Inhaltlich liegen die Bewerber um die CDU-Spitzenkandidatur, Thomas Strobl und Guido Wolf, nicht weit auseinander – das wird im exklusiven Doppelinterview mit unserer Zeitung deutlich. Als Persönlichkeiten jedoch unterscheiden sie sich deutlich – auch wenn beide am liebsten Linsen und Spätzle essen.

Stuttgart - Herr Strobl, Herr Wolf, am Wochenende sind die Uhren auf die Winterzeit zurückgestellt worden. Wir stellen sie jetzt nochmals vor – auf das Frühjahr 2016. Gesetzt den Fall, die CDU stellt nach der nächsten Wahl den Regierungschef, was wäre Ihre erste Amtshandlung?
Wolf: Zunächst mal geht es darum, dieses Land vom Mehltau zu befreien, der sich unter Grün-Rot über Baden-Württemberg gelegt hat. Wir müssen dem Land wieder Aufbruchstimmung zurückgeben und einige Entscheidungen sofort zurücknehmen, die darauf ausgerichtet waren, alles zu reglementieren. Und es geht vor allem darum, diesem Land eine verlässliche Politik, gerade in der Bildung, zu geben.
Was würden Sie zurücknehmen?
Wolf: Wenn ich Ministerpräsident bin, werden wir eine Liste von einzelnen Korrekturmaßnahmen aufstellen. Dazu gehört der von Grün-Rot geplante Bildungsurlaub, den wir zurücknehmen würden. Auch beim Jagdgesetz wird die eine oder andere Reglementierung korrigiert. Korrekturen wären auch im Bereich der Infrastrukturpolitik angesagt; da braucht das Land deutlich mehr Mittel auch aus Berlin. Wir würden überall eingreifen, wo Grün-Rot den Respekt vor dem Eigentum der Bürger vermissen lässt.
Strobl: Baden-Württemberg ist ein starkes Land, das vom Fleiß und Zusammenhalt seiner Bürger lebt. Aber seit der Landtagswahl 2011 wird es unter Wert regiert. Aus baden-württembergischer Exzellenz macht Grün-Rot Mittelklasse, weil die Landesregierung Baden-Württemberg aus der hervorragenden Substanz heraus regiert. Das geht auf Dauer nicht gut. Die CDU will den Bürgern nicht vorschreiben, wie sie ihr Leben zu führen haben. Mein Ziel als Ministerpräsident ist es, die Grundlagen zu schaffen, damit die Menschen ein gutes Leben führen können.
Würden Sie ebenfalls den Bildungsurlaub kippen und das Jagdgesetz korrigieren?
Strobl: Unsere Unternehmen sind bundesweit an der Spitze, gerade auch, weil sie die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter als ihr kostbarstes Kapital pflegen. Gerade die erfolgreichen Mittelständler und Familienunternehmen brauchen keine Nachhilfe von Grün-Rot. Wo ein Gesetz überflüssig ist, ist es ein unnötiges Gesetz. Und was den Umgang mit Landwirten und Jägern betrifft, sage ich ganz klar: Was Grün-Rot da macht, ist das krasse Gegenteil einer Politik des Gehörtwerdens, sondern reine Klientelpolitik.
Wie steht es um den Bereich Bildung?
Strobl: Vor allem liegt mir die Bildung besonders am Herzen, weil sich bei diesem Thema entscheidet, ob junge Menschen eine gute Zukunft haben oder nicht. Aber die grün-rote Landesregierung behandelt die Kinder unterschiedlich und bevorzugt aus weltanschaulichen Gründen ihr Lieblingsprojekt, die Gemeinschaftsschule. Das hat zur Folge, dass das Gymnasium und die Realschule bedroht sind und die berufliche Bildung praktisch vergessen wird. In der Bildungspolitik ist die Landtagswahl 2016 deshalb eine Richtungsentscheidung.
Wenn Sie Ministerpräsident wären – was würde dann aus den Gemeinschaftsschulen?
Strobl: Wo es Gemeinschaftsschulen gibt, werden wir nicht mit der Abrissbirne über sie hinwegfegen, sondern diese – vor allem im ländlichen Raum – schon aus Standortgründen erhalten und behutsam umbauen. Diese Schulart ist aber nicht unser Modell. Deshalb wird es nach der Landtagswahl 2016 mit uns keine weiteren Gemeinschaftsschulen geben.
