Kein Freund von Recep Tayyip Erdogan: Jan Böhmermann Foto: AFP

Mit einer siebenminütigen Stellungnahme reagiert Jan Böhmermann auf die Entscheidung der Mainzer Staatsanwälte, das Ermittlungsverfahren gegen sein Erdogan-Schmähgedicht einzustellen. Dabei teilt er kräftig aus in Richtung Bundesregierung und ZDF – und singt zum Schluss ein lustiges Lied.

Köln - Er bleibt sich treu: Immerhin sieben Minuten Zeit hat sich der Kabarettist Jan Böhmermann am Mittwoch für eine „persönliche Stellungnahme zur Sache“ auf seiner Twitter-Seite genommen, „pünktlich um 16.30 Uhr, wie angekündigt“. Was aber folgte, war keine trockene Presseerklärung, sondern gleich wieder eine kleine, charmante Performance mit stark satirischen Zwischentönen.

Böhmermann dankte der Staatsanwaltschaft Mainz, die am Dienstag das Straf-Ermittlungsverfahren gegen sein „Schmähgedicht“ auf den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan eingestellt hatte. Es sei anzuerkennen, dass die Juristen „meinen ganzen Beitrag vom Frühjahr, mein germanistisches Proseminar zum Thema Schmähkritik, wirklich sorgfältig und im Kontext angesehen haben“. Letztlich sei es damals um einen Witz gegangen, „man mag ihn gut oder schlecht finden“, aber um nichts mehr. „Wenn ein Witz in einem Staat zur Staatsaffäre wird, dann ist das ein Problem des Staates und nicht des Witzes“.

„Das ganze Theater um die Affäre Böhmermann“, so der Satiriker, sei inzwischen aber „selbst schon wieder ein Witz“ angesichts der beängstigend schlechten Lage in der Türkei nach dem Putschversuch im Juli. „Schriftstellern und Journalisten mit kritischer Meinung sitzen im Gefängnis, ohne Hoffnung auf einen fairen Prozess“. Umso mehr sei es eigentlich Pflicht für die Regierung im demokratischen Deutschland, Meinungs- und Kunstfreiheit zu verteidigen – und im Zweifel auch das Recht auf einen Witz, selbst, wenn man ihn schlecht finde.

Böhmermann liebt „Das Leben des Brian“ von Monty Python

Ernste und klare Positionen, von Böhmermann trotzdem und wie stets im Tonfall des ironischen Zeitbeobachters vorgetragen. Richtig böse und bissig wurde er allerdings, als es um seinen Haussender, das ZDF, ging. Böhmermann betonte ausdrücklich, die zur Debatte stehende Sendung der Reihe „Neo Magazin Royale“ im März sei „natürlich ordnungsgemäß“ vom Sender betreut und abgenommen gewesen. Wenn er sich gleich darauf überschwänglich für die ZDF-Haltung zu seinem Fall bedankte („Ich wusste den öffentlich-rechtlichen Sender stets hinter mir“), dann war die Ironie deutlich herauszuhören. „Ich wiederum stehe zu hundert Prozent hinter meinem Sender ZDF“ – offenbar hat Böhmermann umgekehrt just diese Unterstützung im Satirestreit stark vermisst.

Und dann wurde es noch richtig lustig: Als der Satiriker nach fünf Minuten um „Fragen der Pressevertreter“ bat und diese nicht kamen – Pressevertreter waren offenbar gar nicht anwesend –, sang er zur Gitarre das bekannte, mit Sarkasmen glänzende Lied „Always look on the bright side of life“ von Monty Python und knabberte an einer Schokowaffel. Man ahnt: Die Debatte und die Ermittlungen gegen ihn haben mehr an den Nerven des 35-Jährigen genagt, als man sich vorstellen mag.

Erdogans Anwalt kündigt Beschwerde an

Unterdessen hat der Münchner Anwalt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan angekündigt, das Strafverfahren gegen Jan Böhmerman erzwingen zu wollen. „Ich kann bestätigten, dass die Beschwerde eingelegt werden soll“, sagte Michael-Hubertus von Sprenger am Mittwochabend. Die Beschwerde müsse binnen 14 Tagen eingelegt werden, sagte von Sprenger weiter. Sie steht tatsächlich im Rahmen des Rechtsweges dem „Verletzten“ offen und führt zunächst dazu, dass die Entscheidung der Mainzer Staatsanwaltschaft von der ranghöheren Dienstebene überprüft wird. Allerdings ist Erdogan in diesem Verfahren selbst nicht Beschwerdeführer, sondern die türkische Regierung.

AKP-Abgeordneter in Ankara nennt Mainzer Entscheidung „Skandal“

Dieser Schritt hatte sich einige Stunden zuvor bereits angedeutet im Kommentar des türkischen Abgeordneten Mustafa Yeneroglu von der Regierungspartei AKP, der zugleich Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses des Parlamentes in Ankara ist. Er nannte die Einstellung des Verfahrens gegen Böhmermann einen „Skandal“ und „ein Armutszeugnis für die deutsche Justiz“: „Dass eine derart offensichtliche Verletzung eines Straftatbestandes mit juristischen Taschenspielertricks und bester haarspalterischer Manier nicht weiterverfolgt wird, hätte ich nicht für möglich gehalten“. Er warf der Staatsanwaltschaft vor, diese habe sich „mitreißen lassen von der allgemeinen Stimmung gegen den türkischen Präsidenten und dabei jegliches Gespür für Rechtsanwendung verloren.“

Bundesregierung verhält sich still

Ausdrücklich still verhielt sich die Bundesregierung zur juristischen Entscheidung. „Es ist alles gesagt“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Aktiv will die Regierung aber nun eine Revision des Strafrechtsparagrafen 103 betreiben. Dieses noch aus der Tradition der „Majestätsbeleidigung“ stammende Sonderrecht für ausländische Staatsoberhäupter gilt Kritikern nicht mehr als zeitgemäß.