Die Dexys Midnight Runners 1980 in Birmingham. Frontsänger Kevin Rowland ist als fünfter von links zu sehen. Foto: Redferns

Aus Versehen haben sich die Dexys Midnight Runners vor 30 Jahren mit „Come On Eileen“ sogar mal in die deutschen Charts verirrt. Dass die Band um Kevin Rowland mehr zu bieten hat als diesen Hit, beweist das Live-Album „Nowhere Is Home“.

Gerade als man denkt, dass dieser überkandidelte Soulsänger namens Kevin Rowland nun doch etwas übertreibt, ein bisschen zu oft jauchzend, schluchzend, jammernd, stöhnend seine Liebe beteuert hat, verwandelt sich das Lied „I’m Always Going To Love You“ von einer Romanze in eine Farce. Als Rowland in dem Soul-Singspiel endlich seine Duettpartnerin Madeleine Hyland herumkriegt, legt der Song prompt eine Kunstpause ein, und Rowland bekennt, dass er es sich anders überlegt hat, dass er sie doch nicht für immer lieben kann und will. Während die Streicher einfach weiterjubeln, die Wah-Wah-Gitarre zappelt, die Bläser zucken, wird man Zeuge eines ulkig-böse eskalierenden Beziehungsdramas.

Der Song „I’m Always Going To Love You“ setzte den dramatischen Höhepunkt des Albums „One Day I’m Going To Soar“, mit dem Rowlands Band, die Dexys Midnight Runners, 2012 ein Comeback feierte. Was für eine aberwitzige Theatralik der Song live entwickelt, führt jetzt die Live-CD-Box „Nowhere Is Home“ vor.

Es ist eine grobe Missachtung der Realitäten, dass diese stets stilsichere Band zuletzt vor allem auf Alben wie „One Hit Wonder der 80er“ anzutreffen war. Zwar stimmt es, dass es die Dexys nur mit „Come On Eileen“ in die Top Ten der deutschen Charts schafften. Das Gesamtwerk, das Rowland seit der Bandgründung im Jahr 1978 in Birmingham zusammengetragen hat, ist aber so sensationell gut, dass es sehr schmerzt, wenn die Combo zwischen Tiffany und Technotronic eingeordnet wird.

Schließlich setzten die Dexys schon mit ihrem Debüt „Searching For The Young Soul Rebels“ 1980 Maßstäbe, indem sie New Wave und Soul vermanschten und mit dem aufmüpfigen „Geno“ zumindest in Großbritannien bereits einen ersten Nummer-eins-Hit hatten. Rowland, der sich damals durchaus in der Tyrannenrolle gefiel, holte 1982 dann für das Erfolgsalbum „Too-Rye-Ay“ neben Bläsern auch Streicher ins Studio, zwang der Band einen Latzhosen-Look auf und irrte schließlich mit „Come On Eileen“ durch die Charts.

Wer bisher nur diesen Hit kennt, dem bieten die drei Live-CDs (eine Doppel-DVD gibt es auch) einen wunderbaren Einblick in das eigentliche Schaffen der Dexys Midnight Runners, die jetzt nur noch Dexys heißen. Zusammen mit Musikern wie Mick Talbot (The Style Council) inszeniert Rowland betörend soulig und exzentrisch ein romantisches Durcheinander, scherzt, schmachtet, seufzt, säuselt, während er sein Gesamtwerk – von „Geno“ über „The Waltz“ bis „This Is What She’s Like“ – vor einem ausbreitet.