Damit Rentner keine kleinen Brötchen backen müssen, soll das System der Altersvorsorge reformiert werden. Dabei soll die Betriebsrente eine wichtige Rolle einnehmen. Foto: dpa

Die betriebliche Altersvorsorge könnte Lücken bei der gesetzlichen Versorgung ausgleichen, doch viele Fragen sind noch zu klären

Stuttgart -

Was ist die Ausgangslage?
Obwohl die Rentenkasse derzeit gut gefüllt ist und die Renten zuletzt kräftig gestiegen sind, steht das System gewaltig unter Druck. Begünstigt durch niedrige Zinsen und den für Exporte günstigen Euro hat die deutsche Wirtschaft zwar derzeit eine Sonderkonjunktur, die die Einnahmen auch in der Rentenkasse sprudeln lässt. Langfristig jedoch machen die geringe Zahl an nachwachsenden jungen Menschen und die zunehmende Zahl an kurzzeitigen, unsicheren Jobs die Einnahmen unsicher. Um den absehbaren Anstieg der Beiträge zu bremsen, hat Deutschland bereits beschlossen, das Rentenniveau von heute 47,5 auf 43 Prozent im Jahr 2030 abzusenken, die Entwicklung der Renten also nicht mehr ganz an die der Löhne anzupassen. Die Lücke sollte die Riester-Rente füllen, die aber gerade von Geringverdienern wenig angenommen wurde. Damit steigt zumindest langfristig die Gefahr, dass immer mehr Menschen eine Rente auf dem Niveau der Grundsicherung erhalten, so dass sie ein Leben lang umsonst eingezahlt haben. Zunehmend rückt daher die Betriebsrente als Stütze der Altersvorsorge in den Blick – wobei unter den Tarifparteien strittig ist, ob sie dazu da ist, Kürzungen der gesetzlichen Rente auszugleichen.
Was ist der Vorteil der betrieblichen Vorsorge gegenüber der eigenen privaten Vorsorge?
Die betriebliche Altersvorsorge kann kollektiv für eine Belegschaft oder eine ganze Branche vereinbart werden. Wird sie über einen Träger außerhalb des jeweiligen Unternehmens organisiert, könne sie wesentlich professioneller bearbeitet werden, als wenn „jeder zu seinem Versicherungsvertreter geht und sich ein Angebot unterbreiten lässt“, sagt Roman Zitzelsberger, Landeschef der IG Metall, unserer Zeitung. Zudem fließe dadurch „weniger Geld in die Provisionen und entsprechend mehr in die eigentliche Vorsorge“. Auch Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, geht davon aus, dass die betriebliche Vorsorge kostengünstiger ist.
Der Nullzins erlaubt ja kaum noch eine Rendite. Sollte das Geld der Versicherten auch in riskanteren Formen wie Aktien angelegt werden – und wer sollte darüber entscheiden?
Aktien bergen ein höheres Risiko, haben aber bisher auf lange Sicht immer gute Erträge gebracht. Wer einen langen Atem hat, kann Verlustjahre besser aussitzen als derjenige, der das Geld in absehbarer Zeit wieder braucht. Südwestmetall-Chef Dick ist dafür, die Beschäftigten bei der Vorsorge in Altersgruppen einzuteilen, wie dies heute teilweise schon praktiziert wird. Es sei sinnvoll, „beispielsweise bei jüngeren Beschäftigten einen etwas höheren Abteil in chancenreichere Aktien zu investieren als bei älteren“. Von detaillierten Vorgaben über die Art der Anlage rät er ab. Auch Zitzelsberger hält es für „wichtig, dass die Lösung schlank ausfällt und keine Bürokratie aufgebaut werden muss, so dass möglichst viel Geld in die Altersvorsorge fließt“. Er sei deshalb „nicht unbedingt für eine Lösung mit der Versicherungswirtschaft“. Im Bereich des Fondsmanagements gebe es „genügend Professionalität, um die Anlagen zu managen“. Diesem könnten die Sozialpartner dann immer noch Kriterien vorgeben.
