Kroatiens Kapitän Domagoj Duvnjak ist nur schwer zu stoppen. Foto: dpa

Domagoj Duvnjak spielt beim nächsten deutschen Gegner Kroatien die Hauptrolle. Der Spielmacher des THW Kiel ist ein kompletter Handballer.

Rouen - Es lief die 42. Minute am Montag in der Kindarena in Rouen. Der Vorsprung der kroatischen Handball-Nationalmannschaft im WM-Vorrundenspiel gegen Weißrussland war auf 21:20 geschmolzen. Trainer Zeljko Babic drehte sich kurz um und blickte zu seinem Kapitän auf der Bank. Das genügte. Domagoj Duvnjak erwiderte das Signal mit einem Nicken, und der Welthandballer von 2013 mischte plötzlich doch noch auf dem Spielfeld mit. Eigentlich hätte er wegen Knieproblemen für die Partie an diesem Freitag (17.45 Uhr) gegen Deutschland geschont werden sollen. Doch jetzt musste der 28-Jährige ran – damit es auch wirklich zum Endspiel um den Gruppensieg kommt.

Der Mann für die entscheidenden Akzente

Zunächst störte Duvnjak nur als vorgezogener Mann in der kroatischen 3-2-1-Deckung den Spielfluss der Weißrussen, dann setzte er auch im Angriff die entscheidenden Akzente. Den Zwischenspurt zum 27:22 legte er fast im Alleingang hin. Vier Tore warf er aus dem Rückraum selbst, eines bereitete er vor. Danach war kein Blickkontakt zwischen Trainer und Kapitän mehr nötig: Duvnjak setzte sich wieder auf die Bank. Den Rest zum 31:25-Endstand schafften seine Mitspieler auch ohne ihn.

Viel Aufhebens wollte Duvnjak danach nicht um seine Person machen. Er freute sich lieber mit Spielmacher Luka Cindric über dessen Wahl zum „Man of the match“ und sagte nur einen Satz: „Wenn wir Deutschland schlagen wollen, müssen wir viel besser in der Abwehr stehen.“ Dann verschwand er mit dickem Eisbeutel auf dem linken Knie in der Kabine.

Übersicht, Torgefahr und Einsatzwillen

Domagoj Duvnjak ist der unbestrittene Chef dieser neuformierten kroatischen Mannschaft. Wenn seine Trainer über ihn sprechen, geraten sie ins Schwärmen: Übersicht, Torgefahr, Einsatzwillen, Entschlossenheit, Herz – alles bekomme man von ihm. „Wenn ich mir einen Handballprofi malen könnte, dann sehe er so aus wie Dule“, sagte sein früherer Hamburger Coach Martin Schwalb. Domagoj „Dule“ Duvnjak – der Unverzichtbare. Während seiner Zeit beim HSV Hamburg machten ihn besonders euphorische Fans zum „Messi des Handballs“.

Daniel Stephan, 1998 selbst als erster Deutscher zum Welthandballer gewählt, kürte Duvnjak in seiner persönlichen Spielmacher-Rangliste zum Besten der Welt. Weil er neben dem Franzosen Nikola Karabatic und dem Dänen Mikkel Hansen der kompletteste Spieler ist. Er kann exzellent decken, vorgezogen oder auch im Mittelblock. Vorne besticht er durch seine Spielintelligenz: Wo andere durch die Wand wollen, spielt Duvnjak ab oder wirft überraschend früh – dank seines Wurfrepertoires kann er das aus allen Lagen. Wenn er mit seiner Athletik gegen die Hand in die Deckung geht, ist er kaum zu stoppen. Der THW Kiel kann sich glücklich schätzen, den Vertrag mit ihm vorzeitig bis 2020 verlängert zu haben.

Die ganze Verwandtschaft spielt Handball

Seit 2009 spielt Duvnjak in der Bundesliga. Damals hatte ihn der HSV Hamburg für die Rekord-Ablösesumme von einer Million Euro von RK Zagreb geholt. 250 Kilometer von der kroatischen Hauptstadt entfernt ist er in Dakovo aufgewachsen. In seiner Heimat blieb ihm fast nichts anderes übrig, als Handball zu spielen. In der Verwandtschaft sind alle begeisterte Handballer: Die Onkels, die Cousins, die Schwester, der Vater, die Mutter, die ihn als einzige nicht beim Spitznamen „Dule“ nennt, sondern Domagoj sagt – zumindest wenn sie böse auf ihn ist. Was man sich wiederum schlecht vorstellen kann: Duvnjak ist immer höflich, zuvorkommend, bescheiden und bodenständig.

Die letzten großen Titel der kroatischen Auswahl datieren aus den Jahren 2003 (Weltmeister) und 2004 (Olympiasieger). „Die Mannschaft ist jung und steckt im Umbruch, alles ist auf die Heim-EM 2018 ausgerichtet, doch abschenken werden sie die Zwischenstation WM in Frankreich natürlich nicht“, weiß Balkan-Experte Velimir Petkovic, der Trainer der Füchse Berlin. 16 Spieler aus dem 28er Kader der Kroaten sind nach 1990 geboren. Luka Cindric (Vardar Skopje/Mazedonien), Marko Mamic (Dunkerque/Frankreich) und Luka Stepancic (Paris Saint Germain/Frankreich) gehören dazu. Sie sind Spitzenleute. Aber sie brauchen im Gegensatz zum viel ausgeglichener besetzten deutschen Team einen Anführer: den unverzichtbaren „Dule“ Duvnjak.