Das große „Dornröschen“-Finale - wir haben Szenen in unserer Bildergalerie eingefangen Foto: Stuttgarter Ballett

Feengleich Alicia Amatriains Dornröschen, Friedemann Vogels Prinz als wahrer Held und Jason Reillys Carabosse als schaurig-schöne Schreckensgestalt – im Stuttgarter Ballett ist „Dornröschen“ nochmal so schön.

Stuttgart - Die Festgesellschaft auf der Bühne im Opernhaus ist am Mittwochabend in bester Laune; der Zeremonienmeister dirigiert den aufgekratzten Haufen mit verwegener Hochnäsigkeit. Und die Fee der Singvögel pflückt so quirlig Noten aus der Luft, dass ihr Spaß an der Sache allen ein Lächeln aufs Gesicht zaubert.

Es ist mal wieder „Dornröschen“-Zeit beim Stuttgarter Ballett. Vielleicht hat die quecksilbrige Stimmung ja damit zu tun, dass die Kompanie, verstärkt um viele kleine und große Cranko-Schüler, bis einschließlich Mittwoch nichts anderes machen wird, als sich in Marcia Haydées Version des Märchenballetts zu versenken. Die Aussicht auf diesen Aurora-Rausch verleiht manchem Flügel: Louis Stiens erspürt als Catalbutte mit dramatischem Feinsinn die Nuancen höfischer Despotie; Myriam Simon kostet als Fee des Bergkristalls neben ihrer quitschvergnügten Feenkollegin Elisa Badenes klassische Schönheit in reifer Ruhe aus; und Prinzen wie Begleiter der Feen bleiben trotz Höhenflügen und Exotik so elegant, wie es eine spätbarocke Hofgesellschaft eben erfordert.

Aber vielleicht hat die Erregtheit am Hof auch damit zu tun, dass die Urheber des Ballettfests an diesem Abend zugegen sind: Marcia Haydée hat beim Einstudieren assistiert; Jürgen Rose, der 1987 aus dem Klassiker ein optisches Feuerwerk machte, ist für eine Buchpräsentation angereist. Und so endete dieses „Dornröschen“ nach knapp vier Stunden so, wie ein Ballettabend nur in Stuttgart enden kann: als Familienfest, dessen Emotionen sofort über die Rampe schwappen und aus dem Saal mit Ovationen im Stehen zurückgeschickt werden.

Vier Ballettgenerationen waren beim langen Schlussapplaus von den Zeugen der Cranko-Zeit bis zu Schneewittchens Zwergen versammelt. Mittendrin die Stars des Abends: Alicia Amatriains Aurora war beim Anblick der vier Prinzen, die ihr zur Auswahl standen, in solchem Mädchenglück, dass sich in ihrem beseelten Lächeln eine schwebende Leichtigkeit spiegelte, die auch ihr Tanz zunehmend gewann. Haydées schwieriges Rosenadagio als Zitterpartie? Schnell vergessen beim traumverlorenen Tanz der Spanierin im Herbstwald.

Wunschlos glücklich machte Friedemann Vogel als Prinz Desiré das Publikum; warum der Stuttgarter an der Weltspitze mittanzt, teilte sich auf beeindruckende Weise mit. Eine echte Fürstin der Finsternis war Jason Reillys leichtfüßige und doch bedrohliche Carabosse – die Küsschen einer begeisterten Marcia Haydée waren ihm sicher.

An diesem Samstag ist „Dornröschen“ nicht nur im Opernhaus Stuttgart zu erleben, sondern auch als Live-Übertragung bei „Ballett im Park“.