Das Referendum der Iren sorgt für heiße Diskussionen um die Homo-Ehe in Deutschland. Foto: dpa

Das irische Referendum über die Ehe für Homosexuelle löst eine heftige Debatte aus und bringt vor allem die Union in Bedrängnis. Man will Reformen, aber keine völlige Gleichstellung.

Berlin/Stuttgart - Der Ausgang des irischen Referendums über die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare befeuert unerwartet heftig die innenpolitische Debatte. Die Iren hatten sich am Wochenende als erstes europäisches Land per Plebiszit für die völlige Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe ausgesprochen.

Das bringt vor allem die Union in eine heikle Lage. Sie steht in dieser Frage im Zentrum des Interesses, denn im Bundestag gäbe es – jenseits der Union – eigentlich eine breite Mehrheit für die völlige Öffnung der Ehe. Im Koalitionsvertrag steht aber nur eine weiche Formulierung zum Abbau von Diskriminierungen. Verändern die Christdemokraten nun ihre Haltung?

Offiziell nicht. Die Kanzlerin schweigt dröhnend, so dass man auf ihre Äußerung aus Wahlkampfzeiten verwiesen bleibt, wonach sie sich „schwertue mit der kompletten Gleichstellung“. Dafür redet ihr Stellvertreter als Bundesvorsitzender, Thomas Strobl, der Chef der Südwest-CDU. Der sagte gestern schmallippig: „Wir sollten uns an unsere Verabredungen halten.“ Soll heißen: Keinen Schritt über den Koalitionsvertrag hinaus. Auch Generalsekretär Peter Tauber bremste die Erwartungen. Das irische Ergebnis werde „auch in der CDU diskutiert“ und der Koalitionsvertrag umgesetzt. Es ist hinzu zu denken: Mehr aber auch nicht.

Diese Linie wird schließlich auch von der baden-württembergischen Landtagsfraktion mitgetragen. Deren Vorsitzender und CDU-Spitzenkandidat bei der kommenden Landtagswahl, Guido Wolf, sagte: „Schon im schwarz-roten Koalitionsvertrag haben wir uns für eine weitgehende rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften ausgesprochen. Die aktuelle Initiative der Bundesregierung trägt dem Rechnung. Ich unterstütze diesen Weg ausdrücklich. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass die Koalitionsvereinbarung gilt.“

Die Frage ist, ob die Union das durchhalten kann, denn innerparteilich gibt es sehr wohl bereits eine intensive Debatte. Das Referendum zwinge die Union, „uns zu positionieren“, sagt der Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann. Der Kreisvorsitzende der Stuttgarter CDU , der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, sagte, für ihn sei das Adoptionsrecht „die große offene Baustelle“. Er erwarte, „dass Karlsruhe spätestens in zwei Jahren sowieso eine Gleichstellung verlangt“. Nichts hält er aber vom Vorschlag der Grünen, bei der Frage die Abstimmung im Bundestag ohne Fraktionszwang freizugeben. Dabei würde der Unionsfraktion „die Pistole auf die Brust gesetzt“. So werde man die Fraktion nicht dazu bringen, anders als bisher abzustimmen. Er würde sich in diesem Fall enthalten.

Die SPD hat es leicht. Sie zeigt mit dem Finger auf die Union und versucht durchzusetzen, was in der Koalition möglich ist. So präsentiert Justizminister Heiko Maas heute im Kabinett einen Gesetzentwurf, der weitere Angleichungen zwischen eingetragenen Lebensgemeinschaften für Homosexuelle und der Ehe vorsieht. So sollen homosexuelle Paare, die im Ausland eine Lebenspartnerschaft eintragen lassen wollen, künftig aus Deutschland die dafür notwendigen Bescheinigungen erhalten.

Ein größeres Fass macht der baden-württembergische SPD-Landeschef Nils Schmid auf. Er will ein Plebiszit nach irischem Vorbild. „Das Volk soll auch in Deutschland über die Öffnung der Ehe entscheiden können“, sagte er. Die Frage eigne sich sehr gut für eine Volksbefragung. Seine Haltung sei klar: „Es gibt keine Liebe erster und zweiter Klasse. Was meine Frau und ich teilen, will ich auch anderen nicht verweigern.“ Allerdings ist der Vorstoß sozusagen risikolos, denn die Verfassung sieht keine Plebiszite auf Bundesebene vor.

In den sozialen Netzwerken wird das irische Votum heftig diskutiert. Dort sorgte etwa ein Kommentar unserer Zeitung, der die Unterschiede zwischen „klassischer“ und gleichgeschlechtlicher Ehe beleuchtete, auf sehr kontroverse Reaktionen. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärte Christoph Michl, Vorstand der Interessengemeinschaft CSD Stuttgart, die Heftigkeit der Reaktionen so: „Da hat sich viel aufgestaut. Dass ein so katholisch-konservatives Land wie Irland eindrucksvoll voran geht und bei uns – legitimiert durch die Kanzlerin – weiter stur auf Blockade gesetzt wird, sorgt für viel Emotion und große Enttäuschung.“ Michl fordert die Politik auf, die gesellschaftliche Realität wahrzunehmen. Wer für die Privilegierung der klassischen Ehe mit explizitem Hinweis auf die Kinder argumentiere, übersehe, „dass schon heute praktisch die Hälfte der Ehen kinderlos bleiben“. Zudem gebe es in Deutschland bereits eine wachsende Zahl „Regenbogen-Familien mit Kindern“. Es sei „für diese äußerst schmerzlich, dass gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern in der öffentlichen Debatte nie eine Rolle spielen“. Michl verweist darauf , „dass immer wieder Umfragen die gesellschaftliche Mehrheit für die Öffnung der Ehe ausweisen“, die Politik aber nur „in Trippelschritten darauf reagiert“. Wahltaktische Erwägungen siegten da über die Anerkennung der Realitäten.

Ungerührt gibt sich die CSU. Das irische Votum lasse ihn „unbeeindruckt“, sagte der Bundestagsabgeordnete Max Straubinger.