Ein Klassiker von Gucci: Die Bamboo-Tasche, erhältlich in drei Formaten von der hier gezeigten Microbag (995 Euro) bis zum Shopper. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Angeblich kramt die deutsche Frau 67 Tage ihres Lebens in ihrer Handtasche. Dies behaupten Statistiker. Sie hätten nur bei Loriot nachschauen müssen. Von dieser kleinen Marotte werden uns leider auch diese Objekte der weiblichen Begierde mit ruinösem Suchtfaktor in dieser Saison nicht erlösen.

Stuttgart - Wie viele Taschen sollte eine Frau besitzen? Eine für den Sommer und eine für den Winter, heißt die Minimal-Empfehlung. Völlig unrealistisch. Sie kann nur für Frauen gelten, die immun sind gegen die Verführungskünste der Designer und des Täschnerhandwerks. Sie bringen uns in den großen Kaufhäusern der Metropolen von Macv’s über Harrods und Lafayette bis Breuninger in Stuttgart schon beim Eintreten im Erdgeschoss in die größte Versuchung. Mit all den begehrten It-Bags von Dior, Céline, Gucci, Prada, Burberry, Valentino, Jimmy Choo und Miu Miu. Mit Preisen von 1000 Euro Minimum auf der nach oben offenen Skala eindeutig dem Luxus zuzuordnen und vor allem von It-Girls spazieren getragen. Steckt hinter dieser Präsentation eine ausgeklügelte Verkaufsstrategie? Die spontane Attacke auf blank liegende Begehrlichkeit? „Diese Platzierung ist die Vorgabe dieser Premiummarken, darauf haben wir gar keinen Einfluss“, klärt uns Joachim Aisenbrey, der Geschäftsführer von Breuninger Stuttgart, auf.

Taschen mit Fransen sind im Trend

„Es gibt drei Highlight-Trends in dieser Saison“, verrät Aisenbrey: „Taschen mit Fransen, in schmeichelndem Veloursleder und die Microbag.“ Winzige Täschchen zum Ausgehen. Zum Beispiel von Burberry in der Farbe Purple, mit Goldkette, für 1795 Euro. Oder doch lieber von Gucci aus der Serie Bamboo (995 Euro): weil die Henkel aus Bambus sind. Viel passt da ja nicht rein. Als ob praktische Überlegungen beim Lieb-lings-Accessoire der Frauen je ein Argument gewesen wären. „Muss auch nicht“, sagt Aisenbrey entschieden, am Abend beschränke sich Frau „auf Smartphone, Kreditkarte, Hausschlüssel und Lippenstift“. Kein Geldbeutel? „Hat man nicht mehr“, winkt Aisenbrey ab. Stattdessen eine größere Börse, die tagsüber in den voluminösen Taschen verschwindet und abends einen Solo-Auftritt als Clutch hat. Bei Valentino mit wehrhaften Nieten, genannt Rockstud, und das aktuelle Signet einer ganzen Valentino-Kollektion von Taschen über Armbänder bis zu Schuhen.

Umso mehr lässt sich in den Bags und Beuteln verstauen. Veloursleder und Fransen erinnern an den Look der Westernhelden und vermitteln einen Hauch von Abenteuer und Pioniergeist: Wo ist der nächste Saloon, und wo kann ich mein Pferd anbinden?

Der Firlefanz ist Vergangenheit

„Einen Hype“, so Aisenbrey, „erlebt derzeit das Label Céline mit der Trapeze Bag, kreiert von der Céline-Designerin Phoebe Philo. „Alle wollen sie haben“, sagt Aisenbrey. Sie ist Kult. Aber nicht alle Trapeztaschen, die man in der Stadt sieht, sind das Original. Sondern oft ein Billigklon. „Die Kunden“, weiß Aisenbrey, „informieren sich genau im Internet über die Modelle und ihre verschiedenen Variationen, ehe sie die Ware bei uns anschauen.“ Dass viele am Ende doch im Internet kaufen, lasse sich nicht leugnen. Aber offenbar verschmerzen: Der Markt für Taschen im Luxus-Segment sei im achten Jahr ungebrochen auf Wachstumskurs.

Der Firlefanz, der ein paar Saisons lang die Taschen fast aller Designer überladen hatte, ist Vergangenheit. Aber ganz ohne Schmuckelemente und Glitzereffekte geht es natürlich doch nicht. MCM, eine wieder erstandene Marke, macht einen silbernen Rucksack damit zum glamourösen Hingucker (1750 Euro), Aigner peppt ihn mit seinem Signet, dem in Nieten geschlagenen großen A, auf (gesehen bei Lederwaren Acker, 499 Euro). Und sogenannte Charms, Anhänger wie die Initialen der Designer, Herzen, Hasen, sogar kleine Roboter, befriedigen den Spieltrieb. Den Teddy der Tochter sollte Frau aber bitte vermeiden.

Konische Formen, kurze und starre Henkel, auffallende Bicolor-Effekte wie Weinrot mit Petrol oder Blau mit hellem Grün kenn-zeichnen die Kollektion von Lamarthe (von 189 bis 219 Euro) bei Rainer und Doris Rudolph von Lederwaren Acker. „Die klassischen Formen sind wieder aktuell“, sagt Doris Rudolph und beobachtet amüsiert, dass junge Mädchen die Taschen so brav am Arm tragen wie Queen Elizabeth. „Bitte immer an den Henkeln fassen“, rät dagegen die Stilberaterin Petra Wagner. Mit einem Rucksack oder der Pliage-Tasche von Longchamps in der Variante mit den längeren Henkeln kommt man gar nicht in diese Zwickmühle modischer Stilfragen. Dass die großräumige Pliage der Hit bei Schulmädchen ist und die Mappe ersetzt, wie Rainer Rudolph weiß, verwundert nicht.

Wir brauchen, meint die Autorin Anna Johnson in ihrem Buch über Handtaschen und die Geschichte dieses Kultobjektes, mindestens ein halbes Dutzend der unentbehrlichen Begleiter: „Einen Klassiker, den Hit der Saison, die Tasche fürs Büro, zum Einkaufen und für den Wochenendtrip. Und ein kleines, kapriziöses, sexy aussehendes Modell für den Abend.“ Wobei das Wort brauchen völlig fehl am Platz ist. Was haben Träume mit trivialer Notwendigkeit zu tun? Nichts. Umso mehr mit irrationaler Leidenschaft, die der Designer Tom Ford auf den Punkt bringt: „Du willst sie haben – oder sterben.“ So gesehen, brauchen wir das Abendtäschchen der Designerin Gretchen, einen raffinierten Beutel in Schwarz oder Gold (299 Euro), unbedingt.

Anna Johnson liefert auch die Erklärung, warum Frauen immer in den Taschen kramen: „Weil eine Handtasche ein intimer, mit dem Körper verwachsener Teil ist.“