Die „Alexander von Humboldt“ hat gigantische Ausmaße. Sie ist fast 400 Meter lang und hat 16 Meter Tiefgang. Foto: dpa

Die „Alexander von Humboldt“ gehört zu den größten Containerschiffen der Welt. Der Pott aus Stahl nimmt auch Passagiere mit auf große Fahrt.

Hamburg - Hamburg, Containerterminal Burchardkai: vom Shuttlebus abgesetzt vor einer monströsen Wand aus Stahl. Den Kopf im Nacken wie in der ersten Kinoreihe, die Blicke nach oben, nach rechts, nach links. Zu sehen: sehr viel Schiff, denn hier hat ein schwimmender Koloss festgemacht. Irgendwo da oben liegt das Oberdeck. Dort hinauf? Ja, dort hinauf! Die nicht enden wollende Gangway scheppert und schwingt mit jedem Fußtritt. Runtergucken? Jetzt besser nicht. Oben angekommen, ist das kleine Abenteuer überstanden.

Eintrag ins Logbuch, Unterschrift, Ablieferung des Reisepasses. Willkommen an Bord der „Alexander von Humboldt“! Hier am Burchardkai wurde das Schiff 2013 auf den Namen des berühmten deutschen Forschungsreisenden getauft. CMA CGM, die drittgrößte Reederei der Welt, hatte reichlich Ehrengäste geladen, spendierte den Hamburgern ein fulminantes Feuerwerk und Globetrottern auf der Suche nach Außergewöhnlichem fünf Passagierkabinen. Denn mit Stellplätzen für 16 020 Standardcontainer (TEU) war das Schiff zu diesem Zeitpunkt das größte der Welt. Inzwischen sind zwar Megafrachter mit noch mehr TEU in Fahrt - aber ohne Mitreisemöglichkeit. Passagiere könnten „auf einem wahren Giganten der Meere eine einzigartige Erfahrung machen“, so die französische Reederei. Das wollen auch Beatrice und Markus aus Bern.

Die beiden Weltenbummler lieben das Extreme, fuhren schon mit dem Motorrad quer durch Afrika und haben sich nun gezielt die „Alexander von Humboldt“ (AvH) ausgesucht - getreu dem Motto „je größer, umso besser“, sagt Beatrice und grinst. Am Tag vor der Einschiffung haben sie ihr Feriendomizil schon mal bei einer Hafenrundfahrt inspiziert. An Bord gehen die Blicke nun ganz tief nach unten zu den Barkassen, die vorbeikommen. „Wahnsinn“, entfährt es Markus, „wie im Miniatur-Wunderland.“ Zwei Tage liegt das Schiff am Terminal, nachdem es bei seiner Ankunft mühsam mitten auf der Elbe gedreht und rückwärts „eingeparkt“ werden musste.

5500 Container gelöscht und geladen

Pausenlos schweben seitdem die bunten Blechboxen hin und her. Zum Einsatz kommen dabei Containerbrücken, deren gewaltige Ausleger von 74 Metern das Schiff überspannen können. Bei diesem Besuch in der Hansestadt werden 5500 Container gelöscht und geladen, dann geht es kurz nach Mitternacht und mit der Flut die Elbe abwärts Richtung Nordsee.

Der Revierlotse erklärt den Gästen die Dimension Schifffahrt, die sie nun bis Malta miterleben können. Einen Kilometer vorauslaufen würde die vom Schiff ausgelöste Bugwelle, und der Bremsweg betrage mehrere Kilometer. Wolle ein kleines Feederschiff überholen, würde es vom Sog des Hünen aus Stahl regelrecht angesaugt und unweigerlich ins Trudeln geraten. Unterwegs mit einem Containerboliden: die „AvH“ ist 396 Meter lang und damit 36 Meter länger als das größte Kreuzfahrtschiff der Welt. Mit 53,6 Metern fast so breit wie das Brandenburger Tor entspricht das insgesamt der Größe von vier Fußballfeldern.

Aufrecht hingestellt, würde das Schiff das Empire State Building überragen. Es hat einen maximalen Tiefgang von 16 Metern und kann mit so viel Containern beladen werden, die hintereinandergereiht eine Strecke von Hamburg bis Kiel ergeben würden und in die - theoretisch - 192 Millionen Jeans gepackt werden könnten. Sogar die Unterbringung der Passagiere erfolgt im XXL-Format. Die großzügig ausgestatteten Apartments - hier wie in der Seefahrt üblich von „Kammern“ zu sprechen wäre lächerlich - sind auf dem zweitobersten Deck untergebracht.

Sie gewähren grandiose Blicke auf Vorschiff und Meer wie von einem Aussichtsturm. Passagieren steht ein Aufenthaltsraum mit Fernseher und CD-Player zur Verfügung, außerdem eine Minibibliothek, ein Fitnessraum und ein Swimmingpool auf dem A-Deck. Gegessen wird in der Offiziersmesse: abwechslungsreich zubereitet vom philippinischen Koch Tim-Tim Edgar (49), jeden Tag vornehm mit Menükarte serviert vom „Messboy“ Robas Jayson (31). Bordsprache ist Englisch. Kapitän Slavko Malsic (58) ist auf dem Weg nach Rotterdam bester Laune. Noch drei Häfen, dann endet seine Zeit an Bord erst einmal wieder. Als erster Offizier angefangen habe er auf einem 750-TEU-Schiff, erzählt Malsic, „also auf einer Luftmatratze“ fügt er schmunzelnd hinzu. Da schwingt berechtigter Stolz mit, es zum Kommando auf solch einem Riesen gebracht zu haben.

