Miranda Otto (oben) und Glória Pires in „Die Poetin“ - der Film ist Adaption eines Buches, das wiederum auf einer wahren Geschichte beruht. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Arsenal

Bruno Barretto bei der „Poetin“ nicht auf das Erzählen einer homoerotischen Liebesgeschichte in den 1950er Jahren beschränkt. Er zeigt vielmehr über eine Zeitspanne von 15 Jahren die Wahrheit hinter der Wahrheit – und produziert damit einen feinsinnigen, universellen Film.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Die Poetin"


Stuttgart - „Das bin ich, alles selbst entworfen“ – weder in Gestus, Mimik noch Klang der Stimme lässt Lota einen Zweifel daran, dass sie sich für erfolgreich hält. Als Architektin und als Frau. Die Kamera erfasst ein großzügig bemessenes Atelierhaus, auf Ständer in die üppig grüne Regenwaldschaft Brasiliens gesetzt, Schönheit und Funktion gleichermaßen verpflichtet. Doch ihr Gegenüber – die eben aus New York angereiste Dichterin Elizabeth – interessiert sich mehr für die Hauskatze denn für das Bauwerk. Und auch die herzhaft-brasilianische Umarmung der vulkanesken Gastgeberin überrumpelt die eher viktorianisch spröde Poetin. Nein, sie scheinen so gar nicht füreinander geschaffen, diese beiden reifen Frauen.

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Und doch wird Lota, die in einer festen Beziehung mit Elizabeths Freundin Mary lebt, in der bisher unerweckten Elizabeth ein Feuer körperlicher und geistiger Sinnlichkeit entfachen. Ihrer beider Zuneigung wird zum Motor kreativen Schaffens: Elizabeth (in der Realität Elizabeth Bishop) erhält 1956 den Pulitzer-Preis für Lyrik. Der von Lota (real: Lota de Macedo Soares) geplante und umgesetzte Flamengo Park in der Stadtmitte Rio de Janeiros, erbaut auf einer Müllhalde, existiert noch immer.

Bruno Barretto hat sich bei der Adaption von „Rare and Commonplace Flowers“, einem brasilianischen Bestseller nach einer wahren Geschichte, nicht auf das Erzählen einer homoerotischen Liebesgeschichte in den 1950er Jahren beschränkt. Äußerst feinsinnig und auf einen hohen ästhetischen Anspruch bedacht, zeigt er über eine Zeitspanne von 15 Jahren die Wahrheit hinter der Wahrheit – und produzierte damit einen universellen Film.

Glória Pires spielt Lota, die sprühende, rassig-elegante Architektin, gekleidet in rohseidene Gewänder mit leuchtenden Farben. Männlich dominant ist ihr Auftreten, schwach wird sie durch die Liebe. Miranda Otto verkörpert Elizabeth, die seelisch schwankende, alkoholabhängige Künstlerin. Wenn Barretto von der Kunst des Verlierens („A Arte de Perder“) erzählen will, kommt er zum Schluss, dass der Verlust von Liebe nicht gelingt – weil er ein nicht einschätzbares zerstörerisches Potenzial in sich trägt.

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