Die Qual der Wahl – bei diesem Gebrauchtwagenhändler reiht sich Auto an Auto. Trotz lebhaftem Markt tun sich Autohändler derzeit schwer, Dieselfahrzeuge verlustfrei weiterzuverkaufen. Foto: dpa

Die Schere zwischen den Preisen für gebrauchte Benziner und Diesel öffnet sich weiter. Unter der Dieselkrise leidet auch das Kfz-Handwerk, das mit dem Abgasskandal nichts zu tun hatte.

Stuttgart - Für die Besitzer älterer Dieselautos wird es immer schwieriger, beim Verkauf ihres Fahrzeugs einen angemessenen Preis zu erzielen. Nach einer Auswertung, die das Online-Gebrauchtwagenportal mobile.de für unsere Zeitung vornahm, ging der Angebotspreis für gebrauchte Benzinfahrzeuge in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten um 6,3 Prozent nach oben, während er bei Dieselautos stagnierte. Im Südwesten mussten Diesel-Verkäufer dagegen einen Rückgang von 1,8 Prozent hinnehmen. Seit Februar, als die Landesregierung die Fahrverbote beschloss, die sie nun noch einmal durch neue Regeln zur Schadstoffminderung bei älteren Autos abwenden will, ging der Preis in der Region um 6,4 Prozent zurück – und damit deutlich stärker als im Bundesdurchschnitt. Das Portal erfasst zwar lediglich die Angebotspreise, wegen der hohen Zahl von mehreren Hunderttausend ausgewerteten Kaufofferten gilt die Entwicklung jedoch als guter Indikator für den Trend des Gesamtmarkts.

Für den Handel wird die ungünstige Entwicklung immer mehr zu einem wirtschaftlichen Problem, denn er ist davon gleich mehrfach betroffen: Viele Händler nehmen beim Verkauf von Neuwagen den Gebrauchtwagen in Zahlung – und tragen damit das Risiko, ihn nicht zu einem angemessenen Preis loswerden zu können. Zudem müssen sie den Kaufpreis in der Regel vorfinanzieren, da zwischen An- und Verkauf oft Monate liegen – und diese Zeit immer länger wird. Nach Zahlen der Deutschen Automobil Treuhand stand ein gebrauchtes Dieselauto im März durchschnittlich 98 Tage lang auf dem Hof des Händlers und damit zwei Wochen länger als ein Jahr zuvor.

In dieser Zeit sind die gebundenen Finanzmittel für den Händler totes Kapital, zudem steigt das Risiko, Ladenhüter nur schlecht zu verkaufen. „Manche Händler nehmen schon gar keine Dieselfahrzeuge mehr in Zahlung“, sagt Christian Reher, Geschäftsführer der Kfz-Innung Region Stuttgart. Ihnen erscheint das Risiko so hoch, dass sie auch in Kauf nehmen, weniger Neufahrzeuge abzusetzen. Dabei beschränkten sich die Auswirkungen keineswegs auf Stuttgart, wo möglicherweise von Anfang 2018 an Fahrverbote verhängt werden. Angesichts der vielen Pendler betreffe die Entwicklung die Branche in der gesamten Region.

Trotz Krise ist der Diesel-Gebrauchtwagenmarkt lebhaft

Gerade in der von der Diesel-Debatte besonders betroffenen Region Stuttgart zeigt sich aber auch, dass viele Käufer nach wie vor auf diese Technologie setzen: Die Zahl der Dieselautos, die in Stuttgart auf einen neuen Halter umgeschrieben wurden, hat sich allein im April gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Viele Halter wollen offensichtlich ihre älteren Fahrzeuge loswerden – und kaufen stattdessen Jahreswagen und junge Gebrauchte, die die bisher strengste Schadstoffnorm Euro 6 erfüllen, erklärt Torsten Treiber, Obermeister der Kfz-Innung. Offensichtlich findet dabei auch ein reger Handel über die Grenzen der Region Stuttgart hinaus statt, bei dem ältere Dieselautos die Region verlassen und jüngere, die Euro 6 erfüllen, gewissermaßen importiert werden. Das erklärt auch, dass in Stuttgart mehr als 30 Prozent aller zugelassenen Dieselautos die Euro-6-Norm erfüllen, während dieser Anteil bundesweit bisher erst bei 18 Prozent liegt.

Gleichwohl erfüllen aber auch jetzt noch weit über zwei Drittel der Dieselautos in der Region Stuttgart nicht die strengsten Schadstoffwerte – und ihre Besitzer haben weiterhin keine Gewissheit, wann sie in Zukunft noch wohin werden fahren können. „Die Verunsicherung ist groß“, sagt Reher. „Fast täglich rufen Händler an und wollen wissen, was sie ihren Kunden raten sollen.“

Das aber hängt maßgeblich von der Politik ab. Äußerst wichtig sei es, jetzt bald dafür zu sorgen, dass Dieselkäufer Sicherheit haben – und die Politik ein klares Signal sendet, dass jeder, der heute ein Auto kauft, vor weiteren Überraschungen gefeit ist. Es dürfe nicht dazu kommen, dass in zwei Jahren womöglich eine neue Debatte über Fahrverbote für Euro-6-Autos einsetzt – so wie es bei den Euro-5-Fahrzeugen gewesen sei, die noch im August 2015 als Neuwagen verkauft wurden. Ausgeschlossen ist dies nicht: Wenn die von der Landesregierung angestoßene Nachrüstung kommt, könnte es sein, dass Euro-5-Autos im Straßenverkehr – nicht auf dem Prüfstand – besser sind als Euro-6-Fahrzeuge. Dann wird wohl auch die Nachrüstung von Euro-6-Autos zum Thema.

Nachrüstung könnte dem Handwerk neue Aufträge verschaffen

Die jetzt geplante Nachrüstung für Euro-5-Autos hält Reher durchaus für sinnvoll – für die Umwelt wie für das Handwerk, das von der Dieselkrise gebeutelt wurde, ohne an dem Skandal beteiligt gewesen zu sein. Denn die Nachrüstung mit Bausätzen zur Abgasminimierung oder das Aufspielen neuer Software werde bei den Werkstätten stattfinden. Viele Autos aber erfüllen noch nicht einmal die Euro-5-Norm – und können wahrscheinlich gar nicht nachgerüstet werden, obwohl auch sie teilweise mit der grünen Plakette herumfahren dürfen. Hier hält Reher eine Umstiegsprämie für das richtige Mittel: Wer diesen Diesel nachweislich verschrotten lässt und dafür ein umweltfreundliches Fahrzeug – auch ein Elektroauto – kauft, sollte einen Zuschuss bekommen. Damit lasse sich der Bestand von Autos schnell verjüngen. Und ganz nebenbei auch der Autoabsatz der Händler ankurbeln. Doch reich könnten die Händler davon nicht werden, meint Reher: „Die Umsatzrendite im Handel liegt zwischen null und einem Prozent“, sagt er. „Die Autoindustrie dagegen fängt unter zehn Prozent gar nicht erst an.“