Eine der schönsten Strecken durch die Rhön ist der Milseburg-Radweg. Vom Gipfel des Berges Milseburg bieten sich weite Ausblicke. Foto: Albers

Untergegangene Schienen-Herrlichkeit: Heute kurven Radfahrer auf ehemaligen Bahntrassen steigungsarm kreuz und quer durch die Rhön. Mit spektakulären Abstechern.

Hilders - Links und rechts steile Wälle, vor einem der Berg. Ende der Reise? Nein, nach einer sanften Kurve gähnt plötzlich ein dunkles Loch, eingefasst von mächtigen Quadern - der Eingang in den Milseburg-Tunnel. Hier ratterten von 1889 bis 1993 Züge durch, von Fulda bis zu den Rhön-Städtchen Hilders und Tann. Seit 2003 rollen die Räder wieder: die der Radfahrer. Und das gleich durch eine Rekordstrecke. Die 1172 Meter durch den Berg sind der längste Tunnelabschnitt, der in Nord- und Mitteleuropa in einen Radweg integriert ist. Und eigentlich gleich in ein ganzes Netz. Denn auch die abgelegenen Orte der Rhön forderten im 19. Jahrhundert einen Anschluss an die wirtschaftsstarken Städte im Vorland - und bekamen etliche Nebenbahnen. Sie alle fielen in den letzten Jahrzehnten dem Kahlschlag der Bahn zum Opfer. Erst mal dämmerten die Trassen vor sich hin.

Dann fügten die Touristiker ein ganzes Geflecht von Radtrassen, neudeutsch Rail Trails genannt, zusammen, die die bergige Rhön meist steigungssanft zugänglich machen. Auch wenn manche Trassenteile überbaut sind oder zwischen den einzelnen ehemaligen Stichbahnen auch mal bergigere Passagen sind: So viele Radtrassen auf engem Raum hat man selten. Etwa den Kegelspiel-Radweg, den Solztal-Radweg, den Feldatal-Radweg oder gleich den Bahn-Radweg Hessen, der sich über 245 Kilometer erstreckt. Eine der schönsten Strecken ist der Milseburg-Radweg. Sanft steigt er ab Götzenhof bei Fulda an. Und spätestens beim Schloss Bieberstein merkt man, wie trickreich die Bahningenieure sich der Höhe näherten. Mal sieht man den markanten Bau auf einer Bergkuppe zur Linken, dann zur Rechten - solche Bögen macht die Trasse bis zum Tunneleingang. Wer schwitzend angekommen ist, bekommt nun eine mächtige Abkühlung. Am Tunnel hat der Radweg seinen Scheitelpunkt, schnell rollen die Räder durch die steinerne Röhre.

Berghütten wie sonst nur in den Alpen

Fröstelige acht bis zehn Grad sind es hier drin. Natriumdampflampen, die durch Bewegungsmelder gesteuert sind, spenden Licht - allerdings nur tagsüber. Nachts bleibt der Tunnel stockduster. Wer sich unbehaglich fühlt: Der Tunnel wird durch Videokameras überwacht, und Notrufsäulen stellen eine direkte Verbindung zur Polizei her. Wer Kraft hat, sollte noch auf die Tunnel-Umgehung (die man zwischen November und März nehmen muss, wenn die Fledermäuse im Tunnel überwintern) einschwenken. Steil geht es zu einem Parkplatz unterhalb des namensgebenden Berges hoch, der Milseburg. Es ist nicht nur Lokalpatriotismus, die sie zu einem der schönsten Mittelgebirgsgipfel gekürt hat. Mächtige Felsenwälle, zum Teil aus der Keltenzeit, ragen immer wieder auf. Der Gipfel ist eine gigantische, steile Felshaube, gekrönt von einer monumentalen barocken Kreuzigungsgruppe und gesegnet mit einer fantastischen Aussicht. Und noch etwas Rhön-typisches gibt es hier: Berghütten wie sonst nur in den Alpen.

Hier die rustikale Milseburghütte, die keinen Stromanschluss hat und bei Dunkelheit eben die Kerzen anzündet. Zurück zum Milseburg-Radweg. Der mündet bald bei Hilders direkt in den nächsten Radweg, der dem Ulstertal nach Norden folgt. Bei Tann erreicht er die Trasse der ehemaligen Ulster-Bahn. Die hatte nur ein sehr kurzes Leben. 1909 war sie gebaut, keine 50 Jahre später schon wieder stillgelegt, weil die deutsch-deutsche Grenze sich hier hindurchzog - vor allem um die thüringische Stadt Geisa. Das Ende des Radweges ist dort schon in Sicht, am Horizont türmen sich die weißen Halden des Kalibergbaus am Werra-Tal auf. Und wieder lohnt ein Abstecher. Erst mal nach Geisa hinein, ein hübsches Städtchen, und dann den Berg hoch zu einem eher gruseligen Ort: Point Alpha. Nirgendwo standen die Truppen des Westens - hier die Amerikaner - näher am Eisernen Vorhang. Denn hier hatten die Militärstrategen den Fulda Gap ausgemacht, die Fulda-Lücke: Durch sie, so war man sich sicher, würden sich im Kriegsfall die Panzerarmeen des Ostens wälzen.

