Eberhard Gienger hat im Wahlkreis Neckar-Zaber seit 2002 immer das Direktmandat geholt. Seine Herausforderer bei dieser Bundestagswahl sehen Sie in unserer Bildergalerie. Foto: privat

Der Wahlkampf zur Bundestagswahl im September ist eröffnet. Gelingt es einer anderen Partei, den CDU-Mann und Direktmandat-Dauerabonnenten Eberhard Gienger im Wahlkreis Neckar-Zaber zu entthronen?

Kreis Ludwigsburg - Bis vor Kurzem sah es noch so aus, als würde der Bundestagswahlkampf einmal wieder so richtig spannend werden. Eine durch ihre Flüchtlingspolitik angeschlagene Kanzlerin Angela Merkel wird von einem SPD-Mann herausgefordert, der die Anhänger der Partei wieder begeistern kann. Der „Schulz-Zug“ brachte einen überraschenden Umfragen-Aufschwung für die Roten mit sich. Hinzu kommen schwächelnde Grüne, eine AfD im Selbstzerfleischungsmodus und eine FDP, die auferstanden aus Ruinen ist.

Wesentlich überschaubarer sieht die Sache in der Region Stuttgart aus. Bei den vergangen vier Bundestagswahlen holte die CDU in allen fünf Landkreisen um Stuttgart die Direktmandate. Im Wahlkreis Neckar-Zaber, einem der beiden Wahlkreise des Landkreises Ludwigsburg, ist seit Urzeiten, genauer seit dem Jahr 2002, der Bundestagsabgeordnete Eberhard Gienger von der CDU der unangefochtene Direktmandat-Dauerabonnent. Bei der vergangenen Bundestagswahlim Jahr 2013 holte der Kaufmann und frühere Turnweltmeister sensationelle 53,2 Prozent – ein Ergebnis, das er selbst kaum fassen konnte.

Wiederholt sich der Höhenflug für Gienger?

Fraglich ist, ob sich der Höhenflug der CDU in diesem Jahr angesichts einer in der Kritik stehenden Kanzlerin wiederholen wird. Angst um den Verlust seines Direktmandats scheint Gienger gleichwohl nicht zu haben: Wie immer geht er ohne Absicherung über die Landesliste in den Wahlkampf. Bei seiner Nominierung holte der 66-Jährige zum vierten Mal in Folge 100 Prozent der Stimmen.

In Bezug auf die Flüchtlingspolitik betont Gienger, dass der Weg der Kanzlerin Merkel richtig sei, Fluchtursachen in den Heimatländern zu bekämpfen, die Sicherung der EU-Außengrenzen zu verstärken und für eine gerechte Verteilung innerhalb Europas einzutreten. Ebenso wichtig sei es gewesen, flächendeckende Grenzkontrollen in Deutschland einzuführen.

Als Erfolge, die Gienger für seinen Wahlkreis verbuchen konnte, nennt der Abgeordnete Fördergelder aus dem Denkmalschutzprogramm des Bundes, die er in den Wahlkreis lenken konnte, Förderungen für den Breitbandausbau in mehreren Gemeinden, Erfolge beim Lärmschutz und die Aufnahme der Neckarschleusen in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes. Die Entbürokratisierung des Ehrenamts sieht der ehemalige Kunstturner als eine seiner Aufgaben für die kommende Legislaturperiode.

Ein undankbarer Listenplatz für den jungen SPD-Kandidaten

Ein mit 27 Jahren junger Herausforderer ist Thomas Utz von der SPD. Der Bankangestellte aus Murr präsentiert sein Alter überzeugt als Vorteil: „Ich kandidiere, weil wir endlich einen Abgeordneten brauchen, der seinen Wahlkreis kennt, der seinen Wahlkreis lebt, und der den Anspruch hat, in diesem Land etwas zu verändern und die Zukunft zu gestalten, in der er selbst gedenkt, in den nächsten Jahrzehnten noch zu leben.“ Es ist dabei unrealistisch, dass Utz über seinen Listenplatz in den Bundestag einzieht: Er steht auf Platz 38. Sein Vorgänger, der Ingersheimer Gemeinde- und Kreisrat Thorsten Majer, schaffte es mit Platz 27 zuletzt nicht in den Bundestag. Er holte 26,4 Prozent der Erststimmen.