Wolf: Die unterschiedlichen Schularten müssen gleich und gerecht ausgestattet werden. Das ist derzeit bei Grün-Rot nicht der Fall. Hinzu kommt, dass unser pädagogischer Ansatz ein anderer ist als der einer Gemeinschaftsschule. Natürlich werden wir fünf Jahre grün-rote Bildungspolitik nicht komplett zurückdrehen können. Gemeinschaftsschulen, die es gibt, würden wir deshalb bestehen lassen, ihnen aber die Chance zur Weiterentwicklung und Differenzierung eröffnen. Was mich aber besonders umtreibt, ist der Trend zur Akademisierung. Eine Bildungspolitik, die darauf abzielt, möglichst alle zum Abitur zu führen, ist verfehlt. Wenn wir mal keine Handwerker mehr haben, die Universitäten bauen, können wir auch keine Akademiker mehr ausbilden. Wir brauchen deshalb ein differenziertes Angebot an Bildungsangeboten und den weiteren Ausbau des dualen Systems. Gerade für ländliche Regionen ist das von unschätzbarem Wert. Und wir brauchen mehr denn je flexible Regelungen beim Klassenteiler. Man kann nicht das ganze Land nach einem einheitlichen Maßstab von mindestens 16 Schülern pro Klasse bewerten, sondern muss von Region zu Region entscheiden. Sonst besteht die Gefahr, dass ganze Berufsbilder verschwinden.
Ist das finanzierbar?
Strobl: Die Ungleichbehandlung der Schularten muss beendet werden. Mit mir als Ministerpräsident werden alle Schularten gleichermaßen mit Personal und Finanzmitteln ausgestattet.
Soll die verbindliche Grundschulempfehlung wieder eingeführt werden?
Wolf: Wir als CDU hätten sie nicht abgeschafft. Die Frage ist jetzt: Gehen wir den Weg zurück, oder bieten wir Alternativen an? So wie es jetzt ist, kann es jedenfalls nicht bleiben. Die Botschaft in der Sommerpause, dass es immer mehr Sitzenbleiber gibt, zeigt, dass Handlungsbedarf besteht. Als CDU-Landtagsfraktion schlagen wir deshalb vor, dass es nach dem gemeinsamen Lernen in Klasse 5 und 6 in der Realschule am Ende der 6. Klasse eine neue Bildungswegempfehlung gibt, um zu klären, welcher Weg der richtige ist. Darüber hinaus ist es mein Ziel, bereits über die Grundschulempfehlung ein verpflichtendes Beratungsgespräch der Eltern mit der aufnehmenden Schule zu führen. Damit hätten wir eine zusätzliche Hürde, um zu verhindern, dass immer mehr Schüler an der falschen Schule landen.
Herr Strobl, Sie haben angekündigt, die CDU-Basis darüber abstimmen zu lassen . . .
Strobl: Die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung durch Grün-Rot war eine Hau-Ruck-Aktion und ein schwerer Fehler. Grün-Rot hat Chaos und Verunsicherung in der Bildungspolitik angerichtet. Nie zuvor sind so viele Schülerinnen und Schüler in den Klassen fünf und sechs an den Realschulen und Gymnasien sitzen geblieben oder haben sich enorm schwer getan. Aus meiner Sicht müssen wir nicht zurück zur verbindlichen Grundschulempfehlung, aber es muss ein verbindliches Beratungsgespräch an der aufnehmenden Schule auf Basis der Grundschulempfehlung geben. Das ist mein Vorschlag. Damit gibt man allen Beteiligten mehr Sicherheit und gewinnt Vertrauen zurück.
Nochmals: Wie steht es um die Einbeziehung der Parteimitglieder? Das könnte auch für die Frage nach dem acht- oder neunjährigen Gymnasium gelten.
Strobl: Wir haben seit der Landtagswahl 2011 einen Neuanfang gemacht und die Beteiligung der Basis stark ausgebaut. Das erleben Sie beispielsweise jetzt bei der Kür des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2016. Diesen erfolgreichen Weg müssen wir auch bei Sachthemen wie diesem fortsetzen. Wenn ich Spitzenkandidat bin, werden die Mitglieder über die entscheidenden Themen unseres Wahlkampf- und Regierungsprogramms mitentscheiden. 69 000 Mitglieder können das besser als einer alleine.
Wolf: Ich halte diese Form der Mitbestimmung für zwingend. Wenn uns die Niederlage der Landtagswahl 2011 eines gelehrt hat, dann die Erkenntnis, dass wir runter müssen vom hohen Ross. Da hat sich in unserer Partei nachhaltig vieles verbessert.
Sie beide wollen in die Bildung investieren, aber wo wollen Sie sparen?
Strobl: An der Bildung werden wir nicht sparen. Aber die Devise von Grün-Rot, Geld auszugeben nach dem Motto „Koste es, was es wolle“, um Prestigeprojekte zu finanzieren, wird es mit mir nicht geben. Nehmen Sie das Beispiel Nationalpark: Man kann für oder gegen das Projekt sein. Aber es im Kabinett zu verabschieden, ohne dass klar ist, was der Park kostet, geht überhaupt nicht.
Wolf: Man muss fair einräumen, dass vor dem Hintergrund rückläufiger Schülerzahlen jede Regierung Lehrerstellen abbauen würde. Auch wir müssten das auf Dauer tun. Die Frage ist nur, in welcher Dimension. Kürzungen im Bereich Bildung stehen für mich jedenfalls nicht an erster Stelle. Sinnvoller ist es, im extrem aufgeblähten Verwaltungsapparat zu sparen. Beispiel Integrationsministerium. Dieses neue Ministerium ist kleiner als jedes Dezernat im von mir einst geführten Landratsamt Tuttlingen. Das kann nicht sein. Oder nehmen Sie die 150 Millionen Euro, die das Land aufbringen muss, um die Immobilien der Polizeireform zu ordnen.
