David Storl beim Kugelstoßen vor dem Ulmer Münster. Foto: dpa

Vor einer solchen Kulisse haben die besten Kugelstoßer Deutschlands wohl noch nie einen Wettkampf ausgetragen: Das Ulmer Münster blickte majestätisch auf die Athleten hinunter.

Vor einer solchen Kulisse haben die besten Kugelstoßer Deutschlands wohl noch nie einen Wettkampf ausgetragen: Das Ulmer Münster blickte majestätisch auf die Athleten hinunter.

Ulm - Die Premiere unterm höchsten Kirchenturm der Welt hat nicht nur bei Christina Schwanitz und David Storl große Begeisterung ausgelöst. Die Vize-Weltmeisterin und der Doppel-Weltmeister gewannen am Freitagabend das Kugelstoßen bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften, das erstmals auf dem Münsterplatz in Ulm ausgetragen wurde. „Ein riesiger Wettkampf“, sagte Storl. „Das hat sehr viel Spaß gemacht“, meinte Schwanitz. „Es ist so einfach schöner, persönlicher, näher, menschlicher.“

4000 Zuschauer und röhrende Rockmusik rund um den 161,5 Meter hohen Münster sorgten für eine Atmosphäre, die die Stiefkinder der olympischen Kernsportart sichtlich genossen. Regelmäßig hatten sich Schwanitz und Co. in den vergangenen Jahren beklagt, dass ihre Disziplin in den Stadien untergeht. Dieses Mal baute der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) einen 1,2 Tonnen schweren Ring mitten in der Stadt auf, ein Podium mit Rollrasen, eine Tribüne, eine Videowand und sogar einen VIP-Bereich. „Hammerkulisse, tolles Publikum“, schwärmte Vizemeisterin Lena Urbaniak (LG Filstal). „So superspannend kann Kugelstoßen sein.“

Schwanitz und Storl hätten dem Publikum gerne noch etwas mehr geboten als ihre Siegesweite. Mit 19,69 Metern gewann die 28-Jährige vom LV 90 Erzgebirge vor Urbaniak (17,84) und Shanice Craft aus Mannheim (17,75), die beide persönliche Bestleistungen aufstellten. „Ich wollte zu viel vor dieser beeindruckenden Kulisse. Wenn man zu viel will, dann funktioniert es meistens nicht“, sagte Schwanitz.

Bei Storl hatten alle auf den ersten 22-Meter-Stoß seiner Karriere gehofft, an dem der Chemnitzer bereits seit Wochen kratzt. Zwei Tage vor seinem 24. Geburtstag holte er seinen vierten Titel hintereinander mit 21,87 Metern. Zweiter wurde der Neubrandenburger Christian Jagusch mit 19,73 vor Tobias Dahm aus Sindelfingen mit 19,62 Metern.

Bei der Europameisterschaft vom 12. bis 17. August in Zürich sind Schwanitz und Storl jedenfalls die Topfavoriten. „Ich wünsche mir Gold“, sagte Schwanitz. „Ich will schon meinen Titel verteidigen, das ist mein Antrieb und mein persönliches Ziel“, sagte Storl. „Doch mein Augenmerk lege ich auf die Weite. Wenn ich 22 Meter stoße, ist es egal, welchen Platz ich erreiche.“

Für die beiden derzeit besten Kugelstoßer Europas war der Auftritt auf dem Münsterplatz jedenfalls ein Motivationsschub. „Eine klasse Veranstaltung“, urteilte Sven Lang, Trainer von Storl und Schwanitz. So viel Aufmerksamkeit sind die Kugelstoßer allenfalls von den Meetings in Schönebeck oder Biberach gewohnt. Am vergangenen Wochenende aber kämpften die Kraftpakete der Leichtathletik auf dem Londoner Horse-Guard-Parade-Platz, auch bei den US-Meisterschaften wurde die Disziplin ausgegliedert.

Der Trend ist eindeutig in einer Zeit, in der die Leichtathletik längst um jeden Zuschauer kämpfen und Abschied nehmen muss von ihren langatmigen Programmen. „Mit unserem Konzept - aus den Stadien raus und in die Städte reinzugehen - sind wir auf dem richtigen Weg“, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop und verwies auch auf die Veranstaltung „Berlin fliegt“ am 30. August am Brandenburger Tor mit Stabhochsprung und Weitsprung: „Wir werden das konsequent fortsetzen.“