Detail aus einem Ballettkostüm Birgit Keils von 1978 Foto: Deutsches Tanzarchiv

Im Deutschen Tanzarchiv in Köln folgt die Ausstellung „Faltenwurf & Walzerschritt“ Tanz und Mode durch den Wandel der Zeiten. Auch Ausstellungsstücke aus Stuttgart sind zu sehen.

Köln - Ein Parcours ist kein Laufsteg. Deshalb führt der Weg nicht schnurstracks durch die Ausstellung, sondern schlängelt sich vorbei an verhangenen Separées oder Nischen. So wird der Betrachter in der aktuellen Ausstellung des Deutschen Tanzarchivs unversehens zum Flaneur, der mal da einen verstohlenen Blick auf eine Kokotte wirft, mal dort festgehalten wird von einem alten Film, der das Ambiente einer vergangenen Epoche wiederaufleben lässt. Sich drehend und wendend, wird man selbst mehr und mehr zu einem imaginären Tänzer, der unter dem einladenden Titel „Faltenwurf & Walzerschritt“ noch bis zum 9. August das Thema „Tanz und Mode im Wandel der Zeit“ sozusagen am eigenen Leib erfahren kann.

Und das gleich in mehrfacher Hinsicht: Indem er sich bewusst macht, was er selbst an Kleidung trägt, und gleichzeitig erfährt, wie sehr die Mode nicht zuletzt auch seine eigene Bewegungsweise prägt – selbst wenn man nicht einem der Modetänze frönt, von denen in der Schau ein paar der populärsten zu sehen sind. So zum Beispiel gleich beim Entrée, wenn Willy Fritsch und Lilian Harvey in einer Endlosschleife des Films „Der Kongress tanzt“ einen Walzer nach dem anderen drehen. Oder am Ende, wenn Silvana Mangano mit einem Shimmy begeistert und Claus Schulz in der „Revue um Mitternacht“ unter altem DDR-Vinyl kramt.

Die Ausstellung, von Thomas Thorausch und der Textilexpertin Katja Stromberg zusammengestellt, soll sich ja nicht in ihrer Statik erschöpfen, auch wenn die meisten Exponate eher zum Verweilen verführen. Schließlich hat ja ein Kleid wie das der legendären Ausdruckskünstlerin Isadora Duncan insofern Geschichte gemacht, als es den Tänzerinnenkörper nicht zum Verschwinden brachte, sondern vielmehr in seiner ganzen Schönheit sichtbar machte. So etwas will analysiert werden. Das von Hand gearbeitete knöchellange Kleid aus transparenter Seide ist der Kleidung der griechischen Antike nachempfunden und ermöglicht das erwünschte „Spiel der Falten“, das die prominenten Tanzwissenschaftlerin Gabriele Brandstetter in dem Buch „Mode. Weiblichkeit und Modernität“ am Beispiel „Inszeniertes Plissee bei Mariano Fortuny und Issey Miyake“ zu einem ihrer geistreichsten Essays inspiriert hat.

Konfrontiert mit einem Tanzkleid der Charlotte Bara sowie zwei Kostümaccessoires unter dem Stichwort „FREI“ steht dieser Teil der Kollektion auch für die Reformbemühungen, die unter dem Einfluss des Ausdruckstanzes Eingang in die Mode genommen haben. Ein paar Drehungen mehr auf dem Schnittmusterboden, und schon finden sich unter dem Signum „MEHR“ zwei weitere Beispiele aus der über 700 Einzelstücke umfassenden Kostümsammlung, die Clotilde Sacharoff und Harald Kreutzberg zugeordnet werden und fraglos etwas Theatralisches haben. Da wird, so die Ausstellungsmacher, das Tanzkleid zu einem Partner, der vom Tänzer zusätzliche, ganz eigene Körperbewegungen und auch immense Kraft erfordert, das heißt, „zum unverzichtbaren Teil des tänzerischen Ausdrucks“ wird. Es geht auch „ANDERS“. So jedenfalls nennt sich eine Koje, die nicht nur eine Liege von Le Corbusier beherbergt, ansatzweise bemalt von der Grotesktänzerin Valeska Gert, die auch hier ihrem Ruf nichts schuldig bleibt. Man könnte sich darin allerdings auch ein Kostüm aus dem „Triadischen Ballett“ vorstellen, wenn es denn zu haben wäre, findet dafür aber die puristischen Verhüllungen der Wigman-Schülerin Birgit Åkesson vor, die in Schweden das Erbe des Deutschen Ausdruckstanzes kultivierte.

Åkesson, so sagt man, war eigentlich nur Dore Hoyer vergleichbar, und von der tragischen Tänzerin aus Deutschland findet sich unter dem Signum „WENIGER“ nicht nur ein vorbildliches Trägerkleid, mit garantierter Bewegungsfreiheit, sondern auch noch ein Kostümdesign mit Stoffmustern und Bewegungsnotationen aus einem choreografischen Notizbuch. Kurz: Anschauungsmaterial, das noch immer Anregungen in Hülle und Fülle bietet – für den Tanz ebenso wie für die Mode.

Zeitlos gibt sich die Schau am Schluss im Kabinett „VERZAUBERT“. Neben einem Rundfunkempfänger namens „Ballett“ und einer Tasche aus den Sechzigern enthält es ein sogenanntes „Tellertutu“ mit einem Durchmesser von 100 Zentimeter, zusammengesetzt aus mehreren Schichten Tüll und Organza: sozusagen das ideale Tänzerinnenkostüm, dessen Erscheinungsbild sich seit dem 19. Jahrhundert nur unwesentlich verändert hat und das in dieser Ausstattung 1978 in der Züricher „Coppélia“-Einstudierung von Imre Keres zum Einsatz kam. Getragen hat das schöne Stück übrigens eine Traumtänzerin aus Stuttgart, die darin Triumphe feiern konnte. Ihr Name, ein Begriff: Birgit Keil.