Gerd Mäuser. Foto: dpa

In der Debatte um das DFL- Sicherheitskonzept fordert Club-Boss Gerd Mäuser den Dialog mit den Anhängern – Kritik an Plan für Einlasskontrollen.

Stuttgart - Der Gegenwind ist heftig – nun knickt die Deutsche Fußball-Liga (DFL) zumindest teilweise ein. Das Sicherheitskonzept, das den 36 Clubs aus der ersten und zweiten Liga vorgelegt wurde und das am 12. Dezember bei der DFL-Vollversammlung verabschiedet werden soll, ist nicht mehrheitsfähig. Das ging aus den teils heftigen Reaktionen einiger Vereine und vieler Fanvertreter hervor. Der Hauptkritikpunkt ist nicht neu – die Fans beschweren sich, dass über sie hinweg etwas entschieden werde. Dass sie nicht mit am Tisch sitzen. Dass es keinen Dialog über die angedachten Maßnahmen gibt. Folglich rudert die DFL jetzt zurück. Die Sicherheitskommission wolle sich mit Fanvertretern der Clubs treffen, hieß es. Zudem solle es eine Informationsveranstaltung für die Vereine geben.

Das ist ganz im Sinne von VfB-Präsident Gerd Mäuser. Der hatte sich darüber beschwert, dass die Anhänger bei der Entscheidungsfindung nicht dabei waren: „Das Konzept macht für uns keinen Sinn, solange die Sichtweisen der Fans nicht berücksichtigt werden.“ Mäuser fordert eine „zweite Kommission mit Fanbeauftragten der Clubs“. Man brauche ein zweites Maßnahmenpapier. „Dann sollte man das erste Konzept der DFL und das zweite nebeneinander legen und daraus ein Papier machen, mit dem beide Seiten leben können.“

Fans sollen sich vor dem Einlass ins Stadion in einem Container komplett ausziehen

Mäusers Kompromissvorschlag klingt einleuchtendend – in der Umsetzung dürfte es da weitaus schwieriger werden. Denn die Fronten sind verhärtet. Die DFL zieht unter anderem sogenannte „vollständige Körperkontrollen“ in Betracht. Im Klartext: Fans sollen sich vor dem Einlass ins Stadion in einem Container komplett ausziehen. „So etwas ist allein schon logistisch schwer umsetzbar“, sagt Mäuser. „Wir haben 8000 Stehplätze in der Cannstatter Kurve – Aufwand und Nutzen sollten da schon in einem vernünftigen Verhältnis stehen.“ Der VfB will keinen gläsernen Fan – was auch für den FSV Mainz gilt. Präsident Harald Strutz spricht Tacheles. „Natürlich kann es nicht sein, dass Personen willkürlich kontrolliert werden, vielleicht noch von Personen, die keine Schulung haben“, sagt er: „Das schürt Hass. Es geht darum, Spaß zu haben, mit Kindern zum Spiel zu gehen und sich nicht einer Gefahr ausgesetzt zu sehen.“ Auch die Arbeitsgemeinschaft Fan-Anwälte, ein Zusammenschluss von Rechtsanwälten, die regelmäßig Fans vertreten, wehrt sich vehement gegen die Körperkontrollen: „Die im DFL-Papier vorgesehenen Vollkörperkontrollen, quasi als nebenvertragliche Pflicht des Stadionbesuchers, wären wegen des intensiven Eingriffs unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.“ Dem wiederum widerspricht die DFL. Die vorgeschlagenen Maßnahmen würden so umgesetzt, dass sie mit dem geltenden Recht in Einklang stehen, sagte ein Verbandssprecher.

Neben den Vollkontrollen sieht der Entwurf unter anderem eine Ausweitung der Stadionverbote vor. Obendrein sollen die Karten-Kontingente für Gäste-Fans bei Verstößen reduziert werden. Zudem wurden die Vereine angehalten, von ihren Anhängern eine „Fan-Vereinbarung“ unterschreiben zu lassen – wer sich nicht daran hält, muss damit rechnen, bald keine Karten mehr zu bekommen. Oder auf die für die Fans so wichtigen großen Blockfahnen zu verzichten.

Viele Vereins lehnen den Maßnahmenkatalog ab

Vertreter des Zweitligisten Union Berlin sprachen von einem „Sanktionskatalog“ und einer „Kriegserklärung“ an die Fans. Auch der VfL Wolfsburg, der FC Augsburg, der FSV Mainz, Fortuna Düsseldorf, der FC St. Pauli und Hertha BSC lehnen den Maßnahmenkatalog ab. Bayern München und Borussia Dortmund stehen dahinter. VfB-Präsident Mäuser sagt, „dass wir das Konzept unterstützen – aber nur im Dialog mit den Fans. Meine Lebenserfahrung zeigt mir, dass es noch nie funktioniert hat, etwas von oben herab zu diktieren.“

Das sieht Oliver Schaal von der Ultra-Gruppierung Commando Cannstatt genauso. Schaal sitzt im gewählten Fan-Ausschuss des VfB, der die 375 Fanclubs sowie die Ultra-Gruppierungen vertritt. „Der Katalog ist jetzt nur ein weiterer Schritt der DFL. Die Politik übt Druck aus – die DFL reagiert darauf und verfällt wieder in Aktionismus “, sagt er. Die Verantwortlichen wüssten nicht wie die Fans ticken: „Die kennen oft nur die Perspektive von der Vip-Tribüne – die Sichtweise der Fans ist ihnen fremd.“

Schaal versteht die Denkweise der DFL und der Politik nicht: „Man kann doch nicht immer erzählen, dass die Fans wichtig seien und uns dann verbieten, eine Trommel oder Fahnen mit in den Block zu nehmen. Wenn dann die Ordner bei den Einlasskontrollen noch wie oft unfreundlich und misstrauisch sind, kommt man sich oft wie ein Schwerverbrecher vor.“ Die DFL und die Politik diskutieren nicht mit den Anhängern: „Alles wird von oben herab entschieden.“

„Wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir überlegen müssen, ob zukünftig Spiele ohne Gäste-Fans stattfinden oder verschoben werden müssen“

Genau diesem Vorwurf will der Dachverband der Bundesliga nun offenbar entgegen treten. Die DFL will auf die Fans zugehen – das dürfte aber auch aus Eigeninteresse erfolgen. Denn die DFL will unter allen Umständen vermeiden, bei der Vollversammlung am 12. Dezember eine Niederlage bei der Abstimmung über das Maßnahmenpapier einzustecken. Das Ziel ist weiter ein einstimmiger Beschluss.

Andernfalls könnte die Politik sich der Thematik annehmen und an der DFL, den Vereinen und den Fans vorbei strenge Sicherheitsmaßnahmen einleiten. Innenminister Hans -Peter Friedrich (CSU) ist ohnehin ein Hardliner – die Aussagen von Lorenz Caffier, (CDU) dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, sprechen obendrein Bände: „Geredet ist genug, jetzt müssen Taten folgen.“ Im Zuge der jüngsten Fan-Auseinandersetzungen am Rande des Revierderbys zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke mit 200 Festnahmen fordert der Dortmunder Polizeipräsident Norbert Wesseler drastische Maßnahmen: „Wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir überlegen müssen, ob zukünftig Spiele ohne Gäste-Fans stattfinden oder verschoben werden müssen“, sagt er: „Und als letzte Möglichkeit drohen Geisterspiele, wenn Vereine und Fans nicht endlich handeln.“