Abwechslung muss sein: Nachdem Thomas Müller auf dem Rasen bisher nicht ins Tor getroffen hat, versucht er nun, beim Golf einzulochen. Foto: AP

Die Nationalelf gönnt sich vor dem Achtelfinale einen freien Tag, den haben ein paar Spieler bisher während des gesamten Turniers. Fünf Feldspieler sind im deutschen Team bisher nicht zum Einsatz gekommen – sie sollen sich aber nicht wie Touristen fühlen.

Evian - Der Sommer ist in den Osten Frankreichs gekommen, nur vorübergehend zwar, aber zum richtigen Zeitpunkt. Dem Spaß und dem Müßiggang gehört der strahlend schöne Donnerstag am Genfer See, an dem der Bundestrainer Joachim Löw seinen Spielern freigegeben hat. Bastian Schweinsteiger genehmigt sich ein Eis an der Uferpromenade, bevor er mit Thomas Müller eine Runde Golf spielt. Jerome Boateng erkundet den Hafen von Evian, während sich andere nebenan im Freibad auf dem Beachvolleyballfeld duellieren. Zumindest für einen Tag also dürfen sich die deutschen Fußball-Nationalspieler als das betrachten, was die meisten Besucher des Kurorts am Rande der französischen Alpen sind: Urlauber.

Niemand wird ansonsten behaupten können, die Auswahl des Weltmeisters würde in ihrem EM-Basislager nicht gewissenhaft ihrer Arbeit nachgehen. Sie trainiert, analysiert, probt den Ernstfall und fliegt gemeinsam zu den Spielen. Drei Partien liegen schon hinter ihr, mit dem Achtelfinale gegen die Slowakei geht das Turnier am Sonntag (18 Uhr) in Lille in seine entscheidende Phase. Doch gibt es innerhalb des 23-Mann-Kaders eben auch jene Fraktion von Spielern, die bisher nicht zum Einsatz gekommen sind und zumindest teilweise damit rechnen müssen, dass sich daran auch nicht mehr viel ändern wird. Nicht allein an freien Tagen, so sagen Spötter, seien sie so etwas wie Touristen.

Es hat sie bei großen Turnieren immer gegeben, die Spieler, die vergeblich darauf gewartet haben, wenigstens eingewechselt zu werden. Als Vater aller Bankdrücker muss seit der WM 1990 Günter Hermann herhalten, obwohl damals neben den Ersatztorhütern auch Frank Mill und Paul Steiner ihr Können nur im Training zeigen durften. Bei der WM 2014 in Brasilien saßen Matthias Ginter und Erik Durm sieben Spiele lang auf der Ersatzbank; Kevin Großkreutz stand in der Verlängerung des Endspiels immerhin schon einwechselbereit am Spielfeldrand, ehe es doch keinen Bedarf an seiner Mithilfe gab. Sie alle können sich damit trösten, sich trotzdem auf Lebzeiten Weltmeister nennen zu dürfen.

Löw: Jeder muss „in Alarmbereitschaft sein“

Dass es in der Nationalmannschaft keine Stammspieler mehr gebe, das hatte Joachim Löw bereits vor der WM in Brasilien gesagt. Jeder einzelne müsse „in jeder Sekunde in Alarmbereitschaft sein“, erklärte der Bundestrainer und führte den Begriff „Spezialkräfte“ ein, die den Gegner „empfindlich treffen können, wenn er müde wird“. Auch vor der EM in Frankreich verwies Löw auf die Bedeutung eines breiten Kaders: „Wir brauchen bei diesem Turnier zwei Mannschaften, um erfolgreich zu sein.“

So viel Auswahl, so scheint es, wird nicht zwingend nötig sein. Acht deutsche Spieler standen in allen drei Partien in der Startelf. Im zweiten Spiel gegen Polen kehrte der zuvor angeschlagene Mats Hummels für Shkodran Mustafi zurück, gegen Nordirland nahmen Joshua Kimmich und Mario Gomez die Plätze von Benedikt Höwedes und Julian Draxler ein. Wenn sich keiner verletzt oder gesperrt ausfällt, wird Löw seine Mannschaft auch weiterhin aus diesem Kreis rekrutieren, zu dem noch Kapitän Bastian Schweinsteiger gehört und womöglich auch der junge Leroy Sané, die Geheimwaffe im Angriff.

Sorg lobt Reservisten

Bislang befindet sich der Schalker nur in Habachtstellung, genau wie Jonathan Tah, Emre Can, Julian Weigl und Lukas Podolski, der sich mit dieser Rolle besonders gut auskennt. Macht in Summe fünf Feldspieler ohne Einsatzminuten, die trotzdem das Gefühl haben sollen, nicht nur dabei, sondern mittendrin zu sein. Der Assistenzcoach Marcus Sorg verteilt daher „ein dickes Lob“ an die Riege der Reservisten: „Als Trainer geht einem das Herz auf, wenn man sieht, wie sich diese Spieler reinhauen.“ Es sei beruhigend zu wissen, „dass man aus einem größeren Pool bedenkenlos auswählen kann“.

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So etwas wie Frust sei bisher nicht aufgekommen und auch künftig nicht zu erwarten, berichtet Thomas Schneider, der andere Assistent des Bundestrainers: „Wir müssen die Jungs nicht bei Laune halten. Sie wissen, dass sie eine große Wertschätzung bei uns erfahren und wichtig für den Teamerfolg sind.“ Sie alle könnten noch zum Einsatz kommen, ergänzt Sorg – „und wenn im letzten Spiel einer 30 Sekunden spielt und so gut vorbereitet ist, dass er den Ball noch von der Linie kratzt und das zum Sieg reicht, ist alles gut“.