Juliette Binoche (li.) und Kristen Stewart in „Die Wolken von Sils Maria“ - mehr Eindrücke aus dem Film in unserer Bildergalerie! Foto: Verleih

Selbstanalyse einer reifen Diva im Spiegel ihrer jungen Assistentin: Wie wirkt die Vergangenheit als Schlüssel zur Identität des Menschen, der man geworden ist? Herzstück sind die Rededuelle von Maria (Juliette Binoche) und Valentine (Kristen Stewart).

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Die Wolken von Sils Maria"

Friedrich Nietzsche war im Kraftort Sils Maria, Joseph Beuys ließ sich von ihm inspirieren, nun platziert der französische Regisseur Olivier Assayas („Der Schakal“) dort die Geschichte der international gefeierten Theaterschauspielerin Maria Enders (Juliette Binoche). Diese bekommt ein sie verstörendes Angebot: In einer Wiederaufführung eines Dramas von Wilhelm Melchior (der wenig bekannte Theaterautor hat von 1935 bis 2010 tatsächlich gelebt) soll sie den Part einer Unternehmerin übernehmen, die an den Verführungen ihrer jüngeren Partnerin zugrunde geht – nachdem sie 20 Jahre zuvor ihre Laufbahn in der Rolle der jüngeren Frau begonnen hatte. Anlass also, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen.

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Und wie man der rauen Landschaft des Oberengadin verfallen kann, die sich von optisch alles beherrschenden Bergspitzen bei Maloja steil über den Pass nach Vicosoprano hinabwindet, so verfällt man der Selbstanalyse von Maria Enders. Als Spiegel für ihre Rolle nutzt die faszinierend schöne Juliette Binoche ihre Assistentin Valentine. Eine Generation jünger als Maria, spielt Kristen Stewart („Das gelbe Segel“) sie als Intellektuelle, gedanklich klar im Jetzt verankert. Maria, zum Star geworden ohne Facebook und You Tube, ist deutlich irritiert.

Sein Thema hat Olivier Assayas souverän inszeniert. Wie wirkt die Vergangenheit als Schlüssel zur Identität des Menschen, der man geworden ist? Welche Verzerrungen erleben Künstler, welchen Einfluss hat die permanente Öffentlichkeit des Kulturbetriebs auf sie?

Ein wenig Geduld braucht es für den Filmgenuss schon. Herzstück sind die Rededuelle von Maria und Valentine. Daneben begegnen die Zuschauer dem skandal-orientierten Hollywood-Starlet Jo-Ann Ellis (Chloe Grace Moretz), dem leise auftretenden Lars Eidinger als Regisseur Klaus Diesterweg, dem zynischen, scheinbar mit allen Wassern gewaschenen Henryk Wald (Hanns Zischler), der nachdenklich-traurig agierenden Autoren-Witwe Rosa Melchior (Angela Winkler) und einem Naturphänomen: der Wolkenschlange von Maloja.

Sie wird als Schwarz-Weiß-Dokumentation von 1924 als Symbol von Wiederkehr und Vergänglichkeit eingespielt. Theater, ist sich Assayas sicher, kann nie mehr sein als das Leben selbst. Aber Theater zeigt, was im Leben oft verborgen wird: die Radikalität menschlicher Existenz.

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