Zeit zu jubeln Foto: Bernd Eidenmüller

Die Füenf werden 20: Mit Chorgesang auf dem Gipfel des Württembergs hat die A-cappella-Gruppe ihr Jubiläum hochleben lassen – vor der Grabkapelle, dem Monument der großen Liebe.

Stuttgart - Was sind schon 20 Jahre? König Wilhelm I. hat mehr als doppelt so lange warten müssen, bis er bei seiner geliebten Katharina auf dem Württemberg liegen konnte – 45 Jahre musste er mit anderen Frauen zubringen, eine davon hat er geheiratet, eine andere der schönen Künste wegen angehimmelt.

Die A-cappella-Gruppe Die Füenf, die in Stuttgart zum Wahrzeichen geworden ist und in diesem Ehrenamt gleich nach dem Fernsehturm und der Grabkapelle kommt, meint doch allen Ernstes, der 20. Geburtstag eines singenden Männerquintetts sei ein solcher Höhepunkt, dass man auf den Gipfel des Württembergs steigen muss. Auf den Treppen des Mausoleoms haben die Füenf mit Chören ein Loblied auf die Heimat angestimmt – also ihre Hymne„Mir im Süden“.

20 Jahre? Sind doch erst der Anfang!

Bei König Wilhelm I. war’s am Ende fast ein halbes Jahrhundert, bis sich sein sehnlichster Wunsch erfüllte, an die Seite von Katharina gebettet zu werden. Seine dritte Frau Pauline hatte nichts geahnt. Erst nach Offenlegung des Testaments wusste sie, dass der Vater ihrer Kinder, mit dem sie über 40 Jahre verheiratet war, unbedingt in der Grabkapelle bei seiner großen Liebe ruhen wollte, mit der er wegen ihres frühen Todes mit 30 nur drei Jahre zusammenlebte. Pauline war, würde man heute sagen, not amused.

Mir im Süden! Ja, da gibt’s schon ganz besondere Gesellen, gekrönte und ungekrönte! Mir im Süden lieben das Bibelzitat „Die Liebe höret nimmer auf“. Wer von der Grabkapelle spricht, sagt diesen Satz, der über dem Eingang prangt. Und es sind viele, die ihn sagen. Das Mausoleom ist zu einem der beliebtesten Ausflugsziele der Region geworden, was die Rotenberger vor allem am Wochenende rasend macht, wenn mal wieder die Zufahrten und die Wege in den Weinbergen zugeparkt sind.

Die Idee von einer Seilbahn zum Gipfel des Württembergs findet Doris Grau, die langjährige Verwalterin der Kapelle, nicht schlecht. Auch in ihrem Ruhestand kümmert sie sich um das Kleinod der sakralen Baukunst. Während draußen die Füenf mit vielen Fans „Mir im Süden stellen die hochwertigsten Kraftfahrzeuge her“ singen (mit dem genialen Blick aufs Untertürkheimer Mercedes-Werk), führt Frau Grau den Blogger Patrick Mikolaj vom Unnützen Stuttgartwissen und mich ins Innere der Grabkapelle. An diesem Ort zeigt sich, dass mir im Süden noch mehr herstellen: auch die hochwertigsten Liebesdramen.

Was für ein Pech für Freunde des Schauspiels von Intrigen, dass es vor 150 Jahren weder „Bild“-Zeitung noch „Brisant“- und „Exklusiv“-Fernsehmagazine gab. Boulevardjournalisten würden Schnappatmung bekommen, könnten sie heute über so ein amouröses Durcheinander bei den Königs berichten. Da ist das, was sich am englischen Hofe mit Charles, Diana und Camilla zugetragen hat, kalter Tee dagegen.

Doris Grau nimmt uns mit auf schmalen Holztreppen zu einem dunklen Geheimgang der Grabkapelle hinauf. Und wir verstehen, was der Wortteil Maus im Mausoleom bedeutet. Die Maus, die durch die Kapelle wuselt, heißt Amalie – benannt nach der Hofschauspielerin Amalie von Stubenrauch, die 30 Jahre lang die Geliebte von König Wilhelm I. war. Die Künstlerin, die von 1828 bis 1846 im Hoftheater als „zur Fleisch und Blut gewordene Poesie“ triumphierte, hielt dem sterbenden König am Totenbett 1864 die Hand. Natürlich fand sie in der Grabkapelle keinen Platz. Aber weil Amalie doch so wichtig im Leben von Wilhelm gewesen sei, sagt Doris Grau, müsse sie wenigstens als Kirchenmaus dabei sein.

In der Gruft, wo noch immer Fans von Katharina Blumen ans Grab legen, hallen die Töne virtuos nach – bei einem siebenfachen Echo. Ach, die Füenf hätten hier unten „Mir im Süden“ singen sollen! Ihre Stimmen wären noch magischer geworden.

Der Besuch der Grabkapelle lohnt sich – auch wegen des Echos oder des traumhaften Ausblicks. Aber halt, wir dürfen keine Werbung machen. Die Rotenberger haben schon genug Parkchaos. Also fahren wir mit dem Bus oder wandern hoch. Und bitte nicht vergessen: Bringen Sie ein bissle Käse mit für Amalie – fürs musische Mäusle.