Ein Test auf der Schwäbischen Alb. Foto: Steffen Schmid

Ein neuer Stellplatzführer versammelt Höfe, Weingüter und Brauereien, bei denen man mit dem Wohnmobil kostenlos übernachten kann.

Ödenwaldstetten - Max ist naseweis. Der schwarz-weiße Kater setzt aus dem Stand zum Sprung an und landet im Wohnmobil neben dem Kühlschrank. Es dauert nicht lange und man kennt zumindest die Katzen auf dem Heidäckerhof am Ortsrand von Ödenwaldstetten beim Namen. Bei den Kühen ist das ein Ding der Unmöglichkeit: Es sind schlichtweg zu viele. Helmut Rauscher (53) ist der Mann hinter der inzwischen doch schon bekannten Marke Albkäs. Er ist aber auch einer, der nicht nur machen, sondern den Leuten auch zeigen will, wie das gemacht wird, was er macht. „Transparenz“ lautet das moderne Stichwort. Und auch „Authentizität“.

Rauscher hat erkannt, was ein moderner Landwirt außer Landwirt so alles sein muss. Gastgeber zum Beispiel. Deshalb hat er auch zwei Ferienhäuschen auf dem Hof. Und er ist dabei bei der neuen Idee namens „Landvergnügen“. Die Idee ist so simpel wie genial. Und gar nicht mal so neu. In Frankreich heißt es „France Passion“ und funktioniert schon seit mehr als 20 Jahren. 1992 luden die ersten Weingutbesitzer Wohnmobilisten zum Übernachten ein und hatten so die Kundschaft direkt auf dem Hof stehen. Heute gibt es in Frankreich rund 2000 Gastgeber - nicht nur Winzer, sondern auch Pferdezüchter, Olivenbauern, Käser oder Austernzüchter.

Der Berliner Ole Schnack hat mit Frau und zwei Kindern neun Wochen in Frankreich Urlaub auf diese Art gemacht und gedacht, dass Deutschland dieses Konzept dringend braucht. Nun hat Schnack den Stellplatzführer „Landvergnügen“ im April 2014 hier auf den Markt gebracht. In der ersten Auflage des Buches sind fast 240 Gastgeber in ganz Deutschland verzeichnet. Wer sich die Jahresvignette für knapp 40 Euro kauft, steht mit Wohnmobil oder Campingbus für 24 Stunden kostenlos auf Höfen, Weingütern oder vor Brauereien. Das hat nichts mit Dauercampern und ihren mit Gartenzwergen aufgepeppten, abgegrenzten Stellflächen zu tun, sondern mit Menschen, die Lust auf ein kleines bisschen Freiheit und viel Genuss haben. Die „Landvergnügen“-Idee nimmt Fahrt auf.

Das also ist das Landidyll

Bei Helmut Rauscher auf der Schwäbischen-Alb-Hochfläche waren schon ein paar Camper zu Gast, auch der Hof der Familie Allgaier in Heroldstatt wurde bereits angefahren. Man hört einfach nichts. Mal blökt ein Kalb, in der nächsten Nacht ein Schaf. Ansonsten? Stille. Einfach Stille. Kein Auto fährt vorbei, keine Polizeisirene ist zu hören. Keine Jugendlichen, die auf der Straße laut vom schönen Leben träumen. Das also ist das Landidyll. Viel ist das nicht, und das ist viel. Es könnte gut sein, dass der neue Stellplatzführer „Landvergnügen“ so etwas wie den Nerv der Zeit trifft. Die Lust aufs Land wächst zumindest auf dem Papier. Magazine wie „Landlust“ und Konsorten verkaufen sich wie geschnitten Brot. Der Konsument schätzt Hofläden und möchte gern regionale Produkte genießen. Kulinarischer Tourismus ist keine bloße Worthülse. Der Verbraucher will wissen, wo das Fleisch, die Wurst, der Käse herkommen. Näher dran als hier kann er nicht sein.

Der Weg zwischen Erzeuger und Verbraucher ist kurz. Die Städter könnten „Landvergnügen“ für sich entdecken und am Wochenende die Flucht aufs Land antreten. Ihre Kita-Kinder könnten lernen, dass die Milch aus der Kuh und nicht aus dem Tetrapak kommt. „Ein Bauernhof ist das schönste Klassenzimmer überhaupt“, sagt Rauscher. Wenn man dann da ist, sieht man, dass das Vergnügen der Gäste vor allem viel Arbeit ist. Zweimal am Tag wird gemolken, abends ist sehr spät Feierabend. Vor allem Ende August gibt es viel zu tun. Es ist Erntezeit. Mähdrescher hört man aus der Ferne. Helmut Rauscher macht Heu, was wunderbar riecht. Im Stall ist die Luft natürlich anders, wenn 30, 40 Kühe um das Futter buhlen, Schmeißfliegen herumsummen. Draußen auf der Weide genießen die Albbüffel die Abendsonne.

