Gebhard Fürst sieht keinen Sinn in einer Obergrenze. Foto: dpa

Der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart wendet sich in einem offenen Brief an die Flüchtlinge. Er mahnt Respekt gegenüber unserer Verfassung an, er grenzt sich aber auch gegen rechts ab.

Stuttgart - Mit deutlichen Worten hat sich das katholische Bistum Rottenburg-Stuttgart von de r Forderung der CSU distanziert, eine Obergrenze für den Zuzug von Flüchtlingen einzuführen. Angesichts der Tatsache, dass weltweit 65 Millionen Menschen auf der Flucht seien – die meisten davon vertrieben innerhalb ihres eigenen Landes oder in Nachbarstaaten, „fehlt mir jedes Verständnis für die Diskussion über Obergrenzen“. Das sagte der Flüchtlingsbeauftragte der Diözese, Thomas Broch, am Donnerstag im Ausblick auf den „Welttag der Flüchtlinge und Migranten“ am kommenden Sonntag. Der Theologe beklagte in diesem Zusammenhang „einen den Menschen aus dem Blick verlierenden Zynismus“.

Ähnlich äußerte sich Gebhard Fürst. „Wir dürfen nicht über Zahlen streiten“, sagte der Bischof. Es lasse sich nicht beziffern, ab welcher Schwelle die Gesellschaft überfordert werde. Vielmehr solle der Staat garantieren, dass jeder, der vor Verfolgung fliehe, in der Bundesrepublik Schutz finde und dass Schleppern das Handwerk gelegt werde. Auch weil der Geistliche spürt, dass die Skepsis in der Bevölkerung wächst, hat er sich entschlossen, einen offenen Brief an die Zugewanderten zu formulieren. Das dreiseitige Papier, das auch in Arabisch, Englisch und Französisch unters Volk gebracht wird, soll möglichst in den Gottesdiensten am Wochenende thematisiert werden. Außerdem hat die Diözese es den muslimischen Verbänden zukommen lassen.

Der Missbrauch von Religion wird verurteilt

Der Bischof appelliert darin an die Zuwanderer, die hiesigen Werte kennenzulernen und zu achten. Dazu gehöre es, die Gesetze, die Verfassung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie die human-christliche Grundorientierung zu respektieren. Fürst ermutigt in den Schreiben zudem, die deutsche Sprache zu lernen, und er verurteilt jeglichen Missbrauch von Religion zur Rechfertigung von Hass und Ausgrenzung. Dabei wendet er sich auch gegen diejenigen, die Menschen anderer Kultur herabsetzen, unter dem Vorwand, das „ christliche Abendland“ zu verteidigen. Der Theologe nimmt so Bewegungen wie Pegida ins Visier.

Parallel legte die Diözese einen knapp 200 Seiten langen Bericht über ihre Aktivitäten in der Flüchtlingshilfe vor. Danach gibt sie in der Zeit von 2013 bis 2018 insgesamt 36 Millionen Euro dafür aus. Die Hälfte fließt in die Herkunftsländer. So unterstütze man zum Beispiel ein Wiederansiedlungsprojekt im nordirakischen Erbil, erzählte Broch. Dies solle Personen erreichen, die aus Mossul fliehen mussten. Auch der Bau einer Uni in Erbil werde gefördert. Deutschland müsse die Fluchtursachen bekämpfen, betonte Fürst. So habe er schon 2015 gefordert, die Entwicklungshilfe zu verzehnfachen.