Er ist einer der erfahrensten im Konzertgeschäft: der Veranstalter Marek Lieberberg Foto: dpa

Der Konzertveranstalter Marek Lieberberg hält die Entscheidung, „Rock am Ring“ abzusagen für falsch.

Mendig - Der wetterbedingte Abbruch des Festivals Rock am Ring am Sonntag sorgt für Diskussionen. Durch Blitzeinschläge hatten sich am Freitagabend mehr als 70 Menschen verletzt, offenbar handelte es sich bei den Verletzungen vor allem um Herz-Rhythmus-Störungen und Verbrennungen. Weil weitere schwere Unwetter angekündigt waren, hatte die Verbandsgemeinde Mendig am Sonntag die Genehmigung für die Fortsetzung des Festivals mit rund 90 000 Besuchern entzogen. Am Samstag war das Festival bereits wegen Unwettern für sieben Stunden unterbrochen worden. Am Samstagabend hatte es dann noch einmal Konzerte gegeben, am Sonntag durfte gar keine Band mehr auf die Bühne.

Momentan werden die Ereignisse analysiert

Zu den Auswirkungen der Absage wollte ein Sprecher der Gemeinde am Montag zunächst keine genaueren Angaben machen, man sei momentan in der „Analyse“ der Ereignisse. Auch Marek Lieberberg selbst war für eine Stellungnahme nicht zu sprechen. Offiziell heißt es von Seiten der Konzertagentur: „Die Bewertung der durch den Entzug der Spielgenehmigung entstandenen Situation dauert an und wird sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen.“ In einem Interview mit „RP Online“ hatte Lieberberg zuvor die Entscheidung der Verbandsgemeinde Mendig kritisiert. „Die Entscheidung ist falsch“, sagte er. „Wir haben in hitzigen Diskussionen mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Absage zu größeren Problemen führen wird.“ Es habe eher an Fahnenflucht erinnert, als sich die Fans ihren Weg über die Felder gebahnt hätten und ihr Hab und Gut zurück ließen. Lieberberg sprach von einem Fall „höherer Gewalt“. Man habe sich der Anordnung gebeugt, auch wenn man das Festival gerne am Sonntag zum Abschluss gebracht hätte. Dem Innenminister von Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz (SPD), warf er vor, die Verantwortung für die Absage auf die Gemeinde abgeschoben zu haben.

Die Behörden wollen auf Nummer Sicher gehen

Bei mehr als 70 Verletzten drängt sich die Frage auf, wie verantwortungsbewusst Lieberberg mit dieser Extremsituation umgegangen ist. „Es ist sehr schwierig das im Nachhinein zu beurteilen“, sagt Klaus Maack, Geschäftsführer der Stuttgarter Konzertagentur Contour. Seit 31 Jahren veranstaltet er das „Summerjam“-Festival in Köln. Auch er muss sich jedes Jahr aufs Neue mit der Unberechenbarkeit der Wetterlage auseinander setzen. „Ich kann beide Sichtweisen nachvollziehen. Die Behörden wollen natürlich auf Nummer Sicher gehen. Andererseits hat Marek Lieberberg so viel Erfahrung, dass ihm durchaus zuzutrauen ist, die Lage richtig einschätzen zu können.“ Das Vorgehen, stündlich aufs Neue zu entscheiden, ob man das Festival unterbricht oder ganz absagt, hält Maack für eine denkbare Variante. Für das „Summerjam“-Festival setzt er auf einen eigens engagierten Meteorologen vor Ort. „Das ist die sicherste Möglichkeit, zuverlässige Informationen über die Wetterlage zu bekommen und angemessen reagieren zu können.“ Auch Maack musste das Festivalprogramm 2015 wegen des Wetters unterbrechen, ein Abbruch ist ihm bisher noch nie unter gekommen.

„Das Konzert findet bei jeder Witterung statt“

Bei Festivals geht es neben dem Spaß an der Musik und den mehrtägigen Partyexzessen um jede Menge Geld. Ein Festivalticket kostet zwischen 150 und 200 Euro, einige Fans könnten nun Schadensersatzforderungen stellen. Lieberbergs Bestreben, das Festival nicht abzubrechen, deuten manche als Hinweis darauf, dass er den finanziellen Schaden für sich abwenden wollte. „RP Online“ sagte Lieberberg zur Frage nach einer möglichen Entschädigung: „Im Moment sehe ich das nicht. Wir haben alles Menschenmögliche getan, um einen reibungslosen Ablauf von Rock am Ring zu gewährleisten. Aber wir müssen jetzt erst einmal abwarten und alles in Ruhe bewerten.“ In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von „Rock am Ring“ heißt es: „Das Konzert findet bei jeder Witterung statt.“ An anderer Stelle wird erläutert: „Aus Sicherheitsgründen kann der Veranstalter einzelne Park- und Campingplatzbereiche oder sonstige Bereiche des Festivalgeländes vorübergehend oder vollständig räumen und absperren ohne dass dies einen Anspruch auf teilweise Rückerstattung des Kartenpreises begründet.“

Kein Anspruch auf Schadensersatz

Der Hamburger Rechtsanwalt Jens Michow sagt: „Schadensersatzansprüche bestehen bei höherer Gewalt nicht.“ Michow leitet seit mehr als 30 Jahren den Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft und ist Mitautor des in der Branche viel beachteten Buchs „Veranstaltungsrecht“. „Eine andere Frage mag sein, ob Besucher die Erstattung von Eintrittsgeldern verlangen können.“ Diese würde allerdings – wenn überhaupt – allenfalls anteilig bestehen, da ja der größte Teil des Veranstaltungsvertrages erfüllt worden sei. Auch Maack glaubt nicht daran: „Es gibt eine Faustregel: wenn zwei Drittel der Veranstaltung stattgefunden hat, gilt kein Anspruch bei höherer Gewalt.“Ob die Fans auf die Idee kommen, Ansprüche zu stellen, ist ohnehin fraglich. Zahlreiche „Gefällt mir“-Angaben und traurige Smileys posteten sie unter die Facebook-Meldung zur Absage. Es gibt aber auch viele, die die Absage übertrieben finden.