Strobl: Dieses Integrationsministerium ist auch so ein Prestigeprojekt von Grün-Rot. Es besteht kein Zweifel, dass Integration in den nächsten Jahren ein wichtiges Thema bleibt. Aber es ist eine klassische Querschnittsaufgabe, die kein eigenes Ministerium benötigt. Sie muss ganz oben angesiedelt werden, nämlich im Staatsministerium.
Wie sieht verantwortungsvolle Politik im Bereich Integration und Asyl aus?
Wolf: Ich bin froh, dass wir diese notleidenden Menschen gut aufnehmen. Aber wir müssen aufpassen, dass die Stimmung in der Bevölkerung nicht kippt. Natürlich müssen wir den Menschen helfen, die grausam verfolgt werden. Die Leute brauchen bei uns menschenwürdige Bedingungen. Wir müssen aber auch darauf drängen, dass jene, deren Antrag abgelehnt wurde, zügig in ihre Heimat zurückgehen. Deshalb sind schnellere Verfahren unabdingbar. Denn es kann nicht sein, dass jemand kommt, „Asyl“ sagt und sich dann zwei bis drei Jahr hier aufhält.
Strobl: Wir müssen uns ein offenes Herz und offene Arme für jene Menschen bewahren, die Todesängste durchlebt haben wie die Flüchtlinge aus Syrien. Wir müssen aber auch darauf achten, dass Menschen etwa aus Balkanstaaten, wo es keine politische Verfolgung gibt, erst gar nicht als Asylbewerber zu uns kommen oder nach einem zügigen Verfahren schnell in ihre Herkunftsländer zurückkehren. In diesem Zusammenhang wird Grün-Rot seiner Verantwortung nicht gerecht. Die Kreise beklagen alleine in diesem Jahr ein Defizit von fast 50 Millionen Euro. Das geht nicht. Warum kann Bayern seinen Kreisen 100 Prozent der Unterbringungs- und Versorgungskosten erstatten, Baden-Württemberg aber nicht?
Wie sehen Sie die Machtperspektiven für die CDU bei der Landtagswahl 2016? Falls es die FDP nicht schafft, werden Sie dann versuchen, mit den Grünen zu koalieren oder mit der AfD?
Wolf: Wir kämpfen für eine starke CDU, alles andere sieht man nach dem Wahltag. Ich warne auch davor, dauernd über Schwarz-Grün zu reden, denn das stärkt nur die AfD. Eine Koalition mit der AfD schließe ich angesichts der auch radikalen Kräfte in dieser Partei aus. Jedoch müssen wir uns mit deren Themen und deren Wählerinnen und Wählern auseinandersetzen.
Strobl: Die Bundestagswahl 2013 und die Europawahl 2014 haben gezeigt, dass Grün-Rot keine Mehrheit im Land hat. Aber ich werde jetzt keine Koalitionsaussage machen. Wir warten mit Demut das Ergebnis im Frühjahr 2016 ab, dann sehen wir weiter. Die euroskeptische AfD passt nicht zum Exportland Baden-Württemberg, und sie passt auch nicht zur Europapartei CDU.
Zum Schluss drehen wir die Uhr wieder zurück: Herbst 2014. Demnächst müssen Sie sich auf sechs CDU-Regionalkonferenzen beweisen. Warum sollten die Mitglieder Sie wählen?
Strobl: Wer ein Land führen will, braucht einen Plan. Unser Land wird seit 2011 aber leider ohne Plan regiert. Ich stehe für Bildung, innere Sicherheit und verbesserte Infrastruktur – auch im digitalen Bereich. Themen wie Breitband und schnelles Internet im ländlichen Raum werden Chefsache bei mir. Da müssen wir besser sein als alle anderen. Deshalb will ich auch, dass Informatik Schulfach ab der 5. Klasse wird. Außerdem muss die Interessenvertretung im Bund endlich wieder besser werden, Ein baden-württembergischer Ministerpräsident muss in Berlin auch mal richtig Beute machen.
Wolf: Der bessere Ministerpräsident als Winfried Kretschmann sein zu wollen heißt nicht, alles zu verteufeln, wofür er steht. Sein Politikstil wird auch von Menschen geteilt, die seine politischen Positionen nicht unbedingt befürworten. Es geht deshalb für die CDU auch darum, dass wir gegen einen populären Ministerpräsidenten gewinnen wollen, der als Person oft nicht deckungsgleich ist mit den grünen Positionen. Es geht darum, grün-rote Politik zu entzaubern. Die Hoffnungsträger müssen wieder das Sagen haben, nicht mehr die Bedenkenträger.