Mit Kerzen und Momenten der Stille gedenken in Virginia viele Menschen den Opfer Alison Parker und Adam Ward Foto: AP

Der Mord an der US-Reporterin Alison Parker und ihrem Kameramann hat weltweit für Bestürzung gesorgt. Nun werden Rufe nach strengeren Waffengesetzen in den USA laut – wie immer nach einer solchen Tat.

Richmond - Andy Parker steht der Schmerz ins Gesicht geschrieben. Und der Ärger, als er im republikanischen Haussender Fox Klartext spricht. „Wir müssen etwas tun gegen verrückte Leute, die ihre Finger an Waffen bekommen“, fordert der Vater Alison Parkers (24), die während einer Live-Schalte des Lokalsenders WDBJ im Süden Virginias von einem ehemaligen Kollegen regelrecht hingerichtet worden war. Zusammen mit dem Kameramann Adam Ward (27), der die Bilder unfreiwillig aufnahm, bevor ihn der Täter ins Visier nahm.

„Ich bin hin und her gerissen zwischen Schock, Trauer und Ärger“, sagt Parker der Fox-Interviewerin. „Ich werde die Gesetzgeber an den Pranger stellen, die nichts tun, um die Hintertüren bei den Personenüberprüfungen zu schließen und sicherzustellen, dass Verrückte keine Waffen bekommen.“ Viel zu lange seien die Politiker zu feige gewesen, sich mit der Waffenlobby anzulegen. „Das ist jetzt meine Mission im Leben.“

Unterstützung erhält Parker aus dem Weißen Haus. „Das ist ein weiteres Beispiel von Waffengewalt, die zu alltäglich in kleinen und großen Gemeinden überall in den USA geworden ist“, erneuert der Sprecher des Präsidenten, Josh Earnest, den Ruf nach schärferen Waffengesetzen. „Es gibt Dinge, die vom Kongress getan werden könnten, die einen spürbaren Effekt bei der Verringerung der Waffengewalt hätten.“ Klartext spricht auch die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton, die bei einer Wahlkampfveranstaltung in Iowa ihr Entsetzen und ihren Abscheu vor dem live übertragenen Doppelmord ausdrückt: „Wir müssen etwas gegen die Waffengewalt tun“, fordert die Kandidatin. „Es gibt genügend Leute, die das sehen und wissen, aber dann nichts tun.“

Republikaner schweigen zum Thema Waffen

Die republikanischen Präsidentschaftskandidaten versprechen, für die Opfer zu beten. Zum Thema Waffen äußert sich keiner. Dass die vom Fernsehen und den sozialen Medien millionenfach verbreitete Gewalttat etwas am Kult der Amerikaner ändert, wird von vielen bezweifelt. Weder das Kinomassaker von Aurora noch das Abschlachten der Kinder und Lehrer in der Grundschule von Sandy Hook hatten etwas verändert. Dabei sprechen die Statistiken eine deutliche Sprache. Waffengewalt ist in den entwickelten Industriegesellschaften ein speziell amerikanisches Problem. In den USA werden 15-mal mehr Menschen mit einer Handfeuerwaffe ermordet als in Deutschland. Obwohl dort nur 4,4 Prozent der Weltbevölkerung leben, besitzen die Amerikaner die Hälfte aller zivil erworbenen Waffen. Seit Sandy Hook gab es 864 Massaker mit mehr als vier Toten. Statistisch wird etwa jede Viertelstunde ein Mensch Opfer einer mit einer Schusswaffe verübten Gewalttat.

Der Doppelmord von Virginia hätte im Kontext von jährlich rund 33 000 Toten kaum national Schlagzeilen gemacht, hätte der Täter Bryce Williams nicht selbst für maximale Publizität gesorgt. Er hatte alles durchdacht: Vom Timing der Live-Schalte über die Aufnahme der Tat mit der eigenen Kamera bis zum Einstellen des Materials auf Facebook, Twitter und You Tube. Außerdem verschickte er ein abstruses Bekennerschreiben, in dem er seine Tat mit Rache für die Morde in der Kirche von Charleston begründet und für angeblich durch den ehemaligen Arbeitgeber und Kollegen von WDBJ erfahrene Diskriminierung.

Dass Williams, der eigentlich Vester Lee Flanagan III. heißt, nach seiner Entlassung Kollegen bedrohte und von der Polizei aus dem Nachrichtenraum geführt werden musste, hinderte ihn nicht daran, die Tatwaffe legal und ohne Wartezeit zu kaufen. Als er nach der Tat festgenommen werden soll, richtet Flanagan die Waffe auf sich selbst, überlebt zunächst, stirbt bald darauf in einer Klinik in Fairfax. Mit anderen Gesetzen, davon ist Alisons Vater überzeugt, wäre seine Tochter noch am Leben.