Mal wieder nicht zu schlagen: Verena Sailer (rechts) gewinnt den 60-m-Sprint vor Alexandra Burghardt (Mitte) und Inna Weit. Doch die Konkurrenz wird stärker Foto: Pressefoto Baumann

Mit Vollgas nach Prag: Die deutschen Läufer sind bereit für den Kampf um die Medaillen bei der Hallen-Europameisterschaft. Dabei war bei den Sprintern in dieser Saison noch kein Lauf perfekt, meint Cheftrainer Idriss Gonschinska. Auch nicht bei der DM in Karlsruhe.

Karlsruhe - Der Rekord steht. Immer noch. Frank Kowalski, Veranstaltungsdirektor beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), hatte eigentlich darauf spekuliert, dass er geknackt wird. Die deutsche Bestleistung ist immerhin schon 27 Jahre alt. 1988 schaffte der Berliner Sven Mathes die 60 Meter in 6,53 Sekunden. Bei den Deutschen Leichtathletik-Hallen-Meisterschaften in Karlsruhe war Christian Blum der Schnellste – in 6,57 Sekunden.

„Und das, obwohl ich gestern noch mit 38,5 Grad Fieber auf der Couch gelegen bin“, sagte der Sprinter aus Wattenscheid. Zweiter wurde Lucas Jakubczyk (Berlin/6,58) vor Julian Reus (Wattenscheid/6,61). Es scheint aber nur eine Frage der Zeit, bis einer der schnellen Jungs den Uralt-Rekord knackt. Denn es läuft wieder bei den deutschen Sprintern. „Und das, obwohl in diesem Jahr noch bei keinem ein Rennen zu 100 Prozent perfekt gewesen ist“ betonte DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska.

„In diesem Bereich können wir eine fantastische Entwicklung verzeichnen“, meinte Gonschinska, „ auch weil wir uns seit Jahren bemühen.“ Zum Beispiel haben die Verantwortlichen 2010 damit begonnen, zu analysieren, was die internationalen Spitzenläufer anders machen. „Wir haben versucht, uns ein bisschen was abzuschauen. Denn da gab es schon Unterschiede“, sagte Gonschinska. Das Training wurde unter anderem verändert, die Jahresplanung angepasst. Nun fängt es an, sich auszuzahlen.

Auch bei den Frauen. Zum siebten Mal flog Verena Sailer (Mannheim) in der ausverkauften Karlsruher Messehalle zum DM-Titel und stellte ihre persönliche Bestzeit über 60 m ein (7,12 Sekunden). „Es hat sich richtig gut angefühlt“, sagte Sailer, „ich fahre mit einem guten Gefühl zur EM.“ In Tränen aufgelöst war Alexandra Burghardt. „Heute ist der Knoten endlich geplatzt“, jubelte die Zweitplatzierte aus Mannheim, und Gonschinska lobte: „Das Niveau ist wirklich stark.“ Den Cheftrainer freut’s vor allem, weil er bereits einen Schritt weiterdenkt – an die Freiluft-WM in Peking in diesem Sommer und an die Olympischen Spiele in Rio 2016. Je mehr schnelle Sprinter, desto mehr Optionen für die Staffeln – und desto mehr Hoffnung auf eine Überraschung.

Zunächst steht jedoch die Hallen-EM (6. bis 8. März) in Prag an. Mehr als 30 Athleten sollen dort die deutschen Farben vertreten und nicht nur die Sprinter können für Furore sorgen. Auch über die längeren Distanzen läuft’s. Der deutsche Meister und Weltjahresbeste über 1500 Meter, Homiyu Tesfaye (LG Eintracht Frankfurt), meint zum Beispiel zu seinen EM-Zielen: „Ich will Gold.“

Über 3000 Meter heißt der deutsche Medaillenanwärter Richard Ringer (Friedrichshafen). Der schnellste Europäer in diesem Jahr über diese Distanz brauchte in Karlsruhe 8:29,57 Minuten für Gold. „Für die deutschen Meisterschaften war es okay, aber für die EM muss ich etwas fitter sein“, sagte Ringer. Zweiter wurde Florian Orth (8:29,61 Minuten). „In Prag haben wir beide Chancen auf Medaillen. Ich möchte den Vorlauf überstehen, dann geht’s voll auf Angriff“, kündigte Ringer an.

Eine Medaillenvorgabe für die europäischen Titelkämpfen will Gonschinska trotz der guten Zeiten nicht ausgeben: „Wir wollen, dass die Athleten ihre Leistungen von der DM im internationalen Umfeld bestätigen“, sagte der DLV-Cheftrainer. Aber allein das lässt hoffen – denn zumindest auf europäischer Ebene mausert sich die Werfernation Deutschland zu einer Läufernation.