Thomas Broch, Werner Baumgarten und Hans-Peter Ziehmann (v.l.) diskutierten über das Thema Flüchtlinge. Wiltrud Rösch-Metzler moderierte den Abend. Foto: Veronika Kanzler

Flüchtlinge sind in Birkach und Plieningen derzeit ein großes Thema. Zum einen wegen des neuen Wohnheims im Wolfer, zum anderen wegen der Pläne fürs Pallotti-Grundstück in Birkach. Eine Diskussionsrunde über Flucht.

Steckfeld - Weltweit sind etwa 40 Millionen Menschen auf der Flucht. Beinahe täglich erzählen Zeitungen, Radio und Fernsehen davon, wie Menschen aus ihrer Heimat nach Deutschland fliehen. Etwazehntausend Flüchtlinge sind bereits in diesem Jahr nach Baden-Württemberg gekommen. Und seit Kurzem auch ins neue Wohnheim nach Plieningen. Mitunter deshalb beschäftigt sich die ökumenische Erwachsenenbildung der katholischen und evangelischen Kirchengemeinden in den Stadtbezirken Plieningen und Birkach im Herbst mit dem Thema Flucht.

Moderiert von der Journalistin Wiltrud Rösch-Metzler haben am Dienstag der evangelische Asylpfarrer Werner Baumgarten, der Flüchtlingsbeauftragte der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Thomas Broch, und Hans-Peter Ziehmann, evangelischer Pfarrer in Plieningen, zum Thema gesprochen und über ihre zum Teil ganz persönlichen Erfahrungen mit Flüchtlingen berichtet. Auch, welche Aufgabe ihrer Meinung nach alle Menschen und gerade Christen haben.

Abschiebe-Aktionen mitten in der Nacht

„Es gibt eine goldene Regel in der Theologie“, erklärt Thomas Broch. „Ich gehe so mit einem Menschen um, wie auch mit mir umgegangen werden soll.“ Wie wolle man in Syrien, getragen vom Schicksal, empfangen und heimisch werden, wenn die Geschichte andersrum laufen würde? Und er fragt ins Publikum: „Wie ernst nehmen wir das eigentlich?“

„Es ist geradezu drastisch“, erzählt Asylpfarrer Werner Baumgarten, „dass nicht alle Menschen, die auf der Flucht sind und in ihrem Land aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt werden, auch hier in Deutschland bleiben dürfen“. Teilweise gebe es noch immer Abschiebungs-Aktionen, bei denen Polizisten, nachts um 3 Uhr, Menschen aus ihrem Schlaf reißen, um sie in ihr jeweiliges Land zurückzubefördern. Doch Baumgarten sieht noch weitere Probleme: „Man sagt, dass 80 Prozent der Bevölkerung nicht positiv gegenüber Flüchtlingen eingestellt ist.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg, erklärt Pfarrer Hans-Peter Ziehmann, sei es normal gewesen, dass deutsche Familien ihren Wohnraum mit Flüchtlingen teilen mussten. „Ungefähr zwölf Millionen Menschen sind 1945 nach Deutschland gekommen – doch die politische Entscheidung darüber war klar: Flüchtlinge bleiben keine Fremden, sondern werden in die Gesellschaft mitaufgenommen“, sagt Ziehmann. Dabei sei es nicht nur für die Deutschen ein Prozess gewesen, der sehr viel Bereicherung gebracht habe. „Auch die Heimatvertriebenen mussten lernen, sich in Deutschland eine neue Heimat aufzubauen“, sagt Hans-Peter Ziehmann. Jeder musste sich an eine neue Situation gewöhnen.

Neue Flüchtlingskultur gefordert

„Wir brauchen eine neue Flüchtlingskultur“, ist sich der Asylpfarrer Werner Baumgarten sicher. Nicht nur Arbeitsmigranten sollen in Deutschland und Stuttgart willkommen sein. Denn was oft vergessen werde: Ein Drittel der Flüchtlinge sind Kinder und Jugendliche. „Dafür sollte Deutschland bei seinem demografischen Wandel dankbar sein“, sagt Baumgarten. Die Vision von dem Flüchtlingsbeauftragten Broch ist, dass Flüchtlinge bald nicht mehr in abgesonderten Sektoren, „sondern in der Mitte der Gesellschaft wohnen“. So wie es auf dem Areal der Vinzenz-Pallotti-Kirche in Birkach geplant sei.

„Es wird eine positive Herausforderung für uns sein, dass wir akzeptieren, dass alle Menschen zusammenleben können“, sagt Thomas Broch. Dem schließt sich auch Pfarrer Ziehmann an: „Wir können nicht oft genug Wahrnehmungserfahrungen machen.“ Denn je öfter man sich Menschen annehme, desto mehr akzeptiere und verstehe man sie auch.