Für eine komplette Rotation an Bord

Elf Wochen Pause warten auf den Kroaten, exakt so lange, wie die nach Asien eingesetzten Schiffe für einen Rundkurs benötigen. Es sei der weltweit längste „Loop“, betont die Reederei. Wieder ein Superlativ. Wer genügend Zeit und Geld hat, kann für eine komplette Rotation an Bord gehen. Aber auch Teilstrecken wie die nach Malta in zwölf Tagen sind buchbar. Die Zeit reicht allemal, um die faszinierende Welt hektischer Containerterminals, beeindruckende Revierfahrten wie durch die Meerenge von Gibraltar mit Delfinen und Walen, schwierige nautische Manöver und schließlich den stressreichen Arbeitsalltag der Seeleute an Bord hautnah kennenzulernen.

So macht die „AvH“ in Rotterdam am hypermodernen, fast voll automatisierten Euromax-Terminal fest, wo Lade- und Löschvorgang wie von Geisterhand erfolgen. Im engen Hafen von Zeebrügge wird das Schiff wie ein rohes Dinosaurier-Ei um 90 Grad gedreht - stundenlange Zentimeterarbeit mit Unterstützung von gleich drei Schleppern. Spannung pur. In Le Havre wird das Schiff sechs Stunden lang betankt, mit Schläuchen groß wie Pipelines.

Auch wenn Passagiere beim Einschiffen auf dem Frachter eine komplett animationsfreie Zone betreten: Langweilig wird es ihnen nicht. Sie genießen das Treiben von ihren Logenplätze auf dem Brückendeck in über 50 Meter Höhe. Sogar eine der bei Seeleuten so beliebten Barbecue-Partys mit Spanferkelbraten wird irgendwo im Mittelmeer ausgerichtet, und kurz vor Malta lädt dann auch noch „Chief“ Vitomir Cukrov (55) zum Besuch in sein Reich, in das man nur durch einen endlos langen Tunnel unterhalb der Containerberge gelangt.

Der Kroate ist Herr des Maschinenraums. Hier hämmert dumpf und laut wie in einem Hard-Rock-Café das Herz des Schiffes, ein Motor mit 108 000 PS. Seine Schubleistung von zehn Airbus A380 benötigt 160 Tonnen Schiffsdiesel pro Tag. Am Tag, nachdem die Passagiere in Malta von Bord gegangen sind, macht sich die „AvH“ auf ihren Weg nach Asien - und ihre Gäste werden zu Hause von einem unvergesslichen Besuch in einem anderen Kosmos zu erzählen haben.

Von Hamburg nach Malta

Anreise
Frachtschiffe wie die „Alexander von Humboldt“ werden zwar im Liniendienst eingesetzt, der exakte Zeitpunkt für die Einschiffung steht aber erst ein, zwei Tage vorher fest. Bei einer Abfahrt aus Hamburg empfiehlt sich deshalb eine Anreise mit dem Zug oder einem umzubuchenden Flugticket. Das gilt auch für die Rückreise aus Malta: Verbunden mit einem Kurzurlaub auf der Insel und/oder flexiblem Rückflug gibt es keinen Stress.

Veranstalter
Nur wenige Spezialagenturen vermitteln Reisen auf Frachtschiffen. Die „Alexander von Humboldt“ und ihr Schwesterschiff „Marco Polo“ haben im Programm: Frachtschiff-Touristik Kapitän Zylmann; Mühlenstraße 2, 24376 Kappeln; Telefon 0 46 42 / 9 65 50, www.zylmann.de , oder Hamburg Süd Frachtschiffreisen; Domstraße 21, 20095 Hamburg; Telefon 0 40 / 37 05 24 91, www.hamburgsued-frachtschiffreisen.de

Beide Schiffe bieten je fünf Doppelkabinen zwischen 25 und 39 Quadratmeter Größe zu 110 Euro pro Tag inkl. Vollverpflegung. Es können der gesamte Rundkurs (77 Tage) sowie Teilstrecken auf der Route Hamburg-Rotterdam- Suezkanal-Hongkong-Suezkanal-Tanger-Southampton-Hamburg gebucht werden. Die kürzeste buchbare Strecke ist die von Hamburg nach Malta. Vorzulegen ist ein ärztliches Attest, das den für eine Reise ohne Arzt an Bord erforderlichen Gesundheitszustand bescheinigt.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sollten Sie die Chance nutzen, Seefahrt und Mannschaft hautnah mitzuerleben - und mit sich selbst klarkommen zu müssen. Seien Sie neugierig, den Arbeitsalltag der Crew kennenzulernen.

Auf keinen Fall sollten Sie viele Landgänge erwarten, die sind nur eingeschränkt möglich.