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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat seinen Entschluss gerechtfertigt, auch im Südwesten nach einem Endlager für deutschen Atommüll suchen zu lassen.

Hannover - Die Grünen wollen für die Bundestagswahl im bürgerlichen Lager punkten. Baden-Württembergs Regierungschef sagt: Die Zeiten der politischen Lager sind vorbei, auch für die Grünen.


Herr Kretschmann, der Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt wird zugetraut, den „Kretschmann-Effekt“ bundesweit zu erreichen – also als Grüne im konservativen Lager zu punkten. Ist das eine Stilfrage, oder werden die Grünen bürgerlich?
Es ist eine Frage des politischen Stils, Politik nah an den Menschen zu halten. Katrin Göring-Eckardt pflegt denselben Stil wie wir in Baden-Württemberg, und er ist Basis ihres Erfolgs. Wir sprechen Menschen vermittelnd an statt dauerhaft polarisierend.

Bedeutet bürgerlich heute etwas anderes als früher? Dass Bürger teilhaben und mitreden?
Ja, die Gesellschaft, auch die Demokratie lebt von Teilhabe und Mitsprache. Das ist eine zutiefst bürgerliche Tugend. Das muss die Politik ermöglichen und zulassen.

Dieser Tugend folgend: Können Sie versprechen, Gorleben als mögliches Atommüllendlager zu verhindern, obwohl dieser Standort im niedersächsischen Wendland nach wie vor auf der Endlagersuchliste steht?
Der Beschluss aller Ministerpräsidenten besagt: Wir suchen auf einer weißen Landkarte nach dem am besten geeigneten – also nach wissenschaftlichen Kriterien sichersten – Standort für hochstrahlenden Atommüll. Ich werde alles dafür tun, dass dieser Beschluss realisiert wird. Aber machen wir uns bitte nichts vor: Ich konnte diesen Prozess nur in Gang bringen, weil es in Baden-Württemberg Ton-Formationen gibt. Ton gilt möglicherweise als für ein Endlager geeignet. Erst dadurch wurde der Beschluss der Ministerpräsidenten glaubwürdig, dass Sicherheit unser Kriterium ist und nicht die Frage, wo der Standort liegt.

Steht der Konsens?
Wir sind nah dran, aber noch steht er nicht. Die Endlagersuche für deutschen Atommüll ist eine nationale Herausforderung: Wer Infrastrukturentscheidungen dieser Qualität realisieren soll, braucht einen nationalen Konsens zwischen den Parteien und Fraktionen, der Bundesregierung und allen Bundesländern. Wenn es da nicht einen unverbrüchlichen Konsens gibt in Deutschland, kann das niemand stemmen.

Zurück zu allem Bürgerlichen, was Ihre Partei bewegt: Wie links sind die Grünen noch?
Das Bürgerliche ist von der CDU zum Kampfbegriff gemacht worden – als Gegenteil von links. Aber natürlich sind wir alle Bürger. Bürgerlichkeit taugt deshalb nicht als Gegenbegriff zu links, und schon gar nicht als Synonym für rechts statt links. Ich verorte uns Grüne eh nicht in das Links-rechts-Schema.