Szene aus „Die Tochter des Salzsieders“ in Schwäbisch Hall Foto: Jürgen Weller

„Die Tochter des Salzsieders“ ist die Dramatisierung eines historischen Romans von Ulrike Schweikert. Schweikert bearbeitete den Stoff gemeinsam mit Regisseur Christoph Biermeier und dem Dramaturgen Georg Kister für die Freilichtspiele Schwäbisch Hall: Turbulente Massenszenen, zugespitzte Charaktere, Schwung und Aberwitz.

Schwäbisch Hall - Maria, die unzüchtige Magd, wird zum Pranger geschleift, dort soll sie büßen. Der Pranger ist echt – und Maria hatte an diesem Ort gewiss historische Vorläuferinnen. Bei den Freilichtspielen in Schwäbisch Hall, auf der großen Treppe, die hinauf führt zur Kirche St. Michael, ist der Pranger nun Teil einer Inszenierung: „Die Tochter des Salzsieders“, die Dramatisierung eines historischen Romans von Ulrike Schweikert. Schweikert bearbeitete den Stoff gemeinsam mit Regisseur Christoph Biermeier und dem Dramaturgen Georg Kister für die Bühne: Turbulente Massenszenen, zugespitzte Charaktere, Schwung und Aberwitz überzeugen bei der Reise ins 14. Jahrhundert.

Anne Katharina Vogelmann heißt die Heldin, eine junge Frau aus gutem Hause, die viel zu neugierig und selbstbewusst ist für eine mittelalterliche Kleinstadt. Jennifer Krannich spielt sie sympathisch, frech und aufgeweckt. Ein Kind wurde getötet, ein alter Mann, eine Frau. Zuletzt wird Katharina selbst als Mörderin verdächtigt, das Todesurteil soll vollstreckt werden – aber es gelingt ihr doch, die Ränke aufzudecken.

Die Treppe vor der Kirche ist eine Herausforderung für die Künstler. Regisseur Christoph Biermeier schöpft ihre Möglichkeiten voll aus. Um das Kernensemble herum schwirren Kinder, Bürger der Stadt: Dutzende von Statisten spielen mittelalterliches Leben. Claudia Rüll Calame-Rosset stattete sie mit einer prunkvollen Vielfalt an Kostümen und Frisuren aus. Ein Nonnenchor singt und führt angeseilte Sünder spazieren, Spielmannszüge lärmen, Verfolgungsjagden ziehen ihre Bahn, Betrunkene stolpern die Treppe hinauf. Grandios jene Szene, in der die Haller Gesellschaft zu Seiten der Kirche ein Dampfbad nimmt: Ein Bürger hüpft mit Badetuch am heiligen Portal vorbei.

Die Krimihandlung entfaltet sich in diesem fulminant-ironischen Sittenbild erst spät – die tragenden Figuren stehen bis dahin lange schon lebhaft vor dem Publikum. Rafael Banasik ist Katharinas Bruder Ulrich, ein hilfloses Raubein mit kratziger Stimme; Christian Sunkel gibt den Schwäbisch Haller Schultheiß und den windigen Geschäftsmann Rudolf Senft. Seine Cousine Afra wird schön grell dargestellt von Sandra Mitsch; Christoph Schüchner als Landknecht Rugger ist äußerst markant. „Er hat die Mauern von Hall hinter sich gelassen und ist in die weite Welt hinaus gezogen“, schmachtet Afra ihn hingerissen an. Das Verzweifeln an kleinstädtischer Enge zieht sich als versteckte, aber pikante Spitze durch das Stück: „Nichts wie raus aus dieser Stadt!“ – das ist der letzte Ausruf Katharinas, dann beginnt der Applaus.

Weitere Aufführungen: 5., 7.-11. Juli, jeweils 20.30 Uhr.