Blick in die Karte: auch die syrische Küstenregion Dahr-Safra sei nach mehreren Anschlägen nun unsicher, berichten Jacques und Sigrid Achi. Foto: factum/Granville

Das Ehepaar Achi verantwortet den Transfer von Spenden aus dem Strohgäu in den Nahen Osten. EU-Sanktionen machen die Hilfe teurer. Sigrid Achi ärgert das maßlos.

Ditzingen - Sigrid Achi ist ebenso wütend wie machtlos. Sie kann nichts daran ändern, dass Spendengelder nicht in vollem Umfang dorthin geleitet werden können, wo sie ihren Zweck erfüllen sollen: nach Syrien, zu jenen, die nicht wissen, wie sie den nächsten Tag bewältigen sollen. Das ist die Situation, in der etliche Familien in der Küstenregion Dahr-Safra leben. Für die horrenden Gebühren, die wegen EU-Sanktionen für die Transaktion der Spenden aus dem Strohgäu fällig werden, hat sie deshalb kein Verständnis.

Dahr-Safra liegt knapp 170 Kilometer von Aleppo entfernt, 180 von Damaskus, und ist die Heimat von Sigrid Achis Ehemann Jacques. Er ist vor bald 60 Jahren aus beruflichen Gründen nach Deutschland gekommen. „Dort, an der Küste, ist es ruhig“, sagte Sigrid Achi noch vor ein paar Tagen. Nun aber ist auch in dieser Region Unruhe. Die 74-Jährige und ihr sechs Jahre älterer Mann stehen in telefonischem Kontakt mit der dort lebenden Schwägerin. Bei Anschlägen wurden am Montag mehr als hundert Menschen getötet.

Sie tut, was in der Macht der Gemeinde liegt

Dringlich wird nicht erst seitdem das Geld benötigt, das in der katholischen Seelsorgeeinheit Strohgäu seit einiger Zeit für die Heimatgemeinde von Jacques Achi gesammelt wird. 60 Familien werden dort auf diese Weise unterstützt. Denn in den Küstenprovinzen Latakia und Tartus – sie sind seit Beginn des Bürgerkriegs in den Händen von Regimekräften – leben zwar viele Alawiten, eine Religionsgruppe, der auch der syrische Machthaber Baschar al-Assad angehört, aber eben auch Flüchtlinge aus anderen Teilen Syriens. Sie sind dorthin zu Angehörigen geflüchtet, sind geflohen vor dem Bürgerkrieg, der seit fünf Jahren weite Teile des Landes prägt.

Umso mehr ärgert sich Sigrid Achi über die hohen Gebühren, die für den Geldtransfer verlangt werden, seit auch die syrische Zentralbank von der EU mit Sanktionen belegt wurde. Die Überweisung von Bank zu Bank funktioniere nicht mehr wie bisher. Geld wird seit wenigen Wochen nur noch von Western Union transferiert und bar ausbezahlt. Die Gebühren seien ums Doppelte gestiegen. „Wir können nicht die Not der Welt lindern“, sagt Achi. Aber für die Kirchengemeinde empfinden sie durchaus Verantwortung. „Die Menschen hier geben uns Geld, sie vertrauen uns, dass wir es nach Syrien weitergeben“, sagt Sigrid Achi – und dass es eben nicht ein US-amerikanisches Geldinstitut bereichert.

Man kennt die 74-Jährige in der Stadt, wenigstens vom Namen. Sie ist in der katholischen Kirchengemeinde aktiv und verantwortet die Kleiderkammer mit. Vielleicht auch deshalb kommen ebenso verlässlich wie regelmäßig stattliche Spendenbeträge zusammen. Der syrische Gemeindepfarrer bestätigt stets den Eingang der Spenden, bisweilen richtet er auch schriftlich Worte an die Spender. „Wir, der Pfarrer und die gesamte Kirchengemeinde, danken allen Spendern. Diese Hilfe hat den Betroffenen das Gefühl gegeben, als Menschen anerkannt zu sein und die Gewissheit gegeben, dass man an sie denkt“ schrieb er vor einigen Monaten.

Auswirkungen von EU-Sanktionen

Der Ärger Sigrid Achis über konkrete Auswirkungen der EU-Sanktion wird dadurch nicht geringer. Etliche Banken haben den Verkehr mit syrischen Geldinstituten eingestellt, seit wenigen Wochen „geht nichts mehr“, sagt Achi. Einzig eben Union Western transferiere noch Geld, in verhältnismäßig geringen Tranchen. Die Höchstsumme pro Überweisung liegt bei 1200 US-Dollar, die Gebühr bei je 39 Euro – sie ist doppelt so hoch wie zuletzt die Überweisung von Bank zu Bank.

Der Kurs ist extrem schwankend, zwischen 500 und 600 syrische Lira gibt es für einen Euro. Zum Vergleich: acht Fladenbrote kosten zwischen 100 und 200 syrische Lira, ein Kilogramm Fleisch 3500 syrische Lira. Das Kilo Kaffee kostet 2500 syrische Lira – „und die Syrer trinken sehr viel Kaffee“ erzählt Jacques Achi.

Die Achis selbst sind schon einige Jahre nicht mehr nach Syrien gereist, zu gefährlich ist die Situation im Bürgerkrieg für Sigrid Achi. Entführer könnten mit der Europäerin Geld erpressen wollen. So beschränkt sich der Kontakt der Achis zu ihrer Familie und der Kirchengemeinde seitdem auf die telefonische und schriftliche Kommunikation.