Steinalt und geschichtsträchtig: Seit 2006 gehört die Altstadt von Regenburg zum Unesco-Weltkulturerbe. Foto: Stadt Regensburg

Regensburg hat Nordeuropas größte und besterhaltene Altstadt: Mit der weltweit wohl ältesten Bratwurstbude und coolsten Bars in Gewölben.

Regensburg - Diese Finger haben Mumm! Flink klemmen sie ein Büschel schwarzes Rosshaar in die Schlaufe eines Metalldrahts und ziehen beides durchs stecknadelkopfgroße Loch eines Buchenholzes. Zwei-, dreimal nachzurren, schon sitzt die nächste Borste an der Bürste. „Dös wird oan Hirtenstab“, erklärt Waltraud Ernst. Der Hirtenstab dient aber nicht dem Schäfer, sondern hilft beim Hausputz. In knapp einer Stunde hat Waltraud Ernst den praktischen Helfer fertig - ohne Maschinen. So hat’s schon Großvater Peter gemacht, der Gründer von Bürsten Ernst. Von ihm stammen noch die gut 100 Jahre alten Regale. Darin lagert alles, was schrubbt, poliert und kämmt: Bürsten zum Säubern von Pilzen, Weihwasserpinsel oder Ziegenhaar-Staubwedel. Ein Haushaltswarenladen aus der Bohnerwachs-Ära, der auch heute noch prima in Regensburgs Altstadtgassen-Labyrinth passt.

Wer hier in der Glockengasse 10 aufs Kopfsteinpflaster tritt, dessen Blick bleibt schnell hängen an Torbögen, schräg gen Himmel strebenden Fassaden mittelalterlicher Stadtpalais und Türmen mit Zinnen. Sie sind die Überreste Regensburger Protz-Architektur: Kaufleute zeigten bis zum 14. Jahrhundert ihren Stein-Reichtum; die immer höher in den Himmel wachsenden Quader waren Statussymbole. So entstand ein beeindruckendes Mittelalter-Manhattan: Regensburg war damals mit 20 000 Einwohnern eine der größten Städte Europas, imposant und reich genug, um 1135 „de Stoarnerne“ zu bauen - die erste steinerne Donaubrücke, Vorbild für Prags Karlsbrücke und bis heute Wahrzeichen Regensburgs.

„Bitte nicht berühren“-Verbotsschildern

Regensburgs Altstadt ist aber keineswegs ein Freilichtmuseum mit „Bitte nicht berühren“-Verbotsschildern, sondern ein geschichtsträchtiges Terrain, das fast an jeder Ecke Geschichten mit Link in die Gegenwart erzählt: In der Wurstkuchl sollen schon die Erbauer der Steinernen Brücke „Sechs auf Kraut“ bestellt haben, ergo firmiert die verräucherte, geduckte Steinbude mit Butzenscheiben und Holzbänken für 30 Gäste heute als ältester Imbiss der Welt. Auch zwei bekannte Redewendungen haben ihren Ursprung in Regensburg. 1663: Im Tanzsaal des Rathauses spielte man Europäische Union. Aus Fürstentümern und Städten, von Kaiser und Kirche kamen gut 300 Gesandte zum Immerwährenden Reichstag, tanzten viel und entschieden wenig, denn Akten über strittige Fragen „schoben sie auf die lange Bank“.

Bei Führungen ist das Möbelstück zu besichtigen. Zudem taten sie, was man Ratsherren auch heute noch nachsagt, „Geld aus dem Fenster werfen“: drei, vier Münzen runter ins Volk. An der Prügelei unterm Fenster ergötzten sich dann die Gesandten. Eine Vertreterin des Adels ist heute noch da: Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, nicht mehr so schrill wie einst, aber bisweilen auf einem Mofa durch die Altstadtgassen knatternd, lädt im Juli zu Schlossfestspielen und im Dezember zum Weihnachtsmarkt auf Schloss Emmeran. „Am Wochenende ruft Gloria manchmal bei uns an“, erzählt Robert Nuslan, „wenn sie rasch einen neuen Hut braucht.“ Dann fährt er mit Bruder Andreas und einer Kollektion aufs Schloss. 12 000 Zylinder, Bowler, Schlapp- oder Sonnenhüte, die meisten handgefertigt in der eigenen Manufaktur, hat Robert Nuslan in seinem Laden am Dom.

