Innenminister Strobl (CDU) setzte bei der Innenministerkonferenz eine Forderung des baden-württembergischen Rechnungshofs durch Foto: dpa

Mit insgesamt zehn Millionen Euro fördern die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Fan- und Präventionsarbeit. Doch wohin genau fließen diese Gelder?

Stuttgart - Das Thema Gewalt rund um Fußballspiele ist ein Dauerbrenner. Nun haben die Innenminister- und -senatoren bei ihrem Treffen im saarländischen Mettlach-Orscholz beschlossen, dass die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ihnen künftig jährlich über die Verwendung der für Gewaltprävention eingesetzten Gelder berichten sollen. Sie folgten damit einem Vorschlag des baden-württembergischen Rechnungshofs.

Die Finanzkontrolleure des Landes hatten in ihrer Denkschrift 2015 die hohen Kosten für die Polizeieinsätze rund um Fußballspiele angeprangert. Den Berechnungen zufolge lagen die Ausgaben im Südwesten bei knapp 14 Millionen Euro. Der Rechnungshof regte deshalb an, die DFL oder die Vereine an den Ausgaben zu beteiligen – mit einer Rahmengebühr für Einsätze, die „über den üblichen Grundschutz hinausgehen“.

Nur Bremen fordert Kostenbeteiligung der DFL für Polizeieinsätze

Das Innenministerium lehnte dies als „nicht sachgerecht“ ab, weil es sich bei den Einsätzen um polizeiliche Maßnahmen im öffentlichen Raum handle und die öffentliche Sicherheit Kernaufgabe des Staates sei. Baden-Württemberg vertritt damit die Linie fast aller anderen Länder – mit Ausnahme des klammen Bremen.

Der Rechnungshof empfahl der Landesregierung wohl auch deshalb, sich auf der Innenministerkonferenz (IMK) wenigstens dafür einzusetzen, dass DFL und DFB über die Verwendung und Wirkung der finanziellen Mittel zur Verhinderung von Gewalt bei Fußballspielen informieren müssen.

2013 hatten die beiden Fußballorganisationen zugesagt, die Investitionen in Fan- und Präventionsarbeit auf zehn Millionen Euro zu erhöhen. Ob dies geschehen sei und wie hoch die Aufwendungen von DFL und DFB derzeit tatsächlich seien, darüber habe man keine Erkenntnisse, sagte ein Sprecher des Innenressorts in Stuttgart. Es sei von großem Interesse für alle Beteiligten festzustellen, welche Projekte erfolgreich seien.

Strobl sieht in Fanarbeit einen „wichtigen Baustein für die Sicherheit“

Innenminister Thomas Strobl (CDU) setzte sich deshalb für den Vorschlag des Rechnungshofs ein. Die anderen Länder stimmten uneingeschränkt zu und verabschiedeten die geforderte Berichtspflicht für DFL und DFB – sehr zur Zufriedenheit von Strobl. Wenn die vereinbarten zehn Millionen Euro „richtig eingesetzt“ würden, sei dies „ein wichtiger Baustein für die Entlastung der Polizei und für die Sicherheit bei Fußballspielen“, sagte der Innenminister mit Blick vor allem auf die Fanprojekte.

Der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), Michael Gabriel, warnte die Innenminister jedoch davor, den Erfolg eines Fanprojekts an den Parametern Polizeieinsatzstunden oder Straftaten rund ums Stadion zu messen. „Das wäre ein gedanklicher Kurzschluss“, sagte er unserer Zeitung. Die Wirkung der pädagogischen Arbeit der Fanprojekte reiche weit über den Fußball und den Aspekt Sicherheit hinaus. Sie leiste „einen Beitrag zur demokratischen Erziehung und Stärkung des Selbstbilds vieler Jugendlichen“.

DFL und DFB kommentieren Beschluss der IMK nicht

DFL und DFB wollten den IMK-Beschluss nicht kommentieren. Nach Informationen unserer Zeitung sind mehrere Vertreter aber etwas irritiert über die Pressemitteilung von Strobl. Beide Organisationen investieren nach eigenen Angaben je rund fünf Millionen Euro pro Saison in Fan- und Präventionsarbeit. Die DFL zahlte für Fortbildungen für die Fanbeauftragten der 36 Bundesligavereine, vereinsunabhängige Fanprojekte, wissenschaftliche Studien zum Fanverhalten und eine Regionalkonferenz zum Thema Prävention und Sicherheit. Sie ist ein Gipfel, den DFL und DFB alle zwei Jahre veranstalten und an dem Vertreter von Clubs, Fans, Bundes- und Landespolizei sowie die Sozialarbeiter der Fanprojekte teilnehmen. Der DFB gab seinem Finanzbericht zufolge im vergangenen Jahr rund 3,8 Millionen Euro für „Sicherheit und Prävention“ und rund 1,1 Millionen Euro für „Gesellschaftliche Verantwortung“ (darunter fallen vor allem Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt und Extremismus) aus.

Mehr als die Hälfte der Gesamtsumme von zehn Millionen Euro floss in die vereinsunabhängigen Fanprojekte nach dem Nationalen Konzept Sport und Sicherheit (NKSS). Pro Angebot zahlen DFL oder DFB hier bis zu 150 000 Euro – vorausgesetzt, Land und Kommune steuern zusammen die gleiche Summe bei.

Länder und Kommunen rufen fast drei Millionen Euro Fördermittel nicht ab

In der Saison 2014/15 gaben die Fußballverbände für die damals 56 Fanprojekte nach Berechnungen der KOS rund 5,5 Millionen Euro aus. Die Länder stellten demnach 2,8 Millionen Euro bereit (250 000 Euro davon aus Baden-Württemberg), die Kommunen zahlten 2,7 Millionen Euro. Allerdings: Geht man von der maximalen Fördersumme von 150 000 Euro pro Einrichtung aus, hätten DFL und DFB sogar 8,4 Millionen Euro geben können. Länder und Kommunen riefen – weil sie die Projekte nicht maximal gegenfinanzieren konnten oder wollten – damit Fördergelder in Höhe von knapp drei Millionen Euro nicht ab.

Doch was sind die vereinsunabhängigen Fanprojekte? Es sind Einrichtungen für heranwachsende Fußballanhänger. Sozialarbeiter kümmern sich dort um die Jugendlichen und deren Anliegen. Sie helfen bei Problemen in der Schule, mit Eltern oder mit Drogen. Sie thematisieren problematisches Verhalten im Stadion wie auch im Alltag. Sie organisieren Auswärtsfahrten und veranstalten Fanturniere, Aktionen gegen Rassismus und Gedenkstättenfahrten. Und sie versuchen, Feindbilder aufzubrechen und im Spannungsverhältnis zwischen Ultras und der Polizei zu vermitteln. „Wir begleiten Jugendliche, die sich zum Fußball hingezogen fühlen, auf dem Weg in die Gesellschaft“, sagte Gabriel von der KOS, die je zur Hälfte durch das Bundesfamilienministerium und den DFB finanziert wird.

In Baden-Württemberg gibt es fünf Fanprojekte. Die Standorte sind Karlsruhe, Mannheim, Sinsheim (Hoffenheim), Freiburg und Heidenheim. In Kürze entsteht auch in Stuttgart ein solches Fanprojekt – der Gemeinderat bewilligte nun das Vorhaben, nachdem es im vergangenen Jahrzehnt mehrmals aus Kostengründen abgelehnt worden war.