Das Selbstbildnis von Otto Dix bleibt Stuttgarter Kunstliebhabern erhalten Foto: Kunstmuseum

Schweigen kann Gold sein, wenn es um Kunstkäufe geht. Als Coup der Stille kann die Sicherung eines Selbstbildnisses von Otto Dix für das Kunstmuseum Stuttgart gelten. Möglich gemacht haben ihn die Kulturstiftung der Länder, die Siemens-Stiftung, die Wüstenrot-Stiftung und die Stadt Stuttgart.

Stuttgart - „Kaum ein anderes Gemälde symbolisiert Otto Dix’ aufgezwungene innere Emigration für mich so eindrucksvoll wie sein Selbstbildnis von 1942“, sagt Isabel Pfeiffer-Poensgen. Und die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder ergänzt: „In der düsteren Vulkanlandschaft scheint die zerstörerische Kraft des Krieges auf, Dix lässt den Betrachter tief in sein Inneres blicken: Sichtlich gealtert, wirkt der Künstler grüblerisch, verzagt, mitgenommen.“

Ein Bild mit großer Wirkung – und so sagt Pfeiffer-Poensgen: „Mir war es wichtig, dass dieses intime Bildnis aus den Kriegsjahren weiter an der Seite von Dix’ früheren, im Ausdruck so andersartigen Werken gezeigt werden kann.“

Das klare Engagement der Kulturstiftung der Länder verschaffte dem Kunstmuseum Stuttgart den notwendigen Rückenwind, um mit weiteren Partnern und Geldern der Stadt Stuttgart das „Selbstbildnis mit Palette vor rotem Vorhang“ für die international geschätzte Dix-Sammlung zu sichern. „Der Weggang dieses Gemäldes“, sagt Kunstmuseumsdirektorin Ulrike Groos im Rückblick, „hätte nicht nur für den Bestand des Museums, sondern auch für die Landeshauptstadt Stuttgart einen schmerzlichen Verlust bedeutet.“

Seit 1980 war das Bild, das Dix mit dem scharfen Blick düsterer Vorahnung zeigt und zugleich – durch den aufgezogenen roten Vorhang – die sich verdunkelte Landschaft als in der Folge beherrschendes Bildmotiv einführt, als Leihgabe im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen. Jetzt wollten die Besitzer verkaufen, das entsprechende Signal sorgte für reichlich Wirbel hinter den Kunstmuseums-Kulissen – und einem krönenden Abschluss mit der Bekanntgabe des im Schulterschluss gelungenen Ankaufs am Montag. Ein Coup der Stille.

Der Unternehmer und Sammler Peter W. Klein hatte für Furore gesorgt

Zuletzt hatte in Sachen Dix der Unternehmer und Sammler Peter W. Klein für Furore gesorgt. „Manchmal muss man und möchte man etwas tun“, hatte Klein im vergangenen Jahr als Gast unserer Veranstaltungsreihe „Über Kunst“ gesagt – und vor staunendem Publikum knapp bestätigt: „Ich habe die Landschaft ,Gewitter am Abend‘ gekauft, damit sie dauerhaft im Kunstmuseum Stuttgart präsentiert werden kann“.

Den jüngsten Erfolgen zur Sicherung des Stuttgarter Dix-Ensembles gingen herbe Verluste voraus: So verlor Stuttgart zentrale Werke wie das Porträt des Juristen Fritz Glaser und die weltweit begehrte Antikriegsgroteske „Skatspieler“. Die Anfrage, das Glaser-Porträt 1992 für 900 000 Euro zu kaufen, lehnte die Stadt ab – stattdessen tauchte das Werk in der Liste der Sammlung des Musical-Unternehmers Rolf Deyhle auf. Dessen Finanzkrise provozierte 1999 im Rahmen der Versteigerung der Sammlung bei Sotheby’s auch den Verkauf des Glaser-Bildes.

Bei 5,4 Millionen Euro fiel in New York der Hammer – neuer Besitzer war Ronald S. Lauder, der in New York ein Museum deutscher und österreichischer Kunst aufbaute und auch aktuell, als eine der zentralen Figuren in der „Raubkunst“-Debatte, seine Ankäufe deutscher Kunst des frühen 20. Jahrhunderts forciert.

Und die „Skatspieler“? Dieter Honisch, einst Direktor des Württembergischen Kunstvereins Stuttgart, wollte das Bild unbedingt für die Sammlung der Neuen Nationalgalerie in Berlin, warb mit einer Spendenaktion für den Ankauf von privat und gewann. 1995 war das, und in Stuttgart schaute man eher pikiert auf Honischs bürgernahe Initiative. Das wüste Szenario der in ihrer seelischen Verhärtung sinnbildlich körperlich verkrüppelten Kriegsgewinnler aber dominierte hernach die Dix-Phalanx der Nationalgalerie-Sammlung zur Kunst des 20. Jahrhunderts.

Bei Dix geht es heute schnell um Millionenbeträge. Wohl schweigt das Kunstmuseum Stuttgart in Sachen „Selbstbildnis mit Palette vor rotem Vorhang“ zu allen Zahlen. Doch geglückte Rettungsankäufe wie etwa bei „Ursus sitzend“ (1,7 Millionen Euro) geben Hinweise. Und so sagt Stuttgarts Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann: „Nur mit gemeinsamer Unterstützung wird es uns auch weiter gelingen, den Bürgern der Region wichtige Kunstwerke nahe zu bringen und Stuttgarts Image als lebendige Kultur- und Kunststadt zu festigen.“.