Beliebter Treff am Abend: Der Wein verbindet alle. Foto: factum/Granville

Wer sich wundert, warum die Ludwigsburger Weinlaube so beliebt ist, hat keine Ahnung. Denn dafür gibt es viele Gründe – seit bald vier Jahrzehnten.

Ludwigsburg - Wenn um 17 Uhr die Gitter beiseite geschoben werden, warten sie schon sehnsüchtig, die Besucher. Wenn gegen 19 Uhr viele Werktätige einschlendern, sind die Plätze, von denen es mehr als 3000 gibt, fast alle schon belegt. Und wenn irgendwann im Laufe des Abends mal Regen vom Himmel fällt, spannen die Gäste einfach ihre Schirme auf und machen, was sie den ganzen Abend schon machen: Weinlauben.

Die Laube – ein Mysterium?

Seit 38 Jahren gibt es die Ludwigsburger Weinlaube, zweieinhalb Wochen okkupiert, pardon: ziert, sie jeweils den Rathaushof und zieht Abend für Abend mehr Menschen an. Sie ist, um es mit den stolzen Worten des Oberbürgermeisters Werner Spec zu sagen, ein „wahrer Publikumsmagnet“. Aber: warum eigentlich? Wein trinken kann man auch im Biergarten, beisammen hocken im Open-Air-Kino und gut speisen an vielen Stellen. Sollte es sich bei der Weinlaube etwa um eine jener Veranstaltungen handeln, für die das Wort Mysterium erfunden wurde? Um eine kultische Feier mit einem geheim bleibenden Kern? Wer so fragt, dem muss der „Dichterfürst“ der Marbacher Weingärtner zu Kopf gestiegen sein. Oder er hat Schlagseite vom „Schwarzen Rappen“ der Besigheimer Felsengartenkellerei. Für die Anziehungskraft der Weinlaube gibt es allerbeste Gründe.

Nichts ist unmöglich

Da ist die Offenheit, mit der die Weinlaube ihre Gäste empfängt. Es mag schon sein, dass die weißen Pagödchen besonders die Ludwigsburger Hautevolee ansprechen sollen. Es gibt ja sogar ein eigens ausgewiesenes VIP-Zelt. Andererseits hat sich seit der Eröffnung, bei der immerhin eine echte Weinprinzessin da war, dieses Jahr noch kein Aufsehen erregender Prominenter sehen lassen. Und man muss nicht reich und schön sein, um mitfeiern zu dürfen. Freiheit für kugelrunde Bäuche – kein Problem. Tattoos auf entkräfteten Armen – wem’s gefällt. Es gibt kein zu alt für Spiegelbrillen und kein zu out für Militaryhosen. Und das VIP-Zelt darf auch mieten, der will. Offenheit – auf der Weinlaube wird sie zelebriert.

Aus klein wird groß und größer

Aber die vier Weinlauben-Wirte wissen auch, was Herzlichkeit ist. Wo gibt es das schon, dass sich ein Gastgeber fürs Wetter entschuldigt, nur weil am Eröffnungstag am Himmel nicht die Sonne strahlt. Als reichte es nicht, dass im dekorierten Einmachglas ein Teelicht funkelt und das Lavendeltöpfchen auf dem betischdeckten Biertisch betörend duftet. Hat man so viel Stil je auf den Brautagen erlebt, auf dem Marktplatzfest gar? Schöner ist eigentlich nur der Ludwigsburg Weihnachtsmarkt. Was wahrscheinlich auch nur daran liegt, dass dort keine Sonnenschirme aufgestellt sein müssen. Aber das kann man den Weinlauben-Wirten ja nicht übel nehmen, dass sie die Schirme nehmen, die die Wein- und Wasserproduzenten eh schon in ihrem Lager haben. Nachhaltigkeit wird in Ludwigsburg schließlich groß geschrieben. Viel wichtiger ist doch sowieso, dass die Schirme der Weinlaube einen Hauch von Laubenähnlichkeit verleihen. Wenn schon das heimelige Ambiente des Ratskellergartens nicht mehr zur Verfügung steht, wo anno 1979 alles angefangen hat.

Wie sollte er auch? 8000 Gäste pro Saison waren dort bestens aufgehoben. Aber an die 60 000 – unmöglich. Verständlich, dass die Wirte gerne auf der Bärenwiese geblieben wären, auf die sie anno 2000 hatten umziehen müssen, weil unter dem Rathausplatz eine neue Tiefgarage entstand. Verständlich auch, dass die Stadt dies nicht gestattete. Schließlich hatte sie bei der Gestaltung des Rathaushofes extra die Wünsche der Weinlauben-Manager berücksichtigt. Vorbei, Wein von gestern.

Die Gäste wissen das Angebot zu schätzen

Wo Offenheit und Herzlichkeit zuhause zu sind, da kehren – man ahnt das dritte Erfolgsgeheimnis – ausnahmslos nette Gäste ein. Schlägereien, Pöbelein, Sauereien – gibt es auf der Weinlaube nicht. Die Gäste wissen es zu schätzen, dass in den Pfannen nicht nur Rote braten, sondern auch Rehschnitzel, Lammhäxle oder Austern. Und sie sind bereit, für ein Fläschen Wein ein bisschen viel mehr zu bezahlen. Der Mehrwert stimmt ja. Und wenn doch mal einer einen mitgebrachten Wein oder einen Snack von außerhalb auspackt, dann geschieht dies sehr dezent. Und wenn sich mal einer wundert, dass an den Zahlstationen alles im Kopf gerechnet und bar bezahlt wird, dann in rein bewunderndem Ton.

„Schön“, hat Christian Morgenstern vor langer Zeit erkannt, „ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet.“ Der Dichter kannte die Weinlaube nicht. Hätte er sie gekannt, hätte er sich bestimmt bestätigt gefühlt.