Vom Beobachtungsposten zur Gedenkstätte

Also schob bis 1990 eine amerikanische Eliteeinheit Wache direkt am Grenzzaun, eben im Beobachtungsposten Point Alpha. Jetzt ist er eine Gedenkstätte. In der Kantine hängt die Galerie der Kommandeursporträts - viele markante Hollywood-Haudegen-Gesichter. Ein roter Stein im Boden markiert eine selbst auferlegte Stoppstelle der Amerikaner: Weiter rollten ihre Panzer im eigenen Lager nicht vor, nicht mal bis zum Fahnenmast, um nur ja keine nervösen Reaktionen auf der Gegenseite zu provozieren. Die konnte sie perfekt einsehen - direkt unter dem Beobachtungsturm verlief einstmals der Todesstreifen. Direkt über einen alten Vorkriegsübergang mit seinem Schlagbaum, auf dem die Russen ihr Stoppschild montiert haben, ist als Museum das Haus auf der Grenze gebaut worden. Ein Multimedia-Monitor zeigt dort die Planspiele der Militärs, die immer davon ausgingen, Westdeutschland zum Schlachtfeld zu machen und den Sowjet-Block erst in der Mitte oder sogar am Rhein zu stoppen.

So heiß der Kalte Krieg hier auch war: Geschossen wurde nur einmal, 1962, von einem Soldaten des Bundesgrenzschutzes, der einen Hauptmann der DDR-Grenztruppen tödlich traf. Nach 1989 traute er sich aus der Deckung und erzählte in Fernsehinterviews von dem dramatischen Schusswechsel. Auch das zu sehen auf einem Monitor. Und dann erzählt der die Geschichte weiter: 1998 wurde der Mann unweit der Schusswechsel-Stelle getroffen, hingerichtet mit einem Kopfschuss. Der oder die Täter: bis heute unbekannt. Aber die Leute hier, das zeigen Interviews, sind sich sicher, wer da späte Rache übte.

Infos zur Rhön

Anreise
Auf der A 81 bis Würzburg, dann weiter auf der A 7 Richtung Kassel. Die Rhön liegt dann immer zur Rechten, die Abfahrten bei Fulda oder Hünfeld führen schnell ins Milseburg-Gebiet oder nach Geisa. Infos zur Zuganreise unter www.bahn.de .

Unterkunft
Hotel Rhön Garden, Kohlstöcken 4, 36163 Poppenhausen, www.rhoen-garden.de .

Liegt am Fuß der Wasserkuppe. Hotel Leist Sonne Engel, Marktstr. 12, 36115 Hilders, www.leist-sonne-engel.de .

Für Radfahrer, die gerne mit Zelt unterwegs sind, empfiehlt sich der schön angelegte Rhön-Camping-Park in Ehrenberg, www.rhoen-camping-park.de .

Radwegenetz
Infos unter www.rhoen.de . Es gibt eine ganze Reihe Broschüren mit guten Karten und Zusatzinfos, etwa zum Milseburg-Radweg. Sie können angefordert werden beim Rhön-Info-Zentrum, Wasserkuppe 1, 36129 Gersfeld, Telefon 0 66 54/ 91 83 40, E-Mail: rhoen-info-zentrum@rhoen.de.

Wer den Milseburg-Radweg nicht hin und retour fahren will, kann sonn- und feiertags den „RhönRadBus“ benutzen, www.LNG-Fulda.de .

Sehenswertes und Ausflüge
Die Rhön ist ein perfektes Wanderland, weil sie viele aussichtsreiche Hochlagen hat - und ein ganzes Netz von Premiumwegen.

Quer durch die Rhön zieht sich der Hochrhöner, viele Rundwanderwege zweigen von ihm ab, etwa der Point-Alpha-Weg bei Geisa.

Immer wieder spannend ist ein Besuch des geografischen Rhönhöhepunktes Wasserkuppe mit dem Museum zur Segelfliegerei.

Genauso schön ist ihr Pendant im bayerischen Teil der Rhön, der Kreuzberg bei Bischofsheim, der nach Landestradition ein Kloster samt Klosterbier hat.