte er, dass nach der Sitzung das Thema „von der Polizei übernommen“ wurde: „Es gibt jetzt einige Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Das ist ein Fortschritt.“ Zudem glaubt Scheiffele, dass „so langsam eine Sensibilisierung einsetzt“ und betont: „Vielleicht kommt da jetzt was in Bewegung. Ich hoffe es sehr.“

Gemeinderatsfraktionen schalten sich ein

Diese Hoffnung könnte bald Früchte tragen. Denn inzwischen haben sich auch die Gemeinderatsfraktionen der Grünen und der CDU in die Debatte mit eingeschaltet: In einem Antrag bitten die Fraktionen die Stuttgarter Stadtverwaltung um einen Bericht darüber, wo im Stadtgebiet vermehrt Probleme mit freilaufenden oder wildernden Hunden auftreten. Zudem soll die Stadt erklären, „welche Maßnahmen in Rotenberg und Untertürkheim ergriffen wurden, um den Problemen mit wildernden Hunden Herr zu werden“.

Dargestellt werden sollen außerdem die Maßnahmen gegen „unkontrollierten Wildwuchs, insbesondere von Zäunen und Hecken, am Wangener Berg“. Die Fraktionen wünschen sich auch, dass die Kontrollzeiten des städtischen Vollzugsdiensts auf der Wangener Höhe in Zeiten besonderen Bedarfes verstärkt und Schilder aufgestellt werden mit der Aufforderung, Hunde an die Leine zu nehmen.