Das CVJM-Haus an der Esslinger Kiesstraße: einen Hinweis auf den angestammten Namen „Lutherbau“ sucht man vergebens. Foto:  

Stolz hat der CVJM seinen Stammsitz einst Lutherbau getauft. Knapp 100 Jahre später liest und hört man den Namen immer seltener. Die Jugend, so erklärt das die Vereinsleitung, könne mit CVJM-Haus mehr anfangen, als mit Lutherbau.

Esslingen - Die einen reden von einem „Sturm im Wasserglas“, die anderen sehen das lutherische Erbe endgültig den Bach runtergehen. Ausgerechnet in dem eben zu Ende gegangenen Reformationsjahr, 500 Jahre nach dem Anschlag seiner Thesen an die Kirchentüre, vuerrusacht der Mönch aus Wittenberg in Esslingen noch einmal ordentlich Unruhe. In den Reihen des Christlichen Vereins junger Menschen (CVJM) kursiert das Gerücht, die Vereinsspitze wolle den angestammten Namen „Lutherbau“ für das CVJM-Domizil in der Kiesstraße dem Vergessen preisgeben.

Immer seltener, so der Vorwurf, taucht die seit der Bebauung des Areals an der Kiesstraße 1919 gebräuchliche Bezeichnung in den Publikationen, Einladungen und Ankündigungen des CVJM auf. Am Gebäude sei der Schriftzug mit der Fertigstellung der Erweiterung 2015 ohnehin schon lange verschwunden.

Die akribisch mit Zahlen untermauerte Feststellung, wonach sich Luther im Esslinger CVJM-Programm immer rarer macht, stellt Gabriele Deutschmann, die leitende Referentin des Vereins, gar nicht in Abrede. „Unsere Arbeit weitet sich aus. Wir sprechen nicht nur Kinder und Jugendliche aus dem bürgerlichen Milieu an. Da können viele mit der Bezeichnung Lutherbau nichts mehr anfangen. Für die ist das ganz einfach das CVJM-Haus“, sagt sie.

Beide Bezeichnungen haben ihre Gültigkeit

Dass dem knapp 1000 Mitglieder zählenden Verein jetzt ein Strick aus dieser Öffnung gedreht werden soll, ärgert sie. „Uns deshalb jetzt vorwerfen zu wollen, wir würden uns von Martin Luther distanzieren, ist schlichtweg abwegig“, sagt sie. Auch gebe es, anders als hinter vorgehaltener Hand weitergetragen, keinen heimlichen Vorstandsbeschluss, der darauf abzielen würde, den Namen des Reformators aus dem CVJM-Umfeld zu tilgen. „Nach wie vor haben beide Bezeichnungen ihre Gültigkeit, je nach Veranstaltung und Adressatenkreis“, sagt Gabriele Deutschmann.

Im aktuellen Monatsanzeiger will die Vereinsführung trotz dieser Klarstellung noch einmal mit einer kurzen Notiz auf die Diskussion eingehen. Ob es fruchtet, sei dahingestellt. Der Blick der Luther-Fraktion wird stattdessen wohl eher auf der Seite 4 hängenbleiben. Dort findet sich das Impressum der meist 40 Seiten umfassenden Informationsschrift – und die Postanschrift. Wo früher CVJM-Haus „Lutherbau“ stand, steht jetzt dort nur noch CVJM-Haus, ohne den zuvor üblichen Hinweis auf den prominenten Namensgeber.

Küchenwerbung statt Luther-Schriftzug

Auch das Gebäude selbst wird von der Lutherbau-Fraktion in den Zeugenstand gerufen. An dem Neubau, so die Kritik, befinde sich kein Hinweis mehr auf den Namensgeber. Die von einem Gönner einst gespendete Leuchtschrift sei nie mehr angebracht worden. Tatsächlich zeigt lediglich ein vergleichsweise kleines CVJM-Logo am Obergeschoss noch Flagge. Dagegen wirbt der Untermieter, ein Küchenhersteller, an prominenter Stelle, was die Kritiker zu einem satirischen Seitenhieb animiert. „Da hätte Luther vielleicht nicht einmal etwas dagegen gehabt. Er war einem guten Essen nicht abgeneigt, und seine Frau soll ja auch eine gute Köchin gewesen sein“, heißt es.

Auch wenn dem Lutherbau in Esslingen noch ein langes Leben beschieden sein sollte – er ist ein Teil einer aussterbenden Spezies. Neben dem Haus in Esslingen gibt es dem Vernehmen nach in Deutschland nur noch einen weiteren Lutherbau – den der Mittelschule im bayrischen Ingolstadt.