Gesundes Klima: Auf Borkum können Asthmatiker tief Luft holen. Foto: Engelhardt

Borkum oder lieber Juist? Allergiker und Naturliebhaber, Familien und Senioren sind die Zielgruppen der Ostfriesischen Inseln in der Nordsee.

Juist - Plak - plak - plak - plak. Es gibt kaum etwas Angenehmeres, als morgens von klappernden Hufen geweckt zu werden. Danach erst mal Stille. Eine Viertelstunde später kommt die zweite Kutsche vorbei. Vielleicht ist es auch die Müllabfuhr oder der Getränkemann. Das Fehlen von Autos lässt einen Urlaub auf Juist zu einer kleinen Reise in die Vergangenheit werden - wo hört man noch das raue „Tsat-Tsat“, das der Kutscher seinen Gäulen zuflüstert, damit sie den kleinen Hügel zum Kurhaus hochtraben, ohne stehen zu bleiben? Die Straßen des Inselortes - Juist hat rund 1500 Einwohner - haben Bürgersteige wie überall in Deutschland. Doch meist kann man gefahrlos auf der Straße spazieren gehen.

Die Mehrzahl der Inselbewohner fährt Fahrrad, manche haben ein E-Bike - die Insel ist ja immerhin 17 Kilometer lang. Nur der Arzt hat ein Auto, und die Feuerwehr. „Weil wir dreistöckige Häuser haben, wollen wir uns jetzt einen neuen Feuerwehrwagen mit Drehleiter kaufen, der soll 600 000 Euro kosten“, erzählt der Juister Marketingchef Thomas Vodde. Andere Gemeinden dieser Größenordnung würden solche Summen nie aufbringen, doch auf Juist ist alles ein wenig anders. Eine Eisenbahn gab es nur bis 1982, sie führte vom Hafen bis zum Dorf. Da Ende der 70er Jahre ein neuer Hafen direkt am Dorfausgang gebaut wurde, wurde die Eisenbahn stillgelegt. Die Frisia Luftverkehr Norddeich (FLN) betreibt einen Flughafen, der von Propellermaschinen mit neun Sitzen angesteuert wird - wenn kein Nebel die Sicht behindert. Auf keinen Fall versäumen sollte man eine Wattwanderung. „Pünktlich sein!“, warnt der Concierge im Hotel vor, denn Wattführer Heino (www.heino-juist.de) geht um Punkt vier Uhr los.

„Muscheln zu essen, ist ein großer Frevel an der Natur"

Keine Minute früher und keine Minute später. Mit dem Stock zieht er gerne Kreise in den nassen Sand. In den ersten Kreis werden die Schuhe der Teilnehmer gestellt, in den zweiten Kreis wirft er einige Dutzend lebende Muscheln. „Machen Sie bitte ein Foto. Wir kommen hier in zwei Stunden wieder vorbei und wollen es vergleichen“, ruft der Führer der 25-köpfigen Gruppe zu, die brav ihre Kameras zückt. Nur zu gerne berichtet Heino von seiner Kindheit, die er mit seinen Kameraden im Dorf und natürlich im Watt verbracht hatte; von Scherzen wie, den Mädchen eine Krabbe in den Nacken zu setzen, oder der „lebenden Wasserpistole“, einer bestimmten Muschelart, die sich mit Wasser vollpumpt. Eindrucksvoll ist das Wasserglas mit dem braunen Morastwasser: Die Muscheln, die Heino dort hineinsetzt, haben es innerhalb von einer Stunde glasklar „gereinigt“. Stolz ist er auf das Fangverbot für Herzmuscheln, von dem er höchstpersönlich die „große Politik“ überzeugte und das gesetzlich verankert wurde: „Muscheln zu essen, ist ein großer Frevel an der Natur, denn von Muscheln hängt das ganze Leben im Watt und im Meer ab.“

Genau wie Juist ist auch Borkum auf ältere Semester eingestellt, die gerne in der Nebensaison kommen, und auf Familien in der Hauptsaison. Daneben wirbt Borkum neuerdings für sich als „Insel für Allergiker“, und das hat vor allem mit seiner geografischen Lage zu tun: Borkum ist 30 Kilometer vom Festland entfernt, daher herrscht hier Hochseeklima. „Schon nach wenigen Tagen brauchen Allergiker, die bei uns im Urlaub sind, ihr Asthmaspray nicht mehr“, das hat Katharina Russek schon oft von ihren Gästen gehört. Ihr Café Lüttje Toornkieker, direkt neben dem alten Leuchtturm, ist der erste gastronomische Betrieb auf Borkum, der mit dem Siegel der Europäischen Stiftung für Allergieforschung ausgezeichnet wurde. Die Speisekarte liest sich so, wie Allergiker es sich wünschen, aber nur in den seltensten Fällen finden: Neben jedem Gericht finden sich Piktogramme für die verschiedenen Allergien, bei denen die Speise keine Probleme bereiten wird.

