Mitglieder des „Star Wars“-Fanclubs 501st Legion vor dem Linden-Museum Foto: Schönebaum/Festival

Fantastische Stoffe faszinieren die Menschheit seit jeher. Ein frühes Beispiel: die überirdischen Inhalte der Bibel. Zu den Ikonen der fantastischen Pop-Kultur zählt die Saga „Star Wars“, deren Wurzeln das Stuttgarter Fantastik-Festival Dragon Days im Linden-Museum zu ergründen suchte.

Stuttgart - Wie ein Space-Shuttle im Asteroidenfeld lenkt der Stuttgarter Busfahrer sein Vehikel durch die Baustellenleuchten auf der Kreuzung. Müde blickt der Fahrgast durch die schmutzige Scheibe hinüber zum Linden-Museum. Gemächlich lässt er die Finger zum Stop-Knopf wandern. Doch sein Arm erstarrt, die Augäpfel drängen aus ihren Höhlen, und die Nase plättet sich am Fenster. Was ist das? Inmitten von weiß behelmten Sturmtrupplern aus der „Star Wars“-Saga stolziert er: hochgewachsen, breitschultrig, schwarz gewandet, das schwer schnaufende Böse in Person, der abtrünnige Jedi-Ritter: Lord Helmchen!

Selbst wer nur am Rande der ScienceFiction-Kultur verkehrt, weiß: Der Superbösewicht und Imperialist im Sternenkrieg heißt natürlich Darth Vader. Helmchen entspringt Mel Brooks‘ Parodie „Spaceballs“. Ein sicherer Popularitätsindikator, denn der brillante Brooks verulkt stets weltbekannten Stoff: Robin Hood, Hitler, Dracula. Und eben „Star Wars“, das Lebenswerk des US-amerikanischen Regisseurs George Lucas.

501st Legion: Vereinigung von Superfans

Den Abschlusstag des Fantastikfestivals Dragon Days widmete Kurator Tobias Wengert dem Weltraumepos. Unter den Kostümen der Filmfiguren, die das LindenMuseum in ihre Gewalt gebracht haben, stecken die Mitglieder der 501st Legion. Diese Vereinigung von Superfans stellt in minutiöser Bastelei Outfits her, die ein Außenstehender von den Originalen nicht unterscheiden kann. Mitglied kann jeder Volljährige werden, der über eine adäquate Verkleidung verfügt.

Dietmar Neitzke führt durch die Dauerausstellung in der Afrika-Abteilung des Linden-Museums. George Lucas studierte einst vier Semester Ethnologie, afrikanische Masken könnten ihn also durchaus beim Design der „Star Wars“-Charaktere inspiriert haben. Der Wiedererkennungswert der hier gezeigten Exemplare fällt jedoch recht überschaubar aus. Interessant indes, dass die Werke etlicher Europäer, von Picasso bis Paul Klee, Parallelen an der Grenze zum Plagiat zu afrikanischen Kunstprodukten aufweisen.

Deutlichere Zusammenhänge der Fiktion mit real existenter, nämlich japanischer Kultur präsentiert der an der Universität Mainz wirkende Film- und Kulturwissenschaftler Marcus Stiglegger. Der japanische Begriff jidai-geki steht für Filme mit Blick auf die Vergangenheit, lässt sich also grob als Historienfilm übersetzen. George Lucas benannte hiernach den Ritterordern der Jedi. In puncto Optik schien sich der Filmemacher bei den Samurai bedient zu haben: Nicht nur die segmentierte Rüstung der Sturmtruppler, auch die Laserschwerter erinnern an die Ausstattung der japanischen Krieger.

Dabei gilt es ein entscheidendes Detail zu beachten: „Tatsächlich ist die Klinge der Samurai, die Katana, kein Schwert, sondern ein Säbel“, erklärt Stiglegger. Das Missverständnis ist indes ein rein deutsches: Anders als in der Synchronfassung heißen die Waffen im englischen Original „lightsaber“, „Lichtsäbel“.

Einblicke in spannende Fantasy-Arbeiten

Kinematografische Inspiration lieferte Lucas der japanische Regisseur Akira Kurosawa. In dessen Filmografie findet sich „Die sieben Samurai“ (1954), einer der meistzitierten Streifen der japanischen Kinogeschichte. Perspektivische und narrative Gemeinsamkeiten zur „Star Wars“-Reihe erkennt man in der Kurosawa-Arbeit „Die verborgene Festung“ (1958): Die Story um eine durch Feindgebiet fliehende Prinzessin hangelt sich am Schicksal zweier Nebencharaktere entlang, die sich zwar fortwährend uneins sind, doch nicht voneinander lassen können. Wenn das mal nicht nach Prinzessin Leia und dem beliebten Droidenduo R2D2 und C3PO klingt.

Auch von der Wischblende, der horizontalen Bildüberblendung von links nach rechts, machte bereits Kurosawa Gebrauch. „Star Wars“ wiederum gilt hierfür als Paradebeispiel. Den Einfluss der deutschen Nationalsozialisten auf die Ästhetik des Imperiums, der bösen Kraft im „Star Wars“-Universum, spricht Stiglegger an, geht jedoch nicht weiter darauf ein. Sein Fokus liegt auf Nippon.

Doch der japanische Nährboden allein kann für das Faszinosum „Star Wars“ nicht verantwortlich sein: Wie konnte die 1977 gestartete Space-Opera als Produkt der New-Hollywood-Bewegung, also der Neuerfindungsphase der Traumfabrik, zum Pop-Phänomen avancieren, ja zur Ersatzreligion? Neben Filmen, Romanen und Serien brachte die Mutter des Mediafranchisings auch Sammelfiguren, Computerspiele und Comics hervor. Letztere entwirft beispielsweise der eingeladene Illustrator Ingo Römling. Er zeichnet im Linden-Museum live und beantwortet Fragen zur künstlerischen Freiheit.

Andreas Feix, Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg, gibt ebenfalls Einblicke in seine Arbeit. Neun Jahre lang hat der VFX-Artist ehrenamtlich an den Spezialeffekten eines 100-minütigen Fan-Films gewerkelt, der 94 Jahre nach „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ spielt. Auf You Tube ließ sich das imposante Resultat unfassbaren Aufwands kürzlich noch begutachten, was bereits sechseinhalb Millionen Internetnutzer taten – derzeit prüfen allerdings die Musik-Urheberrechtsschützer von der Gema, der Clip ist gesperrt.

Das Abschlussgespräch mit genannten Referenten moderiert Thomas Klingenmaier, Filmkritiker und Genre-Literatur-Spezialist der „Stuttgarter Zeitung“. Das Publikum ist inzwischen etwas ausgedünnt, es fehlt nur noch eine Stunde bis Mitternacht. Eine aktuelle Anhängersorge beschäftigte auch die Runde: Wird der Todesstern fortan von Micky Maus regiert? 2012 verkaufte George Lucas sein Unternehmen Lucasfilm samt den „Star Wars“-Markenrechten an Disney. Mit Argusaugen werden die Fans die für Dezember angekündigte siebte Episode „Das Erwachen der Macht“ sichten. Eine verdammt schwere Aufgabe für Regisseur J. J. Abrams, der es in dieser Galaxie keinesfalls allen recht machen kann. Doch das gewaltige „Star Wars“-Universum mit all seinen Figuren und Geschichten bietet letztlich Platz für jeden.

Positiv hat sich der Handel zumindest auf Lucas’ Geldbörse ausgewirkt: Disney überwies ihm vier Milliarden Dollar. Möge die Yacht mit ihm sein!