Die Elefanten bekommen morgens eine kühle Dusche. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Trubel in Deutschlands sechstgrößter Stadt ist ansteckend. Doch die Einrichtungen, Sehenswürdigkeiten und Dienstleister brauchen eine Aufwachphase. Unsere Zeitung hat sich einmal umgeschaut, was alles geht bevor es richtig läuft. Heute ist die Wilhelma das Ziel.

Stuttgart - Wer an einem Sommermorgen an der Wilhelma vorbeigeht, hört normalerweise eine Partitur bizarrer Geräusche: Das Kreischen der Gibbons mischt sich mit vielstimmigem Vogelgezwitscher, dem rhythmischen Surren der Rasensprenkler und dem gelegentlichem Brummen der Kehrmaschine. Doch an diesem warmen Morgen ist es ruhig. Dicke Wolken hängen über dem zoologisch-botanischen Garten, es regnet und noch ist von den 11 000 Tieren nichts zu hören.

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Während nach und nach die Tierpfleger eintreffen, ist es in der Futterküche schon hektisch. Ein Mitarbeiter springt zwischen Kühlraum und Zubereitung hin und her und läuft schließlich mit einem großen Metallwagen aus der Tür. Eine halbe Million Futterkosten entstehen der Wilhelma im Jahr, rund 40 000 pro Monat, rechnet Pressesprecher Harald Knitter. Obst, Gemüse, Grünschnitt, Getreide, Fleisch und gekochte Kartoffeln gehören zu den Basics. Für anspruchsvollere Bewohner kommen mehr als 100 Pakete Babynahrung, Nüsse, Beeren, Krebse, Muscheln, Mehlwürmer Mäuse und Eintagsküken hinzu. Der Fencheltee ist für die Affen, der Schwarze Tee für die Panzerpflege der Schildkröten.

Fledermauspapageien schlafen kopfüber

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Und sie zwitschern doch. In der Vogelzuchtstation sind die Tiere trotz Regens munter, auch die Fledermauspapageien, die bis vor kurzem noch kopfüber geschlafen haben. „Unsere Jungvögel hier suchen im Morgengrauen nach Futter, deshalb ist der Frühdienst ganz wichtig“, erklärt Christina Schwab, die sich Obst , Insekten, Buffalowürmer und Heuschrecken in der Futterküche geholt hat. Sie freut sich über jeden Nachwuchs, zuletzt etwa bei den Sumbawadrosseln oder den Azurkopftangaren.

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Dass Landwirte früh aufstehen müssen, ist bekannt - und auch in der Wilhelma nicht anders. Stephan Paspalaris putzt gerade hinter den jungen Limpurger Rindern her - mit Schaufel und Schubkarre. Die 18 Monate alte Petra und die 16 Monate alte Sina begrüßen ihn mit einem sanften Nasenstuber. „Ich habe Landwirtschaft gelernt“, erzählt er. Hier könne er dem Beruf ohne finanzielles Risiko nachgehen. Marten Schulz schneidet Kohlrabi, Fenchel, Gurken und Karotten für die Kune Kune Schweine. „Sie kriegen viel Rohkost, weil sie sonst zu dick werden“, sagt er schmunzelnd. Kune Kune ist Maori-Sprache und bedeutet „fett und rund“.

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Freundliche Begrüßung von den Affen

Statt Gorillas und Bonobos stehen Zweibeiner ohne Fell in den Gehegen des neuen Affenhauses. Tobias Weigold, Julia Kaiser und ihre Kollegen spritzen die Betonterrassen ab. Ein Gabelstapler bringt Paletten mit neuem Rindenmulch - insgesamt acht Stück. Bea Jarczewski nimmt die Lieferung in Augenschein. Sie ist seit sechs Uhr hier, hat die Gorillas gefüttert, ihnen „lieb guten Morgen“ gesagt und Ihr Verhalten studiert. So könne sie einschätzen, ob ein Tier vielleicht krank sei, sagt sie. Am Ausgang des Affenhauses steht Gärtnerin Jasmin Langhammer auf einer Leiter und füllte Erde in die Pflanztröge. Die Arbeiten würden deshalb so früh gemacht, weil immer die Gefahr bestehe, dass mal etwas runterfällt. „Es wäre nicht zu verzeihen, wenn etwas passiert.“

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Inzwischen hat es aufgehört zu regnen. Die Gibbons rufen, eine Kehrmaschine dreht ihre Runden und am Haupteingang werden die Kassen vorbereitet werde. Erste Besucher warten bereits, denn in zehn Minuten ist Einlass. „Ich kann jedem nur dazu raten, früh zu kommen. Es ist die beste Zeit“, sagt Pressesprecher Knitter. Die Tiere seien morgens besonders lebhaft.

8.20

Das Aquarium bleibt noch länger geschlossen. Warum, zeigt sich jetzt: Zur Reinigung der Schlangenterrarien müssen die Glaskästen geöffnet werden. „Wenn eine Giftschlange abhaut, muss man sie wieder einfangen. Das ist zwischen Besuchern ganz lustig“, witzelt Joschka Schulz. Doch dann erklärt der 26-Jährige, dass die Reptilien meist ganz ruhig blieben und sich in die hinterste Ecke verkriechen. Aber: Sicher ist eben sicher.

8.35

Ein Streichelskorpion ist gestorben

Visite! Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin kommt mit Zooinspektor Thomas Seitz ins Aquarium. „Für mich ist es gut, mir ein Bild vor Ort zu machen“, erklärt Kölpin. Was Schulz ihm berichtet, klingt rätselhaft. Die traurige Nachricht: „Ein Streichelskorpion ist gestorben.“ Die gute: „Drei junge Kragenechsen sind im Becken geschlüpft.“ Die Echsen bekommen nur selten im Terrarium Nachwuchs - ein Kompliment für die Pfleger. Und was hat es mit dem Streichelskorpion auf sich? „Das war ein handzahmer Skorpion, der für Tierbegegnungen geeignet war“, erklärt Seitz.

8.50

Elefantin Zella genießt ihre Morgendusche. Volker Scholl spritzt die 49 Jahre alte indische Elefantendame gründlich ab. Als sie den Schlauch mit dem Rüssel anhebt, ruft er: „Finger weg!“ In der warmen Nacht durften die beiden Grandes Dames draußen auf der Elefantenanlage bleiben, und Pama ist über und über mit Dreck bedeckt. „Morgens beim Duschen schauen wir, wo die Elefanten vielleicht Verletzungen oder Hautprobleme haben.“ Selbst Dickhäuter sind davor nicht gefeit.

9.00

Rund 1200 verschiedene Tierarten stellen ähnlich viele unterschiedliche Ansprüche an die knapp 100 Mitarbeiter der Tierpflege. Doch spätestens jetzt, wo die Türen des Aquariums aufgehen, ist die Wilhelma mit ihren Tieren und Pflanzen vollends aus dem Nachtschlaf erwacht.

Montag, 29. August: Die Stadt erwacht – Schwimmbad