Die Älbler sind findige Leute

So viel Idyll muss sein. Helmut Rauscher hat schon in den achtziger Jahren auf Bio umgestellt, seit 2005 macht er Käse aus Büffelmilch. Direkter als hier vor Ort kann man seine Lebensmittel nicht einkaufen. Im Hofladen deckt man sich fürs Vesper ein: mit Biobüffelwurst, Ziegenfrischkäse, Albkäs und Rotkäs. In der Käserei hinter der Theke wird gerade der Albzarella - die Alb-Variante von Mozzarella - in der Maschine geformt und geknetet. Die Älbler sind findige Leute. Der Kunde auf dem Hof gehöre für den Bauern Rauscher so dazu „wie die Tiere im Stall“. Dort sind sie aber nur selten. Viel mehr Zeit verbringen Rauschers Kühe und Allgaiers Schafe draußen. Auch Schäfer müssen früh raus. Die Tiere, die mit den jungen Lämmern im Stall stehen, müssen gefüttert und versorgt werden.

Morgens, abends, werktags und am Wochenende. Auf dem Hof der Schäferei Allgaier steht man weitab vom Schuss und entfernt vom Wohnhaus der Familie. Mitten auf der Schwäbischen Alb, fast 800 Meter hoch. Der Weg führt übers Feld, vorbei an einer kleinen Kapelle. Am Rand wiegen sich Sonnenblumen und Mohn im Kornfeld. Ein Spaziergang führt zum Truppenübungsplatz, wo die Schafe Kräuter von der Wacholderheide zupfen - was das Fleisch schmackhaft macht. Dort steht ein Turm, dessen 30 Meter hoch gelegene Aussichtsplattform nur jene erklimmen sollten, die wirklich schwindelfrei sind. Regina und Johannes Allgaier betreiben die Schafzucht in dritter Generation. Seit mehr als 100 Jahren gibt es die Schäferei, die inzwischen hauptsächlich auf Fleischproduktion und Landschaftspflege setzt.

Durch Zufall sind sie auf das „Landvergnügen“-Konzept gestoßen. „Und Platz haben wir“, sagt Regina Allgaier. Sonntags öffnet sie ihre Wirtschaft Reginas Futterkiste am Schafstall, in der es dann auch Schafwurst und Lammburger für Wanderer, Spaziergänger und die neuen Gäste im Wohnmobil gibt. Mittags scheint die Sonne, die putzigen Lämmer spielen Fangen im Gras. Seniorchef Walter (83) füttert Hund Franz mit Schafsinnereien. Minikätzchen, die gerade mal drei Wochen alt sind, verstecken sich unter ollem Gebälk. Da ist es wieder, das Idyll. Doch die Alb zeigt im Spätsommer, warum sie auch „Schwäbisch Sibirien“ genannt wird. Es ist kalt. Die dunklen Wolken hängen tief. Abends fängt es an zu regnen.

Doch jeder, der schon mal campen war, weiß, dass die Regennächte mit am schönsten sind. Man sitzt drinnen, der Regen prasselt aufs Dach. In Reginas Imbiss gibt’s zum Glück Bier zu kaufen. Es ist von der Brauerei Berg von der Schwäbischen Alb, logisch, und heißt Schäfleshimmel.

 

Infos zur Schwäbischen Alb

Landvergnügen
Den Stellplatzführer gibt es seit April 2014, er ist ein Jahr gültig und kostet 39,90 Euro. Mit der Vignette kann man mit Wohnmobil oder Campingbus auf den Bauernhöfen oder Weingütern kostenlos übernachten. Im Führer ist verzeichnet, was auf dem Hof alles angeboten wird (von Hofladen über Bewirtung bis zu Toiletten). Man meldet sich telefonisch 24 Stunden vorher auf dem Hof seiner Wahl an.

Weitere Informationen unter www.landvergnuegen.com .

Die Höfe auf der Schwäbischen Alb
Die Hohensteiner Hofkäserei von Helmut Rauscher liegt unweit von Hohenstein-Ödenwaldstetten. In dem dazugehörigen Hofladen kann man tollen Albkäse kaufen. Mithilfe im Stall oder beim Melken ist möglich, Hofführungen gibt es auf Anfrage, www.albkaes.de.

Die Schäferei Allgaier liegt am ehemaligen Truppenübungsplatz bei Heroldstatt. Sonntags von 14 bis 18 Uhr hat „Reginas Futterkiste“ für Wanderer und alle anderen geöffnet.

Weitere Informationen unter www.schwabenlamm.de .