Borkum besitzt eine Vielfalt von mobilen Möglichkeiten

Dazu gehören Glutenunverträglichkeit, Laktose-Intoleranz, Nussallergie und anderes mehr. Die Kuchen, die Katharina Russek ohne Weizenmehl bäckt, sind dabei so gut, dass auch „normale“ Esser sie gerne bestellen. Im Gegensatz zu Juist hat Borkum eine Vielfalt von mobilen Möglichkeiten: Da ist die historische Inselbahn, die zwischen Hafen und Ortskern hin- und herpendelt. Die Waggons, die so schön bunt und nostalgisch daherkommen, wurden aber erst im Jahr 1993 von Waggonbau Bautzen hergestellt. Es gibt einen original Mercedes-Omnibus aus dem Jahr 1953, der Gäste zu einer Rundfahrt über die Insel mitnimmt - die größte Ausdehnung Borkums beträgt übrigens zehn Kilometer.

Die meisten Gäste bevorzugen jedoch das Fahrrad, mit dem man auf der Insel wohl auch am flexibelsten ist. Der Inselort bietet wenig Aufregendes, die Geschäfte sind auf das betagte Publikum ausgerichtet, und nahezu jedes zweite Haus ist eine Pension. „95 Prozent der Borkumer leben vom Tourismus, und das nicht schlecht“, sagt Christoph Müller, der einzige Schäfer auf der Insel. Er hütet rund 100 Moorschnucken und wohnt in einem der ältesten Häuser der Insel. Vorn zur Straße hat es, wie viele Häuser dieser Generation, einen kleinen, verglasten Anbau. An der Kurpromenade spielen abends oft mittelprächtige Unterhaltungskapellen. Wenn man es schafft, sollte man dem berühmtesten Insulaner, Albertus Akkermann, lauschen. Er singt bisweilen mit seinem Shanty-Chor oder auch allein mit dem Schifferklavier. Multikulturell geht es auf den beiden Inseln übrigens nicht gerade zu - englischsprachige Speisekarten in den Restaurants verstauben meist. Die Gäste sind zu 90 Prozent Deutsche, von den restlichen zehn Prozent Ausländern kommen die meisten aus der deutschsprachigen Schweiz.

Infos zu den Ostfriesischen Inseln

Anreise
Borkum: Mit dem Zug bis Emden Borkumkai, von dort mit dem Katamaran (60 Minuten Fahrzeit) bis Borkum. Vom Hafen mit der Borkumer Kleinbahn zum Inseldorf, www.borkumer-kleinbahn.de

Juist: Mit dem Zug bis Norddeich Mole, von dort vom Juistanleger mit der Fähre bis Juist. In den Sommermonaten fährt die Fähre zweimal täglich (Fahrtzeit 90 Minuten), www.reederei-frisia.de

Unterkunft
Borkum: Pension Grabisch, Ostland 5, 26757 Borkum, www.pension-grabisch.de . Das alte Bauernhaus hat 23 Betten in 12 einfachen Zimmern, außerdem eine kreative Werkstatt, in der man nähen, schweißen, töpfern oder spielen kann.

Nordseehotel Borkum, Bubertstraße 9, 26757 Borkum, www.nordseehotelborkum.de .Eines der traditionellen Häuser der Insel, erbaut im Jahr 1891 und immer noch in Familienbesitz. Ganzjährig geöffnet, mit integriertem Kurbetrieb.

Juist: Kurhaus Juist, Strandpromenade 1, 26571 Juist, www.strandhotel-kurhaus-juist.com . Erstes Haus am Platz, eleganter Bau aus dem Jahr 1898 im klassischen Stil der Seebad-Architektur mit 70 Zimmern.

Hotel-Pension Meyenburg & Gerds Höft, Billstraße 16, 26571 Juist, www.meyenburg-juist.de. Nur 600 Meter vom Ortskern gelegen und 400 Meter vom Strand - kleines Familienhotel mit acht Zimmern.

Allgemeine Informationen
Borkum: www.borkum.de , Juist: www.juist.de