Hutkönig heißt er und ist noch so ein Beispiel für vitales, altes Handwerk, das in Regensburg ganz ohne musealen Rettungsschirm floriert, sicher auch wegen so einiger Promi-Kunden. Ob Johnny Depp oder Papst Benedikt, Jan Josef Liefers oder Alice Schwarzer - der Hutkönig hat für jeden Kopf den passenden Deckel. „Wer zu spät kommt, den belohnt das Leben“, diesen leicht verbogenen Gorbatschow-Klassiker hört in Regensburg oft, wer fragt, warum hier mehr als 1000 denkmalgeschützte Gebäude, Plätze und Innenhöfe mit warmen, italienischen Pastell-Fassaden auf einem Fleck erhalten sind. Die Antwort darauf im Klartext: Ab dem 15. Jahrhundert verarmte die Stadt, hatte jahrhundertelang kein Geld, um den mittelalterlichen Kern zu modernisieren. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert machte einen weiten Bogen um Regensburg, somit wurde sie im Zweiten Weltkrieg auch nicht zerstört.

Frisch und cool dank 20.000 Studenten

Ewig kam Regensburg zu spät, nach dem Kriege wieder: Es war kein Geld da, um Stadtautobahn-Schneisen, Stahlbeton-Mietskasernen oder andere Stadtplaner-Albträume zu verwirklichen. Die Altstadt verrottete, bis engagierte Bürger und Denkmalschützer sie in den siebziger Jahren endlich sanierten. Eine Initialzündung dafür war die Gründung der Uni, mit Spätfolgen bis heute: Sie brachte nicht nur kreative Köpfe in die Stadt, sondern auch Unternehmen wie Siemens, BMW, Infineon und mehrere Hundert Firmen der IT-Branche. 20 000 Studenten sorgen heute dafür, dass die steinalte Stadt gar nicht alt aussieht, sondern frisch und cool.

Gotische Kreuzrippen überwölben Modeläden, Restaurants und Bars. Die Spaghetteria in der gotischen Kapelle eines Ex-Patrizierhauses hat Goldfische im Taufbecken und das Büfett auf dem Altarstein. In der Bar Blue Monkey Room lehnt man lässig an Säulen und schlürft Cocktails. Nebenan, in der Brasserie Dombrowski, gilt: Die besten Partys sind unterirdisch, denn hier legen DJs in zwei Gewölbekellern auf. Weitere Bars und Kneipen sind nicht weit entfernt. Nicht nur Partygänger wissen, in Regensburgs Altstadt gibt’s nur zwei Zeiteinheiten, um von A nach B zu kommen: knapp fünf Minuten oder gut fünf Minuten.

Infos zu Regensburg

Anreise
Regensburg-Tourismus bietet vergünstigte Bahntickets im Paket mit Übernachtungen in Hotels der Stadt, ab 54 Euro mit Bahncard, ohne ab 69 Euro, www.regensburg.de/tourismus .

Übernachten
Das Hotel Blauer Turm befindet sich in einem alten Patrizierhaus und hat mittelalterliche Themenzimmer - von Zofe bis Minnesang -, cool-modern interpretiert, Tändlergasse 14, DZ ab 125 Euro, Tel. 09 41 / 5 84 40, www.blauerturm-regensburg.de.

Solide und günstig: Das Hotel zum Fröhlichen Türken heißt nach dem ersten Besitzer Türk, einem lustigen Regensburger Original, Fröhliche-Türken-Straße 11, DZ ab 86 Euro, Tel. 09 41 / 5 36 51, www.hotel-zum-froehlichen-tuerken.de

Erleben und Einkaufen
Regensburg-Tourismus bietet verschiedene Stadtführungen an, zum Beispiel durch die Räume des Immerwährenden Reichstages oder Rundgänge mit Schauspiel oder in Mundart, www.regensburg.de

Den Laden Hutkönig findet man am Krauterermarkt 1, Tel. 09 41 / 5 18 40, www.hutmacher.de.

Die Prinzess Confiserie kredenzte dem Immerwährenden Reichstag ab 1686 ein Konfekt-Tischchen und kreiert auch heute noch Pralinen wie Regensburger Domspitzen, Urknaller oder Kesse Gloria, Rathausplatz 2, Tel. 09 41 / 59 53 10, www.cafe-prinzess.de.

Essen und Trinken
Im Brauhaus Kneitinger trinkt man jedes Bier für einen guten Zweck. Der Erlös geht an ein Kinderheim, Arnulfsplatz 3, Tel. 09 41 / 59 30 20, www.kneitinger.de .

Bei Dampfnudel-Uli gibt’s fast nichts anderes außer seine faustgroßen Hefeklopse - besonders gut schmecken sie mit Vanillesoße, Am Watmarkt 4, Tel. 09 41 / 5 32 97, www.dampfnudel-uli.de .

Allgemeine Informationen
Tourist Information, Altes Rathaus, Rathausplatz 4 93047 Regensburg, Tel. 09 41 / 5 07 44 10, www.regensburg.de

So wird das Reisewetter in Deutschland