Das historische Bauhaus-Ensemble in Dessau. Foto: dpa

Dessau war einmal das Zentrum der Avantgarde. Am Bauhaus wurden vor fast 90 Jahren das Design und die Architektur revolutioniert. Bis heute wirkt diese experimentelle Hochschule verblüffend zeitlos.

Dessau - Das Abschlusszeugnis des Absolventen Konrad Püschel liegt in einer Vitrine. Das 21. Bauhaus-Diplom stammt aus dem Jahr 1930 und ist unterschrieben von „direktor mies van der rohe“. Die Kleinschreibung gehört zum Programm: Die Lehre am Bauhaus umfasste sämtliche Lebensbereiche, auch die Rechtschreibung. Püschel ist von Marcel Breuer in der Tischlerei unterrichtet worden. Aktzeichnen stand bei Paul Klee auf dem Stundenplan, das Fach Material und Raum gab Laszlo Moholy-Nagy, Figurenzeichnen lernte Püschel bei Oskar Schlemmer. Das Diplom liest sich wie ein Who’s who der Moderne. Für eine kurze Zeit, von 1926 bis 1932, versammelte sich am Bauhaus in Dessau die Avantgarde von Architektur, Malerei und Gestaltung. Sie machten das Bauhaus zum Experimentierlabor der Moderne.

Alle Künste sollten hier vereint werden, die Schranken zwischen Architektur und Handwerk aufgehoben, das soziale Leben neu gestaltet werden. So lautete das vollmundige Programm des Gründers und ersten Direktors Walter Gropius. Die Lehre fand dementsprechend nicht im Hörsaal, sondern in den Werkstätten für Fotografie, Schreinerei oder Weberei statt oder auf der Bühne. Im Bauhaus wurde die Ästhetik neu gedacht und das moderne Design erfunden: Die Wilhelm-Wagenfeld-Leuchte oder der Stahlrohr-Clubsessel B3 von Marcel Breuer sind dort in Serie gegangen.

120 000 Besucher kommen im Jahr ins Bauhaus

Die Studenten und ihre Meister arbeiteten nicht nur zusammen, sondern feierten auch gemeinsam. Zur Legende wurden nicht nur die Entwürfe, sondern auch die Partys. Im Untergeschoss hängen Bilder, die Zeugnis abgeben von den fröhlichen Mottopartys. Dort liegt auch das Zeugnis in einer Vitrine. Das Bauhaus heute ist eine Mischung aus Wallfahrtsort, Museum und Miniatur-Hochschule. 120 000 Besucher kommen im Jahr ins Bauhaus, ein Drittel mehr als die Stadt Dessau Einwohner hat. Das Bauhaus hat die Anmutung, als sei es gestern erst geschlossen worden. Die Restauratoren haben seit den 90er Jahren ganze Arbeit geleistet. Der gläserne Vorhang, eine Art vorgehängte Glasfassade, spiegelt sich in der Sonne, die Balkone am Prellerhaus, dem Studentenwohnheim, stehen in Reih und Glied wie eh und je, und im Direktorenzimmer würde es einen nicht wundern, wenn Walter Gropius gleich eintreten würde. Die grauen Einbauschränke sind zwar leer, doch auf dem Holztisch steht ein Telefon.

Darüber ist die Decke eingeschnitten und signalisiert in hellem Gelb: Achtung, hier sitzt jemand Wichtiges. Die Geländer leuchten rot, genauso wie manche Türen, die Leuchtröhren in der Aula bilden in ihrer Vielzahl ein Gesamtkunstwerk, die Heizkörper als technische Errungenschaft sind hoch an der Wand wie Gemälde ausgestellt. In der Mensa kann man heute wie früher an langen weißen Tischen auf Stahlrohr-Hockern sitzen. Und selbst wohnen kann man wie weiland Konrad Püschel im Studentenwohnheim: Dessen Zimmer stehen heute nostalgisch gestimmten Übernachtungsgästen offen. So groß, so lichtdurchflutet, so sparsam möbliert - im Sommer leider auch so heiß wie damals. Für eine Reise in die Vergangenheit braucht man am Bauhaus nicht viel Fantasie. „Wollen Sie ins Zentrum, oder wollen Sie was sehen?“

85 Prozent der Bausubstanz wurden im Krieg zerstört

Die Taxifahrerin bringt das Dilemma auf den Punkt. Der Ort, an dem sich die Moderne erfunden hat, ist heute eine urbane Brache. 85 Prozent der Bausubstanz von Dessau wurden im Krieg zerstört, den Rest hat die Plattenbauwut erledigt. Damals eine aufstrebende Industriestadt mit Ambitionen, heute ein Ort ohne Mitte. Dann doch lieber dem Bauhaus auf der Spur bleiben. In Dessau konnte Gropius dank dem finanziellen Engagement der Stadt nicht nur eine Hochschule nach seinen Vorstellungen bauen, sondern auch den Lehrkörper in eigens von ihm entworfenen Villen ansiedeln: drei Doppelhäuser für „Meister“ der Werkstätten wie Klee, Schlemmer, Kandinsky, Moholy- Nagy, eine große Einzelvilla für den Direktor. Die Gropiusvilla existiert nicht mehr und ist doch wieder da.

