Dreharbeiten für die SWR-Serie „Die Fallers“ mitten im Schwarzwald. Die Familiengeschichten vom Bauernhof laufen seit 20 Jahren. Foto: Bock

Am Anfang war da ein mulmiges Gefühl bei der Landwirtsfamilie. Was wird wohl aus dem eigenen Hof, wenn er als Filmkulisse eine Bekanntheit erlangt wie einst die Schwarzwaldklinik? Das war vor 20 Jahren. Die Bedenken haben sich gelegt – und noch immer entstehen „Die Fallers“ im tiefsten Schwarzwald.

Furtwangen - Der Spruch vom Ende der Welt wird schnell einmal bemüht. Und natürlich liegt es nicht im Schwarzwald. Doch ein bisschen könnte der ortsunkundige Besucher diesen Eindruck schon gewinnen. Runter von der Landstraße geht es, auf einem schmalen Weg kilometerweit durch den Wald. Rechts und links zweigen kleine Sträßchen ab. Bis sich plötzlich der dunkle Tann lichtet und den Blick über ein weites Hochtal freigibt. Eine Allee führt hinunter zu einem mächtigen Bauernhof. Ein Ort wie aus einem Schwarzwaldprospekt, der hektischen Welt entrückt. Und doch wimmelt es hier an diesem Tag vor Menschen.

Scheinwerfer beleuchten die Szenerie vor dem Kuhstall, aus dem neugierig das liebe Milchvieh hervorlugt. Der trübe Novembertag erstrahlt schlagartig im hellsten Licht. Auf improvisierten Schienen fahren Kameras über den Hof. Überall parken Produktionsfahrzeuge. Menschen in dicken Jacken, Regenhosen, Mützen und Wanderschuhen stehen beieinander und besprechen die nächsten Schritte. Der SWR ist da und dreht für seine Fernsehserie „Die Fallers“. Einige Tage im Ausnahmezustand. So wie schon seit 20 Jahren.

Alle Außenszenen entstehen hier, etwa 30 Prozent des gesamten Materials. „Für den Rest haben wir zwei feste Studios in Baden-Baden“, sagt Pressesprecherin Kathrin Brunner-Schwer. Dort drehen 30 Schauspieler und ein 35-köpfiges Produktionsteam all das, was auf dem Hof nicht möglich ist. Doch der steht nicht nur für die Zuschauer im Mittelpunkt der Serie, die regelmäßig sonntags von rund einer Million Menschen eingeschaltet wird. Auch das Team genießt die Ausflüge ins Freie. „An der frischen Luft zu arbeiten ist immer schöner“, sagt Schauspieler Peter Schell. Und Alexander Wiedl, einer von sechs Regisseuren, bekräftigt trotz der ungemütlichen Witterung lachend: „Wir drehen da, wo andere Urlaub machen.“

Das ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen. Denn das Haus, das als malerische Kulisse dient, bietet sogar Ferienwohnungen an. Im Gegensatz zu manchem Drehort herrscht hier nämlich ganz normales Leben. Der Hof wird bewirtschaftet. Anders als in der Serie wohnen hier nicht die Fallers, sondern die Löfflers. Vollerwerbslandwirte, die 40 Kühe und 25 Kälber halten und Forstwirtschaft betreiben. „Johannas Hofladen“ dagegen, der im Fernsehen zu sehen ist, existiert nur als Kulisse für die Zuschauer. Zu abgelegen ist der mächtige Schwarzwaldhof, als dass sich hierher im echten Leben allzu viele Kunden verirren würden.

Genau deshalb wird hier gedreht. „Die Erfinder der Serie sind damals lange durch die Gegend gefahren und haben nach dem richtigen Platz gesucht“, erzählt Kathrin Brunner-Schwer. Die Kriterien waren klar: Der Bauernhof musste hübsch anzusehen sein – und weitab vom Schuss. Nur so können die Dreharbeiten in Ruhe laufen. Der Hof bei Furtwangen, auf dem jetzt seit 20 Jahren gedreht wird, erschien ideal und ging als Favorit ins Rennen.

Nicht unbedingt zur Begeisterung der Inhaber. „Wir haben gezögert“, erinnert sich Agnes Löffler. Das nicht, weil man etwas gegen eine Fernsehproduktion gehabt hätte. Nein, der Rummel um die Schwarzwaldklinik wenige Jahre zuvor machte die Familie skeptisch. Man wollte nicht Busladungen von Touristen vor der Haustür stehen haben. „Der SWR ist uns schließlich entgegengekommen“, erzählt die Hausherrin. Unter anderem damit, dass man mit dem exakten Ort der Dreharbeiten bis heute nicht hausieren geht. Wo genau der Hof liegt, wird nicht an die große Glocke gehängt.