Ganz ohne das absichernde Netz der Landesliste ins Rennen geht der Direktkandidat der Linkspartei, Walter Kubach. Der 62-jährige gebürtige Marbacher sitzt seit 2014 im Kreistag. Derzeit ist der gelernte Starkstromelektriker als Wahlkreis-Mitarbeiter beim Bundestagsabgeordneten der Linken, Michael Schlecht, in Stuttgart beschäftigt. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit sieht Kubach in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Auf regionaler Ebene kämpft Kubach nach eigenen Angaben vor allem gegen Krankenhaus-Schließungen und Privatisierungen in der Gesundheitsversorgung. „Gesundheit ist keine Ware“, sagt Kubach.

Die Kandidatin der Grünen hätte es fast in den Landtag geschafft

Bei den Grünen hat die Direktkandidatin Catherine Kern immerhin den Landeslistenplatz 19 bekommen – ihr Vorgänger Andreas Roll stand 2013 auf Platz 34. Catherine Kern setzt sich für die Einhaltung und Verbesserung von Umwelt- und Sozialstandards ein. Fairer Handel und faire Arbeitsbedingungen seien ihr wichtig, heißt es in einer Pressemitteilung. Bei der Landtagswahl im März 2016 unterlag die Unternehmerin im Hohenlohe-Kreis knapp dem CDU-Kandidaten.

Nun, bei der Bundestagswahl, wird es wohl eher nicht so knapp ausgehen. Denn auch wenn der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann derzeit regelmäßig in Umfragen zum beliebtesten Politiker gekürt wird: Die zerstrittenen Bundes-Grünen können davon kaum profitieren. Umfragen sehen die Partei derzeit zwischen sechs und acht Prozent.

Auch bei der FDP ist es eher unwahrscheinlich, dass ihr Kandidat im Wahlkreis in den Bundestag einzieht – wie es in Anbetracht der Umfragewerte von sechs Prozent insgesamt knapp werden könnte für die Liberalen. Der 24-jährige Politikwissenschaft-Student Marcel Distl steht auf Platz 34 der Landesliste. Der Ortsvorsitzende der FDP in Freiberg, Pleidelsheim und Ingersheim sowie Kreisvorsitzende der Jungen Liberalen in Ludwigsburg will in den Themenfeldern Europa- und Gesellschaftspolitik punkten.

Der AfD-Kandidat kommt ziemlich sicher in den Bundestag

Eine realistische Chance auf den Einzug in den Bundestag hat damit neben Gienger nur noch der AfD-Kandidat Marc Jongen. Auf der Landesliste ist er mit Platz drei abgesichert. Jongen ist eine AfD-Größe: Er ist einer der beiden Vorsitzenden der AfD Baden-Württemberg und gilt als Vordenker sowie Philosoph der rechtspopulistischen Partei. Er hat maßgeblich am Parteiprogramm der AfD mitgewirkt. An seiner Wirkensstätte – er ist akademischer Mitarbeiter für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe – wurde er dafür von Professoren und Studenten angefeindet. Das Verhältnis zu seinem Doktorvater Peter Sloterdijk gilt Presseberichten zufolge aufgrund der Parteimitgliedschaft Jongens als angespannt. Sloterdijk möchte sich jedoch nicht mehr öffentlich dazu äußern.

In dieser Legislaturperiode war Eberhard Gienger der einzige Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Neckar-Zaber. Derzeit sieht es so aus, als könnten bald zwei Politiker den Wahlkreis in Berlin vertreten: Gienger von der CDU und Jongen von der AfD. Inwiefern Jongen sich seinem Wahlkreis gegenüber aber verpflichtet sieht, steht auf einem anderen Blatt: Der Vorsitzende der AfD Baden-Württemberg lebt in Karlsruhe.