Ein abstrakter „Erinnerungsbau“ steht seit 2014 anstelle des Direktorenbaus. Die Proportionen des weißen Kubus sind gleich, doch statt Fenstern gibt es nur blinde Flächen. Eine Chiffre, keine Rekonstruktion. Die Meisterhäuser sind dagegen zum größten Teil restauriert und überraschend bunt. In Kandinskys Wohnzimmer glänzt es golden, ein Zimmer ist rosa. Am größten sind die Ateliers: Dort, hinter den riesigen Glasflächen, hat Gropius die Meister quasi für die Dessauer ausgestellt. „In Dessau ist die Mauer früh gefallen und wurde kürzlich wieder aufgebaut“, sagt Oliver Schwedt, kundiger und mit trockenem Humor ausgestatteter Führer. Der dritte und letzte Direktor am Bauhaus, Mies van der Rohe, umgrenzte 1932 die Direktorenvilla mit einer Mauer und integrierte darin einen kleinen Kiosk.

Nach nur einem Jahr, als die Nazis den Geist des Fortschritts und seine Protagonisten vertrieben, wurde alles wieder abgerissen. Im Mai vergangenen Jahres wurde die Mauer aus Sichtbeton wieder hochgezogen, zur Freude der Sprayer, zum Unverständnis der Bürger. „Wie kann man im Osten bloß eine Mauer bauen“, fragte sich nicht nur die Taxifahrerin. Man kann - als eine von vielen Rekonstruktionen, die eine wegweisende Epoche wieder sichtbar machen.

Design und Wein an der Elbe

Bauhaus
Dessau Das Gebäudeensemble ist täglich von 10 bis 17 geöffnet, Eintritt 7,50 Euro, ein Besuch der Meisterhäuser kostet ebenfalls 7,50 Euro. Reservierungen für die Übernachtung im ehemaligen Studentenwohnheim unter unterkunft@bauhaus-dessau.de, eine Nacht kostet im Doppelzimmer mit Etagendusche und Toilette ab 55 Euro.

Auf der Internetseite www.bauhaus-dessau.de sind zahlreiche Infos zur Geschichte des Bauhauses zu finden, ebenso zu den anderen Bauten von Bauhaus-Architekten in Dessau. Ernüchternd, aber auch erhellend ist ein Besuch der Siedlung Törten in Dessau, die ebenfalls von Gropius geplant wurde. Nur ein Haus der insgesamt 316 Arbeiterhäuschen gleicht noch dem Original, die anderen haben durch Umbauten der Eigentümer mehr mit Baumarkt als mit Bauhaus zu tun.

Essen und Trinken
Das Restaurant Kornhaus, gebaut 1930 vom Bauhaus-Architekten Carl Fieger, befindet sich direkt an der Elbe und ist am Abend eine elegante Bühne für dramatische Sonnenuntergänge bei guter Küche. www.kornhaus-dessau.de

Sächsische Weinstraße
Die Sächsische Weinstraße ist 55 Kilometer lang und erstreckt sich von Pirna über Dresden-Pillnitz, Radebeul und Meißen bis Diesbar-Seußlitz.

Anreise
Radebeul erreicht man aus Richtung Berlin über die A 13, aus Westen über die A 14, aus Süden über die A 72. Mit dem ICE/RE von Stuttgart nach Radebeul (Fahrzeit etwa 7 Stunden), www.bahn.de ; Radebeul und Meißen sind von Dresden aus auch per S-Bahn und in der Saison per Elbdampfer erreichbar.

Unterkunft
In Radebeul: Hotel Goldener Anker, DZ/F 90-99 Euro, www.goldener-anker-radebeul.de

Bei Meißen: Lippesches Gutshaus in Zadel, DZ/F ab 85 Euro, www.schloss-proschwitz.de

In Diesbar-Seußlitz: Ulrichs Weindomizil, Pension DZ/F ab 72,50 Euro, www.ulrichs-weindomizil.de

Besuche und Führungen
Im Weinbaugebiet Sachsen laden ca. 30 Güter zu Weinverkostungen, Weinberg- und Kellerführungen sowie Hoffesten ein. Darüber hinaus bieten zertifizierte Weingästeführer Weinwanderungen an.

Schloss Wackerbarth: täglich diverse Führungen und mehr als 200 Veranstaltungen im Monat, www.schloss-wackerbarth.de

Goldener Wagen: Führungen mit Thomas Teubert, 4 Stunden, 15 Euro pro Person, www.goldenerwagen.de

Der Erlebnisführer „Kultur, Natur und Genuss“ und Detailkarten zum Sächsischen Weinwanderweg sind erhältlich beim Tourismusverband Sächsisches Elbland, Tel. 0 35 21 / 7 63 50, www.elbland.de