Aktien können ja auch ins Minus geraten. Reicht es, wenn der Arbeitgeber für die Vorsorge seiner Mitarbeiter die Beiträge einzahlt, oder sollte er auch haften, wenn die Anlage sich schlecht entwickelt?
„Ohne eine Risikoabsicherung geht es gar nicht“, sagt Zitzelsberger. „Zumindest der Erhalt der eingezahlten Beiträge muss garantiert werden.“ Zudem sei bei allen Formen der Betriebsrente, die über einen außenstehenden Versorgungsträger organisiert sind, eine „Absicherung bei Totalausfall, also eine Einrichtung wie den heutigen Pensionssicherungsverein“ nötig. Dieser sichert heute die Betriebsrenten bei einer Pleite des Arbeitgebers. Auch die Arbeitgeberseite hält den Anspruch, dass am Ende zumindest die Summe der eingezahlten Beiträge wieder zur Verfügung steht, für „nachvollziehbar“. Das könne aber nur für die Ansprüche gelten, die der Arbeitnehmer selbst aufgebaut hat, indem er sie über die sogenannte Entgeltumwandlung in seine betriebliche Altersversorgung eingebracht hat. Für Gelder, die der Arbeitgeber zusätzlich zum Lohn eingezahlt hat, sollte es eine solche Garantie des Beitragserhalts dagegen nicht geben, sagt Dick. Wichtig sei, dass für den Arbeitgeber eine Möglichkeit geschaffen wird, ihn zu „enthaften“. „Ansonsten wäre er ja für einen heute 20-jährigen Mitarbeiter durchschnittlich rund 60 Jahre lang in der Pflicht.“ Bisher fehlt eine Möglichkeit, dieses Anlagerisiko etwa auf eine Versicherung zu übertragen. Dadurch müssen Firmen hohe Pensionsrückstellungen in ihre Bilanz nehmen. Wegen der niedrigen Zinsen müssen die Firmen für diese Vorsorge immer höhere Beträge ausweisen, was ihre Kreditwürdigkeit beeinträchtigen kann.
Geringverdiener sorgen ja besonders wenig vor. Was kann dagegen getan werden, damit nicht viele von ihnen im Alter auf dem Niveau der Grundsicherung leben müssen?
„Eine Anrechnung der Betriebsrente auf die Grundsicherung wäre fatal“, sagt Zitzelsberger. „Sie würden den Geringverdienern jeglichen Leistungsanreiz nehmen.“ Es sei klar, dass eine Betriebsrente nicht zu einer Kürzung der Grundsicherung führen darf. Auch Dick sagt, eine solche Anrechnung dürfe es „auf keinen Fall“ geben. .Allerdings warnt er davor, die Altersarmut in Deutschland zu überschätzen. Die heutigen Zahlen über Altersarmut sagten wenig über die tatsächlichen Verhältnisse aus und berücksichtigten zum Beispiel nicht, mit wem jemand zusammenlebt und welche zusätzlichen Einkünfte er habe. Allerdings könne das Problem angesichts der vielen unterbrochenen beruflichen Werdegänge in Zukunft größer werden. Dies sei aller erst „an 2040 oder 2050“ der Fall.
Soll die Betriebsrente Kürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgleichen?
„Wer die Vorstellung hat, die betriebliche Altersvorsorge auszubauen, damit man die gesetzliche Rente weiter absenken kann, täuscht sich“, sagt Zitzelsberger. „Würden wir das mitmachen, hätten wir mit Zitronen gehandelt.“ Das gesetzliche Rentenniveau dürfe nicht weiter abgesenkt werden und müsse wieder an die Einkommen gekoppelt werden. Langfristig müsse das Niveau der gesetzlichen Rente wieder gesteigert werden. Das sieht Dick ganz anders: Es sei „nicht akzeptabel“, dass jetzt wieder Leistungsausweitungen der gesetzlichen Rentenversicherung diskutiert werden. Eine Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge und zugleich eine Ausweitung der gesetzlichen Rente würde „das System zu Lasten der Arbeitgeber überfordern“.