Im Haus Martinus leben Hunderte Flüchtlinge – immer wieder tauchen im Umfeld fragwürdige Gestalten auf, die den Kontakt zu ihnen herstellen wollen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Nach Vorwürfen, der Imam eines Moscheevereins habe nicht in einem „unreinen“ schwul-lesbischen Zentrum auftreten wollen, sind Staatsschutz und Finanzamt aktiv geworden. Das Resultat: Die Beschuldigungen haben sich gegen den falschen Verein gerichtet.

Stuttgart - Aus einer simplen Feier für Flüchtlinge hat sich inzwischen eine kleine Staatsaffäre entwickelt. Beteiligt: mehrere Vereine, der Verfassungsschutz, Polizei und das Finanzamt. Und am Ende zeigt sich jetzt: Die Beschuldigten haben nichts mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen zu tun. Stattdessen sind andere die bösen Buben.

Die Aufregung begann Ende September. Da wollte der frisch gegründete Freundeskreis für die Flüchtlinge im Haus Martinus in der Olgastraße das muslimische Opferfest für die Asylbewerber ausrichten. Nach langer Suche fanden sich Räumlichkeiten für die 200 Interessierten. Das schwul-lesbische Zentrum Weissenburg stellte sein Gebäude zur Verfügung. Der Freundeskreis fragte auch einen Imam an. Der muslimische Geistliche sollte das Fest eröffnen und willigte auch ein. Doch kurz vor Beginn kam die Absage: Seine Gemeinde, so der Imam, habe ihm verboten, in den „unreinen“ Räumen des Vereins aufzutreten.

Das Zentrum reagierte mit Empörung auf diese Aussagen und wertete sie als Diskriminierung, die „in einer pluralen demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben kann“. Nach Rücksprache mit dem Freundeskreis wurde auch die betroffene Moscheegemeinde genannt. Es handle sich, so die Beteiligten, um den Stuttgarter Verein der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) in Feuerbach. Eine Gemeinde, die bisher vor allem durch Offenheit und Transparenz aufgefallen war.

Die Feuerbacher Muslime erhielten bald nach den öffentlichen Vorwürfen Besuch. Zum einen erkundigte sich das Finanzamt nach den Vorfällen – mit dem Hinweis, die Gemeinnützigkeit des Vereins stehe auf dem Spiel. Zum anderen riefen die Beschuldigungen den Staatsschutz der Polizei auf den Plan, der wissen wollte, ob denn verfassungsfeindliche Umtriebe zu erkennen seien. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus: Der Ditib-Verein ist zu Unrecht beschuldigt worden. Die Kläger haben schlicht die Moscheegemeinden verwechselt.

Bedauern über die Verwechslung

In Feuerbach ist man dementsprechend aufgebracht. „Wir haben einen guten Namen in Stuttgart und wollen den auch behalten. Es kann nicht sein, dass wir so hingestellt werden und unsere Gemeinnützigkeit gefährdet wird“, sagt der stellvertretende Vorsitzende Bahattin Akyildiz. Man helfe Flüchtlingen, der Imam besuche regelmäßig das Gefängnis in Stammheim, um dort Insassen zu betreuen. „Diskriminierung ist nicht die Sichtweise unserer Religionsgemeinschaft“, sagt auch der Ditib-Landeskoordinator Ali Ipek. Man sei liberal, Ansprechpartner für viele Institutionen und nun auch im neuen Rat der Religionen in Stuttgart vertreten. „Wir sind jederzeit offen für alle“, betont Ipek.

„Wir haben uns beim Feuerbacher Moscheeverein entschuldigt und ihm bestätigt, dass er unverschuldet unter Verdacht geraten ist“, sagt Joachim Stein, Vorstand des Vereins Weissenburg. „Es ist schwer nachzuvollziehen, wie das passiert ist“, sagt Yannick Schulze vom Flüchtlingsfreundeskreis. Die Helferin, die den Imam angefragt habe, sei nicht mehr im Freundeskreis aktiv. Man bedaure die Verwechslung sehr.

Allerdings wird die Geschichte noch deutlich pikanter. Denn die Gemeinde, zu der der Imam tatsächlich gehören soll, gilt als problematisch. „Die Kriminalpolizei hat Informationen darüber, dass der angefragte Geistliche aus dem Umfeld einer Moscheegemeinde kommt, die von uns beobachtet wird“, sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach. Die Gemeinde allerdings streitet ab, mit den Vorfällen etwas zu tun zu haben. Es habe keinerlei Einladung oder Anfrage gegeben, sagt ein Sprecher.

Behörden zeigen sich besorgt

Angesichts der Vorgänge zeigen sich die Behörden besorgt. „Genau davor warnen wir immer: Es darf nicht passieren, dass Flüchtlinge an die Falschen geraten“, sagt ein Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz. Es gebe immer wieder Hinweise in diese Richtung. Beim Flüchtlingsfreundeskreis ist man erschrocken darüber, dass offenbar Kontakte zu einer als kritisch eingestuften Moscheegemeinde geknüpft worden sind. „Wir versuchen normalerweise ja gerade, jegliche Radikalisierung zu verhindern“, sagt Yannick Schulze. Und er berichtet davon, dass es immer wieder nötig sei, die Polizei zu rufen, weil sich möglicherweise islamistische Gruppen im Umfeld des Hauses Martinus aufhielten, um Kontakt zu den Flüchtlingen zu knüpfen. Die Polizei bestätigt, dass sie die Entwicklung dort im Auge behalten will.

Nach dieser ganzen Serie von Verwechslungen und Missverständnissen hoffen die Beteiligten, dass daraus doch noch etwas Positives wird. „Vielleicht können alle für eine inhaltliche Auseinandersetzung über Diskriminierung miteinander ins Gespräch kommen“, sagt Joachim Stein. Und Yannick Schulze hofft, dass Ditib und Freundeskreis in Zukunft gemeinsam etwas für die Flüchtlinge im Haus Martinus tun können. Damit es keine falschen Vorwürfe mehr gibt.