Dennoch hat mancher Fan den Ort natürlich herausgefunden. „Manchmal gehen die Leute ums Haus“, sagt Agnes Löffler schmunzelnd. Auch Busunternehmen haben Interesse bekundet – und eine Absage erhalten. Heute arbeitet die Familie während der Dreharbeiten ganz normal – halt so, dass sie nicht im Bild ist. „Man gewöhnt sich daran, das hat sich prima eingespielt“, sagt Agnes Löffler – und ergänzt mit einem Lächeln: „Am Anfang dachten wir ja ohnehin, das ist nur für zwei, drei Jahre.“

Da freilich haben sich die Beteiligten getäuscht. Seit 20 Jahren rückt das Filmteam regelmäßig an, vier-, fünfmal im Jahr jeweils für ein paar Tage. „Wir machen eine Familienserie für alle Alterssparten und zeigen in unseren Geschichten auch einen Querschnitt durch die Gesellschaft“, erklärt sich Regisseur Wiedl den anhaltenden Erfolg. „Niemand hätte erwartet, dass das so lange läuft“, sagt Schauspieler Schell, der in der Serie den Bauern Karl darstellt. Er ist von Anfang an dabei. Für ihn gibt es zwei Gründe, warum „Die Fallers“ so gut ankommen: „Wir versuchen nicht, immer noch spektakulärer zu sein, sondern wählen unsere Themen so, dass sich auch die Schwarzwälder gut wiederfinden. Und dann ist da natürlich die besondere Atmosphäre im Team.“

Von ebendieser Mannschaft freilich wird Schell an diesem Tag gehörig durch die Landschaft gescheucht. Immer und immer wieder schiebt er eine Schubkarre den Berg hinauf. „Wir drehen. Und bitte“, ruft Regisseur Wiedl. Wieder stapft Schell los. „Kamera eins war nicht scharf“, tönt es aus dem weißen Zelt am Rand, in dem die Technik sitzt. Ton, Bildregie und die Assistenten sind hier untergebracht und kontrollieren jede Aufnahme. Acht Minuten Material entstehen pro Tag, Szenen für mehrere Folgen. Was heute gedreht wird, läuft erst in einem Jahr im Fernsehen.

Die Atmosphäre ist entspannt. Die Ruhe der Umgebung scheint abzufärben. Eine kleine Kapelle gehört zum Hof, mehrere Nebengebäude und das sogenannte Leibgedinghaus, das ebenfalls als Filmkulisse dient – aber auch als Garderobe für die Schauspieler. Im Haupthaus haben die Löfflers der Fernsehmannschaft einen kleinen Aufenthaltsraum eingerichtet, in dem zur Mittagszeit ein warmes Essen serviert wird. Der SWR bringt alles mit, vom Essen über die Stromversorgung bis zu den Toiletten. „Wir sind komplett autark“, sagt Sprecherin Brunner-Schwer. Man will die Löfflers nicht überfordern, ihre Rolle soll sich darauf beschränken, die malerische Kulisse zur Verfügung zu stellen.

Und den Kuhstall mit der eindrucksvollen Melkmaschine. Das ist der einzige Innenbereich, in dem gedreht wird. Die Szenen dort sind berühmt-berüchtigt unter den Schauspielern. „Wir müssen auf engem Raum arbeiten und Rücksicht auf die Tiere nehmen“, sagt Hauptdarstellerin Ursula Cantieni, „und den Stallgeruch kriegt man aus den Klamotten anschließend auch nicht mehr raus.“ Deshalb stellt das Team für solche Szenen die komplette Bekleidung – gewöhnlich bis hin zur Unterwäsche.

Am Ende einer jeden Einstellung kommt ein Hilfsmittel zum Einsatz, das schon in Vergessenheit geraten schien. Von den Darstellern werden Polaroidfotos geschossen. Wem hängen die Haare ins Gesicht? In welche Richtung baumelt der Schal? Wie steht der Hemdkragen? Wenn auf dem Hof jemand durch die Tür tritt, muss er in den Studios in einigen Wochen ganz genauso auf der anderen Seite hereinkommen. Sonst finden sich später die berühmten Anschlussfehler – etwa wenn ein Schauspieler in ein und derselben Szene unterschiedlich angezogen ist.

Zwei Gänse rennend schnatternd durch die Landschaft. Die gehören nicht etwa zum Hof – das Fernsehteam hat sie mitgebracht. Für die authentische Atmosphäre. Das eine oder andere Mal machen sie sich deutlich zu laut bemerkbar. Dann wird die Szene noch mal gedreht. Genauso wenn plötzlich doch mal die Sonne durchbricht – dadurch stimmt das Licht nicht mehr. Schauspiel ist manchmal auch ein Geduldsspiel.

Spätestens um 16.50 Uhr muss heute Schluss sein. „Sonne ab“, vermerkt der Zettel mit der Disposition für den Tag. Es wird dunkel. Die Drehbedingungen sind eben doch ganz speziell hier draußen. Hinterm dunklen Tann, fast am Ende der Welt.