Vollverschleierte Frauen: Unvereinbar mit einer freiheitlichen Gesellschaft? Foto: dpa

Die grün-schwarzen Gespräche stocken nicht nur wegen Stuttgart 21, dem Haushalt und der Windkraft, sondern auch wegen der Integration: Die Grünen lehnen das von der CDU geforderte Verbot der Vollverschleierung ab.

Stuttgart - Die CDU will in der angestrebten Koalition mit den Grünen ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit durchsetzen. Wie aus Verhandlungskreisen verlautet, fordert sie dazu ein Landesgesetz, das Ganzkörperschleier verbietet und die Religionsfreiheit mit dem integrationspolitischen Anspruch der Gesellschaft in Einklang bringt.

Wer sich in der Öffentlichkeit voll verschleiere, sei „nicht Teil unserer freiheitlichen Gesellschaft“, heißt es dem Vernehmen nach in der Vorlage der Arbeitsgruppe für den Koalitionsausschuss. Denn wer den Rechtsstaat und die Demokratie wolle, der brauche auch Kommunikation, öffentliche Diskussion und eine auf vollständige Teilhabe angelegte öffentliche Ordnung. Das sei die Grundlage für das Zusammenleben in Baden-Württemberg.

Die Grünen lehnen ein solches Verbot jedoch ab. Wie aus Verhandlungskreisen verlautet, gibt es zum einen verfassungsrechtliche Bedenken. Zum andern sei die Zahl der Burka, Niqab oder andere Schleier tragenden Frauen nicht allzu groß, es gebe dazu ohnehin keine belastbare Zahlen, heißt es. Das Hauptargument der Grünen lautet jedoch, dass das Verschleierungsverbot in Frankreich, Belgien oder den Niederlanden, wo es seit Jahren gilt, nicht den gewünschten Effekt erzielt habe. Die betroffenen Frauen nähmen eher das Bußgeld in Kauf oder verzichteten letztlich darauf, das Haus zu verlassen.

Da sich Grüne und CDU in den Arbeitsgruppen nicht auf einen Kompromiss einigen können, muss sich nun die Koalitionsspitze mit dem Thema befassen. Das gilt auch für die Grünen-Forderung nach Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Flüchtlinge, mit der diese medizinische Versorgung „einkaufen“ können. Die CDU lehnt dies ab, weil sie nicht nur höhere Kosten für den Steuerzahler, sondern auch einen Anreiz-Effekt für Flüchtlinge befürchtet. Die Grünen argumentieren hingegen, dass die Karte im Vergleich zu gesetzlich Versicherten nur ein abgesenktes Leistungsniveau umfasst.

Einig wurde man sich hingegen in der Arbeitsgruppe Verkehr, die am Montag nacharbeiten musste. Dem Vernehmen nach hat man darauf verzichtet, das Thema Stuttgart 21 weiter zu verhandeln, sondern will dieses Thema der Koalitionsrunde vorlegen. „Das ist aber der einzige Dissenspunkt“, heißt es aus Verhandlungskreisen. Einig wurden sich CDU und Grüne unter anderem darin, in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde Euro in den Bau von Landesstraßen zu investieren. Auch der Bau weiterer Radwege – ein Anliegen der Grünen – soll mit zusätzlich 15 Millionen Euro gefördert werden.

CDU-Landeschef Thomas Strobl musste auf einer Basiskonferenz seiner Partei am Wochenende in Schorndorf zum Teil massive Kritik wegen seiner Zugeständnisse an die Grünen einstecken. Vor allem das grundsätzliche Ja zu weiteren Gemeinschaftsschulen widerspreche fundamental den Positionen, mit denen die CDU Wahlkampf gemacht habe, hieß es. Dies tangiere den Markenkern der Christdemokraten. Niemals aber hätte Strobl so früh klein beigeben dürfen – angesichts der zahlreichen Dissenspunkte, die Grüne und CDU bis zu einem Koalitionsvertrag noch ausräumen müssen. „Das war taktisch äußerst unklug“, sagte ein Teilnehmer der Konferenz am Montag. Für die CDU-Fraktionssitzung an diesem Dienstag wird deshalb mit weiterer Kritik an den Unterhändlern gerechnet.

An diesem Dienstag will die kleine Koalitionsrunde aus sechs Vertretern der Grünen und vier Vertretern der CDU mit der Abarbeitung der Dissensliste beginnen. Dabei soll es vor allem um Haushaltsfragen gehen. Die Gespräche werden vermutlich bis in die übernächste Woche hinein reichen.